Kirchenfinanzierung: Fragen und Antworten

(20) Welche Staatsleistungen erbringt der Staat für die Kirche?

Staatsleistungen sind finanzielle Zuwendungen des Staates an die Kirchen. Zu den Staatsleistungen zählen alle Zuwendungen, die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhen und ihren Ursprung im Wesentlichen im 19. Jahrhundert haben. Bei den Staatsleistungen infolge der Säkularisierung handelt es sich heute unter anderem um Zahlungen (Dotationen) für den Personal- und Sachbedarf der Diözesanleitungen, für die Ausbildung, Besoldung und Versorgung der Geistlichen, aber auch anderer Kirchenbediensteter. Hinzu kommen Staatsleistungen für den Bauunterhalt kirchlicher Gebäude, soweit sie kirchlichen Zwecken dienen.

  • Staatsleistungen infolge der Säkularisierung sind nur die Baupflichtleistungen für die Hohen Domkirchen in Bayern. Alle anderen Zahlungen gehen auf andere Rechtsquellen zurück und beruhen weitestgehend auf einer vordemokratischen, feudalen Identität von staatlichen und kirchengemeindlichen Zwecken.
  • Diese Identität wurde durch den Art. 138,1 WRV i. V. mit Art. 140 GG liquidiert. Alle vordemokratischen Vereinbarungen sind verfassungswidrig, wenn sie keine Zweckbestimmung des heutigen Verfassungsstaates haben.
  • Zudem haben sich die Vertragsverhältnisse seit den Vereinbarungen dieser Zahlungen in den Konkordaten wesentlich verändert: Zum einen hat die Kirche (seit 1970) mittlerweise rund ein Drittel ihrer Mitglieder verloren und zum anderen beschäftigt sie nur noch zwei Drittel der Weltpriester (13.000 statt 20.000). Insofern müssten die Zahlungen hinsichtlich dieser Veränderungen sowieso um mindestens ein Drittel vermindert werden und, anstelle mit den Gehaltserhöhungen des Öffentlichen Dienstes zu steigen, sich kontinuierlich weiter reduzieren.

Etwas ganz anderes sind die Subventionen. Sie sind keine Staatsleistungen im beschriebenen Sinn, sondern Zahlungen des Staates zur Förderung eines bestimmten Zweckes, der im öffentlichen Interesse liegt. Subventionen erfolgen wegen einer öffentlichen Aufgabe. Staatliche, insbesondere auch kommunale Subventionen haben nicht die Kirche als Religionsgemeinschaft zum Adressaten, sondern als Träger z. B. von Kindergärten, Schulen, Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen, Behinderteneinrichtungen oder Beratungsstellen. Sie erfolgen zweckgebunden und fließen grundsätzlich in gleicher Weise auch an nichtkirchliche Träger. Der Eigenbeitrag der Kirche stellt eine erhebliche Entlastung der öffentlichen Haushalte und eine Leistung der Kirchenmitglieder an die Allgemeinheit dar.

  • Wiederum wird das kirchliche Eigeninteresse auf den Kopf gestellt, da die aufgezählten Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser etc. entweder gar nicht oder nur geringfügig von den Kirchen finanziell mitgetragen werden. Insofern entsteht auch keine „erhebliche Entlastung der öffentlichen Haushalte“.
  • Die Prozente der Kirchensteuer, die tatsächlich in kirchliche Einrichtungen fließen, dienen ausschließlich dem kirchlichen Eigeninteresse von Missionierung, christlicher Unterweisung und einer Beanspruchung von „Nächstenliebe“, die nicht selber finanziert wird.
  • Unter dem Gesichtspunkt, dass in den meisten kirchlichen Einrichtungen neben den pädagogischen bzw. medizinischen Fachleistungen immer auch ein Glaubens- bzw. Missionspaket mit angeboten wird, müssten die Kirchen, wenn sie fair wären, auch die Hälfte der Kosten mitfinanzieren.

(21) Ist die Kirche bereit, auf Staatsleistungen dauerhaft zu verzichten?

Schon heute treffen die Kirchen und einzelne Bundesländer immer wieder Absprachen über Änderungen und Ablösungen einzelner Staatsleistungen. Die Verfassung geht von einer Ablösung der Staatsleistungen aus. Allerdings hat es bislang, nicht zuletzt wegen der damit verbundenen sehr erheblichen Kostenverpflichtungen, keine diesbezügliche Initiative des Staates gegeben. Die Kirche wird sich einer weitergehenden Lösung nicht verschließen, wenn diese ausgewogen ist. Die Entscheidung liegt bei den einzelnen Bistümern. Konkrete Überlegungen gibt es gegenwärtig nicht.

  • Diese Ablösungen von Staatsleistungen beziehen sich bisher nur auf die Ablösung von denjenigen Baulasten, die juristisch mittlerweile höchst fragwürdig und umstritten sind und bei denen kirchenfreundliche Politiker (wie der ehemalige Ministerpräsident Hessens, Roland Koch), den Kirchen in einer politischen Schlusszahlung die gerichtlichen Niederlagen vermeiden lassen wollen.
  • Der Begriff „verzichten“ suggeriert, dass die Kirchen einen Rechtsanspruch auf diese Staatsleistungen hätten. Die historischen Begründungen sind weitestgehend falsch oder phantasiert. Neue Vereinbarungen dieser Staatsleistungen in Konkordaten und Staat-Kirche-Verträgen verstoßen alle gegen den Ablösungsbefehl des Art. 138,1 i.V. mit Art. 140 GG und sind somit als verfassungswidrig aufzuheben.
  • Die Ablösebestimmung des Art 138,1 WRV ist zudem nur als Übergangslösung zu verstehen. Übergangslösungen gelten keine 91 Jahre.
  • Die „Ausgewogenheit einer Lösung“, die hier so im allgemeinen formuliert wird, ist zudem die klare Forderung der Kirchen, dass sie die bisherigen „Personalzuschüsse“ von 442 Mio. Euro aus einem Kapitalstock bei drei Prozent Verzinsung erzielen müssten, d. h. es ist eine Forderung im Bereich von 15 Mrd. Euro Ablösesumme, bei der es, wie der neue EKD-Ratsvorsitzende es formulierte, „kein Rabatt“ gegeben wird.
  • Unsinn ist die aktuelle Äußerung des Chef der sächsischen Staatskanzlei, Johannes Beermann, eine solche Ablösung wäre für den Freistaat mit "erheblichen Einmalzahlungen in Milliardenhöhe verbunden“. Nach den Maximalforderungen der (evangelischen) Kirche (das 20-fache des aktuellen Betrages) wären das für den Freistaat 460 Mio. Euro.
  • Diese ‚Schauermärchen’ maßloser Beträge brauchte es eigentlich nicht, denn in der sächsischen Verfassung ist verfassungswidrig (Bundesrecht bricht Landsrecht) formuliert: „Art. 112 (1) Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Leistungen des Landes an die Kirchen werden gewährleistet.“ Nach dem Grundgesetz sind diese Staatsleistungen abzulösen, d.h. zu beenden.
  • Ebenso verfassungswidrig sind die finanziellen Regelungen des gültigen Bayern-Konkordats von 1924, in dem in Art. 10 nicht nur die nach Reichsverfassung abzulösenden Staatsleistungen neu vereinbart wurden, sondern zusätzlich vereinbart wurde: „Im Falle einer Ablösung oder Neuregelung der auf Gesetz, Vertrag oder besonderem Rechtstitel beruhenden staatlichen Leistungen an die Kirche sichert der Bayerische Staat die Wahrung der kirchlichen Belange durch Ausgleichszahlungen zu, die entsprechend dem Inhalt und dem Umfange des Rechtsverhältnisses unter Berücksichtigung der Geldwertverhältnisse vollen Ersatz für das weggefallene Recht gewähren.“ Ein doppelter Verfassungsbruch.

(22) Was haben die sozialen Dienste in Deutschland mit der Kirche zu tun?

Das System der sozialen Dienste in Deutschland folgt der Idee des Sozial- und Kulturstaates und ist subsidiär gestaltet. Überwiegend ist es nicht der Staat selbst, der soziale Dienste betreibt, er schafft aber Rahmenbedingungen, die es den nichtstaatlichen Trägern ermöglichen, soziale Dienste anzubieten. Erbracht werden die sozialen Dienstleistungen sowohl von frei-gemeinnützigen Trägern als auch von privat-gewerblichen Trägern. In diesem subsidiären System der Erbringung sozialer Dienstleistungen arbeiten die kirchlichen Anbieter, Caritas und Diakonie, unter den gleichen finanziellen Rahmenbedingungen, die auch für andere gemeinnützige Träger (Arbeiterwohlfahrt, Deutsches Rotes Kreuz etc.) gelten. Da die Refinanzierungsregeln gleich sind, gibt es keine Privilegierung kirchlicher Träger.

  • Die Frage, was die sozialen Dienste in Deutschland mit der Kirche zu tun haben, wurde nicht beantwortet. Es wurde nur der Grundsatz der Subsidiarität beschrieben. Die Eigentümlichkeit der sozialen Dienste ‚der Kirche’ wurde verschwiegen.
  • Der Art. 137,3 WRV i.V. mit Art. 140 GG, in denen den Kirchen das Recht erhalten, ihre eigenen Angelegenheiten ohne Mitwirkung des Staats zu „ordnen“ und zu „verwalten“ wurde in ständiger Rechtssprechung zu einem „Selbstbestimmungsrecht der Kirchen“ erweitert und umgebogen. Das heißt, den Kirchen wird es derzeit in Deutschland gestattet, selber zu bestimmen, was sie bestimmen. Es entstand ein rechtseigener Raum neben dem Staat.
  • Folglich gibt es in den sozialen Diensten ‚der Kirchen’ ein eigenes kirchliches Mitarbeitervertretungsrecht, dass keine Mitbestimmung und kein Streikrecht kennt, da alle MitarbeiterInnen durch ihre Arbeit an der Verkündigung des Evangeliums teilnehmen. Auch die Putzfrauen.
  • Folglich wurde den Kirchen gestattet, aufgrund des § 9 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes gerade das nicht zu tun, sondern es wurde die Zulässigkeit einer unterschiedlichen Behandlung wegen der Religion oder Weltanschauung bekräftigt. Diese „Loyalitätsrichtlinien“ sind im Kern eine Einschränkung und Verletzung der Allgemeinen Menschenrechte – in einem demokratischen Staat.

(23) Was bedeutet die Gemeinnützigkeit für Caritas und Diakonie?

Caritas und Diakonie sind gemeinnützig. Falls ein Überschuss erwirtschaftet wird, muss er für die satzungsgemäßen Zwecke des Trägers verwandt werden und verbleibt somit im Bereich der Finanzierung sozialer Dienstleistungen. Eine Entnahme für fremde Zwecke, etwa für Aufgaben, die nicht dem sozialen Auftrag des Trägers entsprechen, ist verboten. Viele soziale Dienstleistungen können nur mit Hilfe eines Eigenanteils von Caritas und Diakonie realisiert werden. Dies gilt beispielsweise für Kindertagesstätten oder Hilfen für Menschen in besonderen Lebenslagen, wie z. B. wohnungslosen Menschen. Aus den Angeboten der Kirche werden also nicht Überschüsse für die Kirchen erzielt. Im Gegenteil werden aus kirchlichen Mitteln (Kirchensteuer, Spenden) soziale Dienste finanziell ermöglicht.

  • Das ist die genaue Beschreibung der „Caritas-Legende“. Es werden keine konkreten Zahlen oder Finanzierungsanteile benannt, sondern es werden aus Kirchensteuern und Spenden „soziale Dienste finanziell ermöglicht“. Daraus wird dann die „Caritas-Lüge“, da die kirchlichen Gelder für soziale Dienste sich vornehmlich auf drei Bereiche konzentrieren: Zum einen Anteile (bis zu 12 %) an den kirchlichen Kindertagesstätten (die der Staat, neben den Elternbeiträgen, mit 3,9 Mrd. Euro finanziert), denn dort werden die künftigen Kirchensteuerzahler erzogen. Zweitens für die kirchlichen Beratungsstellen, denn sie müssen wie ein Trichter dafür sorgen, dass die Ratsuchenden in die kirchlichen, aber öffentlich finanzierten Einrichtungen kommen; und drittens in die hohen Verwaltungskosten von Caritas und Diakonie, die nicht nur aus den staatlichen Zuwendungen finanziert werden können.
  • Die kirchlichen Dienste erfolgen zudem nicht aus reiner „Nächstenliebe“, sondern gerade an strategisch wichtigen Punkten für die Mitgliederwerbung (Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser) und das Image.