BERLIN. (hpd) Es gibt Veranstaltungen, da fragt man sich noch Tage später, wo man eigentlich war, als man dort war, was aber nicht das Thema war, da das, was angekündigt worden war, gar nicht thematisiert wurde und durch Verknüpfungen verstellt wurde, die mit der Realität nichts mehr zu tun haben. Eine Tagung zum „Neuen Atheismus“ der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Am vergangenen Montag fand in der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin eine kleinere Tagung statt, 15 bis 19 Uhr, die angekündigt war mit dem Titel: „Neuer Atheismus. Eine humanistische Alternative zu den Religionen?“ und mit zwei Bildern des roten Doppeldeckerbusses der Buskampagne dekoriert wurde. Trotz des Wochentages und der Nachmittagszeit war der große Saal in der Ebert-Stiftung gut gefüllt und das Großtransparent mit dem Bild der Buskampagne dominierte die Optik.
Angekündigt war: „Seit einigen Jahren wird – nicht nur in Humanistenkreisen – über eine neue Wortschöpfung diskutiert: ‚Neuer Atheismus’. Einige Vertreter dieser Richtung machen durch forsches Auftreten in der Öffentlichkeit und nachdrückliche religionspolitische Forderungen auf sich aufmerksam. Aber was ist ‚neu’ an diesem ‚Atheismus’? Oder ist er bloß eine ‚neue’, ‚radikalere’ Variante eines traditionsreichen Humanismus? Gibt es tatsächlich neue Inhalte und öffentlichkeitswirksame Strategien? Formiert sich hier eine ‚neue Kampfansage’ an Religion und Kirchen? Wir diskutieren mit Freunden und Gegnern.“
Die vielen Anführungszeichen in dieser Ankündigung ließen bereits eine ziemliche Distanz zum Thema erkennen. Und die Freunde, das waren anscheinend diejenigen, die gegen den Neuen Atheismus waren, wurden als Referenten eingeladen, die vermutlichen Gegner, also diejenigen die für den neuen Atheismus, stellvertretend dafür die Buskampagne, durften von alleine kommen, schließlich war es eine öffentliche Veranstaltung.
Die Veranstaltung war in zwei Bereiche unterteilt. Vor dem Kaffee gab es „Einführungen und Positionierungen“ nach der Kaffeepause ging es um „Sozialdemokratie und Religion: Weltanschauliche und religionspolitische Positionen“.
Die beiden Referenten des ersten Teils waren der Direktor der Humanistischen Akademie, Berlin, Dr. Horst Groschopp (Er sprach über: „Neuer Humanismus“ – eine neue Konfession?) und der Theologe und Pastor Dr. Andreas Fincke (Er hatte das Thema: „Neuer Atheismus“ – Kampfsagen an die Kirchen?).
Der Leiter des Interkulturellen Dialogs der Friedrich-Ebert-Stiftung, Dr. Johannes Kandel, eröffnete den Nachmittag mit einem kleinen Streifzug durch die Konfessionslosen, seien es Freidenker, Laizisten, Humanisten, Atheisten, die hinsichtlich der Religion keine Homogenität erkennen lassen. Heute solle der Focus auf den Neuen Atheisten liegen. Für die Sozialdemokratie betonte er, dass die SPD niemals eine atheistische, antiklerikale Partei gewesen sei. Der Satz von Marx: „Religion ist das Opium des Volkes“ sei erst in den 1920er Jahren in Prominenz gekommen. Die SPD erwartete vorher (nach Friedrich Engels) das schlichte Absterben der Religion. So sei die SPD durch Materialismus und Aufklärung geprägt: „Religion ist Privatsache. Trennung von Staat und Kirche!“, wie es im Erfurter Programm stehe. Nach Bebel hieß es: „Christentum und Sozialismus sind wie Feuer und Wasser.“ Mit dem Godesberger Programm habe sich die SPD aber einem weltanschaulichen Pluralismus geöffnet und der Religion ihren Platz in der Öffentlichkeit zugesichert.“
Bemerkenswert war dabei, dass von ihm die Laizisten pauschal in die weltanschauliche Gruppe der Freidenker, Humanisten und Atheisten zugeordnet worden war.
Den beiden folgenden Referenten war gemeinsam, dass sie sich um die thematische Vorgabe nur wenig scherten und sich nur am Rande mit dem Neuen Atheismus auseinandersetzten.
Horst Groschopp beschäftigte sich vorwiegend mit dem Neuen Humanismus und seiner Geschichte (sein Text wurde auf der Internetseite der Humanistischen Akademie veröffentlicht). Er stellte personelle Überschneidungen zwischen Neuem Humanismus und Neuem Atheismus fest und konstatierte Verwirrungen, Defizite, was ihre Konfessionalität angehe, und ihren Unwillen, sich als Weltanschauungsgemeinschaft zu organisieren.
Er zog eine gekonnte Kurve zum eigentlichen aber verdecktem Thema der Tagung, dem Laizismus, konstatierte, dass die Neuen Humanisten sehr am Laizismus interessiert seien und dass die Gründung der Laizisten in der SPD auf die Giordano Bruno Stiftung zurückzuführen sei, wobei die Stiftung allerdings auch Raum für Gleichberechtigung ließe.
Andreas Fincke relativierte erst einmal alles, da es nicht die Kirche gäbe und auch nicht den Neuen Atheismus. Dann war er jedoch sehr zügig bei den, aus seiner Sicht, Aposteln des Neuen Atheismus, Richard Dawkins und Christopher Hitchens, die den Neuen Atheismus mit säkular verbrämten Heilsversprechen ausstatten würden (Friedliche Welt ohne Religion) und mit einem missionarischen Sendungsbewusstsein ausgestattet seien. Und: der Neue Atheismus reduziere Religion ausschließlich auf das Böse. Nach einem kurzen Schwenk zur Giordano Bruno Stiftung, der er einen erstaunlichen Erfolg zugestand, der Feststellung, dass der Vorstandssprecher der Stiftung keinem Streit aus dem Weg gehe und der Meinung sei: „Das Christentum hat unter allen Religionen das Prädikat der dümmsten Religion“, kam er dann nach diesem offensichtlichen Pflichtprogrammteil zu seiner Kür in der Beantwortung der Frage: „Ist der neue Atheismus eine Kampfansage an die Kirchen?“
Nein, nicht der Neue Atheismus bringe die Kirchen in Schwierigkeiten sondern der gleichgültige Atheismus der Beliebigkeit von Religion in der Bevölkerung insgesamt. Die Wiedervereinigung habe die „größte Atheistenwanderung der deutschen Geschichte“ als Folge, eine Entkirchlichung, die seitens der Kirche vollkommen unterschätzt werde. Ebenso würden die Kirchen den politischen Einfluss der säkularen Gruppierungen unterschätzen und ebenso die Wucht von Publikationen wie dem Violettbuch von Carsten Frerk. Zudem würden die Kirchen ihre Gegner nicht kennen, was sich u.a. in der beständigen Verwechselung von Humanistischen Verband und Humanistischer Union zeige. Sein Warnruf an die evangelische Kirchen war dann entsprechend: Nicht der Neue Atheismus gefährde die Kirche, sondern die Säkularisation unserer Zeit. Keine Region der Welt sei so entkirchlicht wie der Raum zwischen den Lutherstädten Eisleben und Wittenberg und dem religiösen Analphabetismus der Menschen dort. Das Problem sei die religiöse Indifferenz.
Die Beiträge aus dem Publikum wurden von Rolf Schwanitz (MdB, SPD) eröffnet, der zwei Bitten vortrug. Horst Groschopp solle die Kolportierung unterlassen, dass der Arbeitskreis der Laizisten von der Giordano Bruno Stiftung initiiert worden sei. Die Behauptung hätte er das erste Mal aus dem Büro von Wolfgang Thierse gehört und solle wohl zur Diffamierung dienen. Andreas Fincke bat er, zukünftig von der Verunglimpfung der Bevölkerung in den neuen Bundesländern abzusehen, dass die Menschen dort „religiöse Analphabeten“ seien.
Horst Isola (SPD, Bremen) merkte an, dass es in Ordnung sei, Andersgläubige nicht zu beschimpfen. Der AK Laizisten in der SPD sei aber nicht eine Trennung in religiös / nicht religiös. Im Gegenteil. Erhebliche Anteile der Mitglieder seien mittlerweile Kirchenmitglieder und immer mehr auch Pastoren. Er verwies auf die notwendige Trennung von Staat und Religion. 20 Jahre Wiedervereinigung sei in Bremen mit einem religiösen Hochamt gefeiert worden. Dass die politische Funktionselite der religiösen Funktionselite hinterher laufe, das werde schief gehen.
Ingrid Matthäus-Maier (SPD, MdB a.D.) fragte u. a., was denn daran so furchtbar sei, wenn die Kirche ihre Bischöfe selber zahlen würden? Was man als Vertreter säkularer Positionen von Bischöfen und Kardinälen ertragen müsse, das seien keine Einzelbeispiele. Und seit wann ist es eine Kampfansage sei, wenn Soldatenwallfahrten von der Kirche oder den Teilnehmern selbst bezahlt werden sollen. Nach weiteren Beispielen fragte sie: Wenn es denn einen AK der Christen, einen der Juden, einen der Schwulen etc. in der SPD gibt, fällt dann der SPD der Himmel auf den Kopf, wenn sich (bei 34 % Konfessionslosen in Deutschland) ein AK Laizisten gründet?
Damit war man schon vor der Pause bei dem unterschwelligen Thema der Tagung angekommen: SPD und Laizismus. Auch in der Pause wurde nicht die Gelegenheit genutzt, das völlig unpassende große Hintergrundsbild abzuräumen. So begann dann eine Debatte über Laizismus in der anscheinend von der FES gewollten Konnotation des Laizismus mit Atheismus.
Drei Podiumsteilnehmer – zwei sozialdemokratischen Laizisten und ein Mitglied des AK Christinnen und Christen – bestritten dann den zweiten Teil, mit kräftiger Einmischung des Moderatoren, einem evangelischen Journalisten, der sich nur schwer zurückhalten konnte, selber mitzudiskutieren.
Michael Bauer (SPD, Geschäftsführer des HVD Nürnberg) versuchte eingangs ein paar Positionen zu klären:
1. Die Grenze verlaufe zwischen Fundamentalisten aller Art und Gesprächsbereiten.
2. Laizismus ist keine Weltanschauung, sondern die Frage, wo die Trennlinie zwischen Staat und Kirche verläuft.
3. Wir haben ein Staatskirchenrecht, da dort tatsächlich die Beziehungen zwischen Staat und Kirche geregelt werden. Was wir bräuchten, ist ein Religionsverfassungsrecht.
4. Die Gesellschaft verändere sich, wir werden multireligiös und dem darf sich eine Partei wie die SPD nicht verschließen.
5. Er vertrete einen demokratischen Republikanismus, in dem jeder Bürger die gleichen Rechte habe und der Staat einen gleichen Abstand, eine Äquidistanz, zu allen Religionen.
6. Christlich orientierte Menschen würden häufig gar nicht bemerken, wie sehr sie privilegiert werden, z. B. beim Religionsunterricht.
7. Letztlich geht es um eine Emanzipation der Bürger in einer Migrationsgesellschaft.
Mit solchen Positionen konnte Benno Haunhorst (SPD, Katholischer Theologe und Pädagoge, AK Christinnen und Christen) gar nichts anfangen. Er sei seit 40 Jahren Mitglied der SPD und hätte drei Vorbilder gehabt. Willi Eichler, den Vater des Godesberger Programms, der eine weltanschauliche Neutralität wollte („SPD ist die Partei der Freiheit des Geistes!“) und festgelegt habe: Die SPD ist keine laizistische Partei. Der zweite war Alfred Kubel, ein Agnostiker, der als Ministerpräsident in Niedersachsen das Konkordat mit der katholischen Kirche vereinbart habe und schließlich der Humanist Willy Brandt, der die Bedeutung der religiös gestimmten Wähler für die SPD erkannt habe und die Stelle eines Kirchenreferenten beim Parteivorstand etabliert habe.
100 Jahre SPD: „Was sind 100 Jahre links, gegen den Segen von Frings!“
Für Haunhorst, bei dem die Geschichte der SPD anscheinend erst 1958 beginnt, gibt es die Christinnen und Christen in der SPD bereits seit mehr als dreißig Jahren, also vermutlich seit Bestehen der Partei, und er kann sich nicht vorstellen, dass der Parteivorstand den AK der Laizisten anerkennen wird.
Werner Schultz (SPD, Abteilungsleiter beim HVD-Berlin) stellt eine extreme Abwehrfront seitens der Christinnen und Christen in der SPD fest. Er fragt sich, ob es um Weltanschauung oder um die Pfründe gehe, wenn ein weiterer AK von der Partei finanziert werden müsse. Und er fragte nicht nur sich: Sind wir, die wir alle Mitglieder in der SPD sind, noch in der gleichen Partei? Wir machen einfach weiter so, wie die letzten Jahre - das könne nicht das Konzept sein. Wenn tatsächlich 71 % der Parteimitglieder auch Kirchenmitglieder seien, dann repräsentiere die SPD als Volkspartei nicht mehr die Bevölkerung. Und, das war sein zentrales Anliegen: Die SPD muss den Dialog führen.
Aus dem Publikum betonte Robert Maier, dass nicht nur beiden Kirchen, sondern auch bei der SPD die Wucht der gesellschaftlichen Entwicklung noch nicht angekommen sei. Die SPD müsse aufwachen, denn durch ihre indifferente Haltung bedrohe sie sich selber.
Horst Isola bedankte sich für die anfängliche Abwehr der Christen. Dass zwei Tage nach Gründung der Laizisten Erzbischof Zollitsch beim Parteivorsitzenden angerufen und sich beschwert habe, ließ den Laizisten eine Öffentlichkeit zukommen, die sie aus eigener Kraft so nicht erreicht hätten. Nicht nur ironisch meinte er: „Unsere Gegner bauen uns auf.“
Viele Beispiele, auch in Bremen, wo die Regionalgruppe der Laizisten von den Christen begrüßt worden sei, zeigten, dass man miteinander reden könne. Warum nicht auch die Parteiführung?
Michael Bauer versucht mit Benno Haunhorst ins Gespräch zu kommen: Die Parteiführung argumentiert nicht inhaltlich, sondern mit dem Markenrecht! Es gehe auch um die Herstellung von Waffengleichheit, wenn es mehr als 700 Professoren der Theologie aber keinen einzigen für Humanistik gebe.
Benno Haunhorst wehrt solche Versuche freundlich ab. Das gültige Hamburger Programm der SPD betone die Zusammenarbeit und den Dialog mit den Kirchen. Es schließe einen Laizismus in der SPD aus.
Das war es dann auch insgesamt. Den Laizisten war noch einmal auf verschiedenen Ebenen bestätigt worden, dass die SPD-Politiker im Bund sich als Teil einer „Pastoraldemokratie“ verstehen und noch nicht bereit sind, sich breiter zu organisieren. Aber wie es aussieht, hat das die Laizisten nun endgültig überzeugt, dass sie aktiver werden müssen. Wie weit die Christinnen und Christen in der SPD der Meinung sein werden, die Laizisten hätten sich nun mit dieser eigenartigen Tagung präsentieren können und es würde jetzt reichen, das wird sich zeigen.
C.F.