"Der Papst begreift nicht, was Demokratie ist“

posener.jpg

Alan Posener / Foto: screenshot disput\berlin

BERLIN. (hpd) Philipp Möller im Gespräch mit Alan Posener: "Der Papst begreift nicht, was Demokratie ist, weil er glaubt: so wie in der Kirche eine Meinung herrschen muss – offenbarte Wahrheit – sollte auch in der Gesellschaft ‚die Wahrheit‘ herrschen."

Alan Posener ist Korrespondent für Politik und Gesellschaft bei der Welt-Gruppe und u.a. Autor von 'Benedikts Kreuzzug' (Ullstein 2009). Im Gespräch beschreibt er die 'benedettinische Wende' als den Angriff des Papstes auf Demokratie und Pluralismus.

Das Gespräch handelt vom ‚Papst und der Welt’. Posener spricht über die Gefährlichkeit der politischen Gedanken des Papstes. Klare Wort, die auch so gemeint sind. Der Papst hat zwischenzeitlich alles das durch seine Aussagen bestätigt, was Posener in seinem Buch beschrieben hat. Er bedauert, dass Anti-Religiöse es zwar gut finden, dass er das Buch geschrieben habe, es aber selber nicht lesen. Ignoranz gegenüber den Kirchen hält Posener für dumm. Man müsse kennen, was man ablehne.

Weitere Themen sind die Pius-Brüderschaft mit dem Holocaust-Leugner Williamson, der radikale Islam und die Moderne am Beispiel der Regensburger Papst-Rede, über Vernunft und Religion, die Kontakte des Vatikans mit muslimischen Hardlinern in der Übereinstimmung, dass die Religion über der Vernunft, u. a. m.

Ein Auszug:

(...)

Philipp Möller: Nach allem dem, was geschehen ist: Wie gefährlich halten Sie den Papst für unsere Demokratie?

Alan Posener: Ich halte ihn jetzt für weniger gefährlich als noch vor ein paar Jahren, weil er mit der Hereinnahme der Pius-Brüder und mit der unfassbar schlechten Behandlung der Missbrauchsgeschichten, die ja nicht nur auf Deutschland beschränkt sind, es ist ja auch Irland und Amerika, kommt es jetzt langsam ans Licht, aber das meiste wird noch unter der Decke gehalten, wird aber noch kommen. Wo die katholische Kirche ist, da ist Missbrauch. Das ist vollkommen klar. Aber durch diese Geschichten hat die Kirche an Einfluss verloren und diese geistige Bewegung, gegen die ich angeschrieben habe, sie ist schwächer geworden.

Ich glaube aber dennoch, dass es immer wieder die Versuchung gibt. Man sieht es bei der Atomdiskussion: Was macht die Kanzlerin? Sie beruft eine Ethikkommission ein, in der prompt schon wieder zwei Vertreter der katholischen Kirche sitzen. Hallo! Was verstehen die denn von Ethik? Was verstehen die Knabenfummler - Entschuldigung, dass ich das jetzt mal so sage -, von Ethik? Wieso haben die einen besonderen Zugang zu Ethik? Die ganze Vorstellung, dass die Kirchen, egal, ob es der Islam ist, ob evangelische oder katholische Kirche, Hinduismus,, Buddhismus, in besonderer Weise für irgendein Thema einen höheren ethischen Standard hätten, als irgendjemand der im Parlament sitzt, das ist eine Zumutung. Und in dieser Weise ist dieser Papst als Vertreter einer schlagkräftigen starken, international aufgestellten und durch ihn ideologisch vereinheitlichten Organisation, immer noch gefährlich, weil er die Demokratie innerhalb der katholischen Kirche weitgehend ausgeschaltet hat und nach wie vor Ambitionen auf Europa und die Veränderung der Verhältnisse hier hat. Er hat die Idee nicht aufgegeben, dass Europa neu missioniert werden könnte, im Gegenteil, er hat dafür extra ein neues Amt geschaffen.

 

Philipp Möller: Letztlich geht ja auch das was er sagt, weit über die katholische Theologie und die katholische Kirche hinaus, denn sein Anspruch ist es ja, für die gesamte europäische Gesellschaft zu sprechen.

Alan Posener: Ja, es war ja der Versuch des Vatikans, den Gottesbezug in die europäische Verfassung hineinzubringen. Nun haben wir keine Verfassung der EU und auch keinen Gottesbezug darin, und das ist ja auch gut so. Der Gedanke war aber, dass mit dem Fuß in der Tür, damit anerkannt werde, dass jene Organisation, die vorgibt die göttliche Wahrheit zu vertreten, auch einen besonderen Anspruch hat, institutionell auch in der Europäischen Union.

Er hat sein Pontifikat unter das Motto gestellt: „Kampf der Diktatur des Relativismus!“ Und da ist nichts anderes als die Demokratie. (...)

 

Das ganze Gespräch ist im hpd-podcast 2011-04 zu hören. (34 Minuten)