Doppelt verkauft

BERLIN. (hpd) Zuerst wurden 49,9 Prozent der Berliner Wasserbetriebe verkauft. Und nun soll die Berliner Bevölkerung für dumm verkauft werden. Eine kurze Geschichte der Seltsamkeiten um das Berliner Wasser.

Als dem Berliner Senat im Jahre 1999 einmal mehr die Kassen knapp wurden, meinte die damals regierende Große Koalition, es wäre ein guter Gedanke, knapp die Hälfe der städtischen Berliner Wasserbetriebe (BWB) zu verkaufen. Selbstverständlich fanden sich zwei opferbereite Großunternehmen, die das Risiko auf sich nahmen, den marode geschriebenen Betrieb zu übernehmen. RWE (Essen) und Veolia (Paris) fanden sich bereit, für einen gewissen Obolus Schluss mit der öffentlichen Unwirtschaft der BWB zu machen. Und damit den Investoren das auch richtig gut gelingen möge, wurde ihnen vom Berliner Senat auf fast 900 Blatt Papier das eine oder andere Schmankerl versprochen. So zum Beispiel Renditen, die etwas mehr als 8 Prozent je Jahr betragen. Das sind 134 Millionen Euro. Jedes Jahr. 28 Jahre lang.

Man muss nicht Kaufmann sein um zu wissen, wie nach Massenentlassungen und maximaler „Geschäftsablaufmaximierung“ diese Versprechen einzuhalten sind: beim Endverbraucher, beim Kunden wird kassiert. Und so kam, was kommen musste. Die Wasserpreise in Berlin stiegen und stiegen. Jeder Tropfen versprach Gewinne. Zumindest für RWE und Veolia; denn der Berliner Senat bekam langsam etwas kältere Füße und gab seinen Gewinnanteil ab, um die vertraglich vereinbarte Rendite zu gewährleisten. Und es dämmerte so manchem Stadtverordneten, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugehen kann. Verkauft wurde, um den Haushalt zu entlasten. Und nun muss der Senat gar zuzahlen?

Einige Berliner, die sich nicht damit abfinden wollten, für den Profit zweier Großunternehmen kaum noch einen Wasserhahn aufdrehen zu können und die der Meinung sind, dass Wasser ein Grundnahrungsmittel sei, zu dem Jede und Jeder kostengünstig Zugang haben müsse, schafften es, 320.700 Unterschriften zu sammeln, von denen 280.887 gültig waren. Damit wurde der Senat dazu gezwungen, ein Volksbegehren zuzulassen, in dem die Offenlegung der geheimen Verträge, die er mit den beiden Investoren abgeschlossen, erreicht werden soll. Das war am 27. Oktober diesen Jahres.

Während die Landesabstimmungsleiterin Dr. Petra Michaelis-Merzbach noch die Stimmen zählte, geschah Seltsames.
Als abzusehen war, dass die „Aufmüpfigen“ vom Berliner Wassertisch tatsächlich die notwendigen Stimmen erreichen werden, konnte sich einer der Investoren nicht zurückhalten und startete eine Kampagne „Gemeinsam sind wir Berlin“ Einhunderttausend Euro sollten bereitgestellt werden für soziale und naturschützende Projekte. Bei einer geschätzten garantierten Rendite in Höhe von etwa 3,75 Milliarden Euro ist das nicht nur ein Witz; es ist eine ungeheure Dreistigkeit. Und wer sich vor gar nichts gruselt, darf sich die Lobbyseite der „Wasserpartner Berlins“ gern ansehen, auf der RWE und Violia unter anderem die „Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen“ sowie eine „transparente Tarifgestaltung“ versprechen.

Die Berliner Tageszeitung TAZ veröffentlichte am letzten Oktober-Wochenende die Geheimverträge, was als Heldentat gefeiert wurde. Wikileaks in Berlin! Allerdings fragt man sich, wie revolutionär das ist, wenn einige Tage später der Berliner Senat mit viel medialem Tamtam die Verträge dann in vermeintlicher Gänze kundgibt. Um die Spannung anzuheben, kam morgens die Pressemitteilung, dass Mittags die Verträge kommen werden. Die TAZ durfte wohl testen, wie das öffentlich ankommt.

Ist nun alles wieder gut? Das Wasser fließt, die Bürger sind still, der Senat hat seine Pflicht getan? Mitnichten! Denn wie beim Hornberger Schießen mag Herr Wowereit nun zwar der Meinung sein, dass das Volk nun endlich bekommen, was es wollte und damit stille zu sein habe. Jedoch bleibt die Frage, weshalb der Senat nun nicht den Gesetzesentwurf, den der Wassertisch vorlegte, absegnen will. Denn „die Weigerung, aufgrund der Vorbehalte gegenüber der Unwirksamkeitsklausel die gesetzliche Offenlegung rechtsverbindlich zu verankern, kann als Indiz gewertet werden, dass noch weitaus mehr ans Tageslicht geraten könnte.“ (Quelle) Und davor kann auch dem heutigen Senat Angst und Bange werden.
Doch keine Angst, in Berlin wurden Revolten schon für weniger beendet. Allerdings ist es fraglich, ob sich der Wassertisch für dumm verkaufen lassen wird.

Frank Navissi