Es werde Licht: Elektrifizierung in Afrika

hpd: Ich nehme an, das ist auch sehr laut.

Schopp: Das kommt auf das Modell an. Er kann sehr laut sein, kann aber auch leise sein. In der Regel befinden sich die Dieselgeneratoren 50 bis 100 Meter vom Zentrum eines Dorfes entfernt.

Es freuen sich natürlich dann alle, wenn abends das Licht angeht. Allerdings wird er nur wenige Tage lang 24 Stunden am Tag laufen. Weil die Betreiber schnell feststellen: Ja, warum muss denn der Dieselgenerator denn die ganze Zeit laufen, auch wenn wir keinen oder nur sehr wenig Strom verbrauchen? Denn was sie sehr schnell merken, ist, dass dieser Dieselgenerator pro Tag eine ganz erhebliche Menge an Treibstoff benötigt. Und nach wenigen Tagen lässt sich feststellen, dass der Treibstoffvorrat im Tank doch schon deutlich zurückgegangen ist. Das dauert wirklich nicht lange.
Daraufhin wird dieser Dieselgenerator wenige Zeiten am Tag eingeschaltet. Vielleicht geht man von 24 Stunden auf 16 Stunden zurück. Das heißt, er wird nachts ausgeschaltet. Gegen sechs Uhr morgens wird er eingeschaltet - die Dämmerung dauert in Afrika etwa eine halbe Stunde. Der Dieselgenerator läuft den ganzen Tag über, 16 Stunden. Auch dann wird festgestellt, dass eine Menge Treibstoff verbraucht wird, obwohl vielleicht wenig Strom benötigt wird.

An der Stelle setzt ein: Wir müssen Strom sparen. Oder: Ihr sollt Strom sparen! Dann wird der Dieselgenerator noch weniger Stunden eingeschaltet. Frühmorgens bis gegen neun Uhr. Und dann wird er ausgeschaltet. Dann in der Mittagszeit nochmal. Nachmittags und abends bis zehn Uhr läuft der Dieselgenerator. Dann sind wir schon bei 12 Stunden.

Das setzt sich dann so fort über die Wochen und Monate, bis der Dieselgenerator zum Schluss nur noch zwei Tage in der Woche läuft. Und dann für wenige Stunden. Weil die Kosten einfach explodieren. Es wird auf Dauer immer mehr Treibstoff benötigt für ein bisschen elektrischen Strom. Der Nutzen, der damals versprochen wurde – „Es gibt elektrischen Strom“ -, der relativiert sich. Weil die Kosten steigen. Die Kilowattstunde Dieselstrom kostet ohne weiteres 15 Euro.

Das lässt sich auch sehr leicht ausrechnen. Darin sind nicht enthalten: Reparaturen, Wartungen, sonstige Dinge. Sondern nur der Treibstoffbedarf. Nur der Treibstoff kostet dann pro Kilowattstunde 15 Euro.

 

hpd: Wieso wird der Treibstoff immer teurer?

Schopp: Die Menschen fangen an, immer mehr Strom zu sparen. Weil irgendjemand ja die Kosten übernehmen muss. Wenn das ein Dorf ist, das dazu angehalten werden soll, für seine eigene Energie aufzukommen, wird es schnell an finanzielle Grenzen herankommen. Weil ja jederdann, wenn er etwas für das Produkt Strom zu bezahlen hat, versucht zu sparen. Aber der Dieselgenerator verbraucht eine bestimmte Menge Treibstoff, wenn er eingeschaltet ist. Ob Strom genutzt wird oder nicht. Die Menge Treibstoff, die letztendlich nur dafür nötig ist, dass die Maschine überhaupt dreht, verursacht ja Kosten. Das summiert sich, und dadurch entsteht nachher ein Preis pro Kilowattstunde von 15 Euro.

 

hpd: Und was passiert dann?

Schopp: Jeder versucht, für den elektrischen Strom immer weniger bezahlen zu müssen. Irgendwann ist der Dieselgenerator im Unterhalt so teuer, dass er lieber ausgeschaltet wird. Damit kommen wir wieder zum ursprünglichen Zustand: Die Haushalte betreiben ihre Kibataris, das sind kleine Öllampen, die mit Petroleum – natürlich kein Duftpetroleum, das gibt’s dort nicht – betrieben werden. Also Petroleum ist Benzin gemischt mit Öl. Diese Lämpchen rußen sehr stark, das ist nicht gut für die Atemwege. Und die Kosten, die da entstehen, entsprechen etwa 20 bis 25 Prozent des Tageseinkommens. Um vier bis sechs Kibataris zu betreiben.
Also: Man hat mit ganz viel Engagement einen Dieselgenerator in ein afrikanisches Dorf geschafft, hat dafür Sorge getragen, dass Lampen, elektrische Geräte, zinsgünstig angeschafft wurden, hat dafür Sorge getragen, dass elektrische Leitungen verlegt wurden, hat die Dorfbevölkerung vielleicht mit einbezogen, um an dieser Infrastrukturmaßnahme teilzunehmen - und dann...

 

hpd: Was dann?

Bevor man neue Projekte installiert, sollte immer gefragt werden: Möchtet ihr das überhaupt? Möchtet ihr das haben? Möchtet ihr das nutzen? Das muss man aber sehr differenziert angehen. Man kann also nicht hingehen zu einem afrikanischen Familienvater und ihm sagen: Ich komme aus Deutschland, dort gibt es Strom, willst du auch Strom? Ich kann mir kaum vorstellen, dass der afrikanische Familienvater oder die Familie sagt: Och ja, ist ja nett, wir überlegen uns das mal. Kommen Sie nächste Woche wieder. Das Fragen sollte also auf einer anderen Basis stattfinden.

 

hpd: Auf welcher? Wie sieht das in der Wirklichkeit Afrikas aus?

Schopp: Es ist schwierig, das auf den Punkt zu bekommen...

 

hpd: Du gehst jetzt dahin, nach Afrika?

Schopp: Wir werden von einer NGO gefragt: Wir haben hier ein Dorf, haben hier verschiedene Pläne, haben Fotos gemacht, es gibt eine Menge Haushalte in diesem Dorf, vielleicht eine Klinik, eine Kirche, was auch immer. Dieses Dorf hat keine Stromversorgung, aber eine wichtige Funktion in der Region, so dass die Menschen nicht wegziehen sollen. Landflucht ist in der Regel das Thema.

 

hpd: Das heißt, die Leute sollen in ihren Dörfern bleiben, dort ihr Auskommen haben und leben können, ohne dass sie in die großen Städte abwandern.

Schopp: Genau. Weil sich die Situation in den großen Städten wahrscheinlich nicht verbessern wird. Die Menschen leben in der Regel dann in Slums, das passiert sehr schnell. Denn ein Jugendlicher, der auf dem Land großgeworden ist und von seinen Eltern vielleicht Viehzucht gelernt hat, der möchte jetzt in die Stadt ziehen – was nimmt er mit, um in der Stadt existieren zu können?

 

hpd: Das ist zwar im Grunde genommen nicht dein Thema, aber wie sieht es mit der Schulbildung aus?

Schopp: Schulbildung ist genau der springende Punkt. Als ich in dem Projekt Nyacaiga in Tansania war, beim ersten oder zweiten Besuch, da war ich auch in der Schule. Das Projekt liegt im Westen von Tansania, in Bukoba, beim Viktoria-See, etwa 200 Kilometer weiter westlich, Richtung Ruanda. Dort ist das Dorf Nyacaiga in der Region Ugene und etwa drei bis vier Kilometer außerhalb von dem Dorf gibt es eine Schule, einesecondaryschool. Diese Schule ist auch von uns verstromt worden und in dieser Schule gibt es Mädchen und Jungen, die Schulabgänger sind 16 bis 17 Jahre alt. Sie können Englisch lesen, schreiben sprechen, sie können Mathematik...