Wo bleiben die Frauen?

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Frauen auf Kacheln / Foto: Claudia Falk (pixelio.de)

WIEN. (hpd) Österreichs atheistische Szene ist beinahe ein Männerklub. Frauen, vor allem in entscheidenden Positionen, gibt es wenige.

Ein Nachtrag zum Frauentag von Christoph Baumgarten.

Man kann zu laizistischen/atheistischen Bewegungen stehen wie man will. Es wird kaum jemanden geben, der sie nicht zum fortschrittlichen Lager einer Gesellschaft zählen würde. Man bekennt sich zu Demokratie, Menschenrechten und zur Gleichstellung von Frauen. Man könnte sogar sagen, dass es wenige (nicht explizit feministische) Bereiche gibt, in denen ein Ende der Frauendiskriminierung einen so zentralen ideologischen Stellenwert einnehmen würde wie in laizistischen Bewegungen. Getragen wird diese Ideologie in Österreich de facto ausschließlich von Männern. Die Vorsitzenden aller Vereine, die eine Rolle spielen, sind männlich. Freidenkerbund, AG-ATHE, AHA, Religion ist Privatsache, Zentralrat der Konfessionsfreien – nirgends findet man eine Frau an einer öffentlichkeitswirksamen Stelle. Und nur sehr vereinzelt sitzen Frauen in den Vorständen der Vereine.

Nicht anders ist es bei den Aktivisten. Das Binnen-I kann man sich angesichts der männlichen Übermacht getrost sparen. Das würde eher eine Genderparität suggerieren und den Schiefstand verschleiern. Bleiben wir beim männlichen Plural. Es ist kaum mehr als eine Handvoll Leute, die die Szene seit Jahren trägt. In diesen hochaktiven Kreis ist eine einzige Frau vorgestoßen und das erst vor einem Jahr. So etwas sieht zumindest von außen nahezu zwangsläufig aus wie ein Männernetzwerk.

Das überrascht. Gerade unter den SympathisantInnen (da ist das I gerechtfertigt) gibt es viele Frauen. Nur sind die oft in anderen politischen Bereichen aktiv und haben keine Zeit und/oder Energie für die laizistische Szene. Was man ihnen kaum vorwerfen kann. Die Szene ist klein, trotz einigen Fortschritts in jüngerer Zeit überaltert, wird öffentlich kaum wahrgenommen und kann politisch wenig bewegen. Wenn man sich für gesellschaftspolitischen Fortschritt einsetzt, gibt es in Österreich offensichtlichere Andockstationen als einen der atheistischen/laizistischen Vereine.

Und natürlich ist die Szene ein Teil der überwiegend männlich geprägten Repräsentationskultur. An der Spitze einer Partei/Bewegung, eines Vereins, einer Initiative, stehen fast nur Männer. Ihnen wird von Kindesbeinen an beigebracht, sich auch öffentlich für Anliegen einzusetzen. Frauen lernen in unserer Gesellschaft, dass sie Verbesserungen eher mit konkreter Arbeit, abseits der Öffentlichkeit, erreichen können. Stichwort: Soziale Kompetenz. Je kleiner eine Szene, desto mehr wirkt sich diese soziale Dynamik aus. Die laizistische Szene ist keine Ausnahme. Erschwerend kommt dazu, dass bis heute Frauen eher religiös sind als Männer. Das macht offen laizistische und/oder atheistische Vereine für viele gesellschaftspolitische Frauen nicht zur ersten Wahl.

Die weitgehende Überalterung macht es nicht besser. Großteils ist eine Generation am Ruder, in der sich bedeutend weniger Frauen politisch engagierten als das heute der Fall ist. Und ohne den Betroffenen Chauvinismus unterstellen zu wollen – das Bewusstsein für Instrumente der Frauenförderung, und sei es nur symbolischer, ist in dieser Generation nicht sonderlich ausgeprägt. Als ich etwa den Vorschlag einbrachte, den Titel der „freidenkerIn“ einfach in „freidenkerin“ umzuwandeln, stieß das auf breite Ablehnung. Das Argument, das just von einer Frau kaum: Man würde das für eine Frauenzeitschrift halten. Ein Reißverschlussprinzip traut man sich unter solchen Bedingungen gar nicht vorzuschlagen. Zumal offen gestanden fraglich wäre, ob sich überhaupt genügend Frauen bereit erklären würden, etwa für Vorstandsfunktionen zu kandidieren, um das Reißverschlussprinzip umzusetzen.

Dass die Szene bis vor wenigen Jahren zerstritten war, zieht Frauen auch nicht unbedingt an. Auch wenn die Proponenten der damaligen Konflikte, die sehr an Revierkämpfe erinnerten, heute keine aktiven Positionen mehr bekleiden. Was von diesen teils kindischen Streitereien geblieben ist, ist ein gewisses Misstrauen innerhalb der Szene. Allen beachtlichen Fortschritten und dem guten Willen der heute Beteiligten zum Trotz. Es wird länger dauern, bis die komplizierten Bruchstellen verschwunden sind. So etwas braucht Zeit.

Die Summe dieser Phänomene hat die aktuelle unerfreuliche Situation geschaffen. Sie schadet der Glaubwürdigkeit der Szene, die sich besonders dafür einsetzt, dass vormoderne Geschlechterrollen abgeschafft werden. Geschlechterrollen, die Religionsgemeinschaften im Besonderen propagieren. Unveränderbar ist die Lage nicht. Was fehlt, ist das Bewusstsein, dass es hier ein Problem gibt. Das ist erst im Entstehen. Dass das nicht schon längst geschehen ist, mag als Widerspruch innerhalb der Bewegung gesehen werden. So sehr die überkommenen Rollenvorstellungen auch als integraler Bestandteil einer veralteten Gesellschaftsstruktur gesehen werden – der Großteil der Szene agiert traditionell nach dem Motto: Verändern wir die Gesellschaftsordnung in Richtung Laizität, wird sich die Diskriminierung von Frauen schon irgendwie von selber aufhören. Zumindest in vielen Bereichen. Das erinnert an die Haltung vieler Gewerkschaftsfunktionäre, Sozialdemokraten und Kommunisten (weniger der jeweiligen –Innen) zur Frauenfrage. Eine Einschätzung, die mit dem marxistischen Begriff „Nebenwiderspruch“ treffend zusammengefasst wird. Die teils desaströsen Ergebnisse für die Frauenpolitik sind bekannt.

Diese Haltung muss die Szene überwinden, wenn ihr ein Frauenanteil in den eigenen Strukturen ein ernstes Anliegen ist. Und die Vereine müssen bewusst Maßnahmen setzen, um die teils widrigen Ausgangsbedingungen auch in diesem Bereich wettzumachen. Das setzt auch voraus, dass FeministInnen innerhalb der Vorstände und Vereine wie von außerhalb Druck machen. Von alleine haben sich Probleme noch selten gelöst. Der Generationswechsel in den Vorstandsebenen, der in wenigen Jahren zu erwarten ist, wird zeigen, ob es nachhaltige Veränderungen gegeben hat. Der Glaubwürdigkeit der Szene würde es gut tun.