„Der geteilte Bahnhof“ Berlin-Friedrichstraße

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In der Mittelpassage des Bahnhofs Friedrichstraße / Alle Fotos © Evelin Frerk

BERLIN. (hpd) Runde Jubiläen sind anscheinend besondere Pflichtveranstaltungen. Da der 13. August naht, der 50. Jahrestag des Beginns des Mauerbaus in Berlin, sind die Ausstellungs- und Aktionsankündigungen reichlich. Die Frage ist nur, was bringt es wem?

Der 50. Jahrestag des Beginns des Mauerbaus in Berlin, am 13. August 1961, steht bevor und entsprechend haben alle Gruppen, die von den Stadtbezirken oder vom Senat und der Bundesregierung gefördert werden, ein buntes Programm aufgeboten. Das reicht von Ausstellungen wie “Die Spree-Grenze 1949-1989“, die bereits am Abend des 5. August vom Bezirksmuseum Friedrichshain-Kreuzberg eröffnet wurde, bis zu den vierstündigen Kanutouren „Sperrzone Spree“ vom „Kanuclub zur Erforschung der Stadt“. An der „Gedenkstätte Berliner Mauer“ an der Bernauer Straße wird am 13. August 2011 ein Tagesprogramm von 00:01 bis 23:00 Uhr gegeben, dessen offizielle Staats-Veranstaltung am späten Vormittag stattfindet: Die „Zentrale Gedenkveranstaltung und Andacht in der Kapelle der Versöhnung unter Teilnahme des Bundespräsidenten, der Bundeskanzlerin, der Bundesratspräsidentin, des Regierenden Bürgermeisters von Berlin sowie anderer Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft und Vertretern der Opferverbände.“

Unter den zahlreichen, bereits laufenden Veranstaltungen, war am vergangenen Freitagvormittag die Eröffnung einer Installation „Der geteilte Bahnhof“ im Bahnhof Friedrichstraße.

Der Bahnhof Friedrichstraße war die am häufigsten genutzte Grenzübergangstelle zwischen West- und Ostberlin. An der Mauer in Berlin gab es fünfundzwanzig Grenzübergangsstellen - dreizehn Straßen-, acht Wasserstraßenübergangsstellen und vier Stellen, die von den Eisenbahnen genutzt wurden. Der Bahnhof Friedrichsstraße, mitten im Zentrum der Stadt, vom Westen aus leicht mit der S-Bahn und der U-Bahn zu erreichen, war von der Frequentierung her der wichtigste. Um die Ein- und Ausreisen zu organisieren, war das gesamte Bahnhofsareal – wie die Stadt selber auch – in einen Ostteil und einen Westteil unterteilt worden, die hermetisch voneinander abgeschirmt waren und eine Tageskapazität von 30.000 Einreisen und 20.000 Ausreisen hatten.

Kam Besuch aus dem Westen der Bundesrepublik oder dem westlichen Ausland und man selber hatte einen westdeutschen Hauptwohnsitz, dann war für einen Besuch in Ost-Berlin der Bahnhof Friedrichstraße sozusagen „Pflicht“. Die verschiedensten Berichte, wie die Menschen diese Grenzkontrollen im Bahnhof erlebt hatten, haben eines gemeinsam: Es war mehr als nur ein Unbehagen, das Warten und langsame Vorrücken, das bis zu zwei Stunden dauern konnte, schließlich ging es in eine enge Kabine, wobei sich die Tür hinter einem schloss und die nächste noch verschlossen war, hinter einer hohen Theke saß ein Unteroffizier der Grenztruppen der DDR und über einem, an der Decke des Kabinenschlauchs, hing ein langer Spiegel. Man war isoliert und fühlte sich ausgeliefert. Nicht wenige der Kontrollierten erinnern sich, dass sie ängstlich gewesen waren und gefürchtet hatten, der Boden könnte sich als Klappe öffnen und sie würden verschwinden.

Die Aufteilung des Bahnhofs in einen West-Teil (rot) und einen Ost-Teil (blau)

 

Diese Erinnerungen anzusprechen ist eine der Absichten der Installation der gemeinnützigen Landesgesellschaft Kulturprojekte Berlin und der Robert Havemann Gesellschaft. Und man will den später Geborenen die Möglichkeit geben, sich ein Bild davon zu machen, wie dieser Bahnhof bis 1989 aussah und welche Funktion er hatte.

Der Bedarf nach solchen Informationen und Nach-Erleben in der Stadt ist offensichtlich. Wer einmal in der Friedrichstraße, Ecke Kochstraße am früheren „Checkpoint-Charlie“ der US-Armee vorbei geht, sieht die vielen älteren und jüngeren Touristen, die dort etwas suchen, was sie zumindest partiell durch die privat-gewerblichen Schauspieler in Uniformen, am nachgebauten Grenzschild und Wachhäuschen auch geboten bekommen. Das Brachgelände rechts und links der Straße ist mit hohen Zäunen abgegrenzt, auf denen mit vielen Fotos und Texten Informationen und Bilder zur Situation vor der Öffnung der Mauer angeboten werden.

Gelingt nun der Installation im Bahnhof Friedrichstraße etwas Vergleichbares? Das wird jeder, der sich dort umgesehen hat, für sich selber beantworten müssen.

Bereits bei den Bewertungen und Fragen an die Erinnerung zeigen sich die Unterschiede. Hinsichtlich der Frage, ob die Grenzkontrollen bewusst schikanierend und Angst einflößend waren, meint Ernst Krüger von den Kulturprojekten, ja, das wäre bewusst so gemacht worden und es seien auch ganz bewusst Soldaten eingesetzt worden, die sächsisch sprachen, das hätten viele Westdeutsche als zusätzlich bedrohlich empfunden. Frank Ebert, von der Robert Havemann Gesellschaft und Kurator der Installation, sieht darin keine Absicht, sondern nur die Umsetzung einer Funktionalität, die sich nicht bewusst war, dass damit kein freundliches Bild des Sozialismus erzeugt wurde.

 

 

 

Woran lassen sich Erinnerungen ‚fest’ machen? Erkennt man etwas wieder? Nein, nichts. Der Bahnhof ist völlig umgestaltet worden, alle Einbauten, die nur für die Grenzkontrolle notwendig gewesen sind, wurden entfernt, Ladenzeilen eingerichtet, Aufzüge, Glasfronten für die Passagen, nichts ist mehr so, wie es früher war. Der Kurator bestätigt, dass sie auf den Bauplänen erst einmal detailliert für sich selber rekonstruieren mussten, wie der Bahnhof unterteilt worden war und wo beispielsweise die Kontrollen standen.

   

So ziehen die Großfotos an den Säulen, eine Vitrine, ein Geviert aus Schautafeln und ein Pavillon in der Mittelpassage des Bahnhofs die Blicke der Vorbeieilenden auf sich, von denen aber keiner hierher gekommen ist, um sich das anzusehen. Die auf dem Boden aufgeklebten violetten Richtungsweiser, hier ging es zur „Einreise aus der DDR“ und dieser Weg war die „Ausreise aus der DDR“ werden kaum beachtet. Es ist eine Stätte der gelebten Gegenwart, keine Stätte der Vergangenheit. „Kannst du dich noch an die überall vorhandenen braunen Kacheln erinnern, die eine eigenartige Tristesse verbreiteten?“ Nein, das Foto, das diese Kacheln der Vergangenheit zeigt, geht keine Verbindung ein zu den Glasfronten und der leuchtenden bunten Neonwerbung der Gegenwart.

Es sind nur vierzehn Tage, die diese Installation auf Zeit hier zu sehen sein wird; die Knappheit der Ressourcen, die Sicherheitsbestimmungen und Erfordernisse der Bahn haben vieles nicht realisieren lassen, was die Planer gerne gezeigt hätten.

Und der „Tränenpalast“? 1962 war dieses Abfertigungsgebäude vor den Bahnhof gebaut worden und dort verabschiedeten sich die nach dem Westen Ausreisenden von den in der DDR Bleibenden. Es ist in diese Installation nicht als Gesamt-Einheit einbezogen worden. Das Gebäude gehört zum Bestand des Haus der Geschichte (Bonn), das dort im September, wahrscheinlich, vielleicht, womöglich, eine ständige „Ausstellung zu GrenzErfahrung - Alltag der deutschen Teilung“ zeigen wird.

Bis dahin wird auch diese Installation im Bahnhof Friedrichstraße wieder abgebaut worden sein und auch die zahlreichen Veranstaltungen im weiteren August werden dann schon Geschichte sein. Wer es sehen will, muss schon dieser Tage dorthin gehen.

C.F.

„DER GETEILTE BAHNHOF“. FRIEDRICHSTRASSE - GRENZBAHNHOF UND WEST-BERLINER EXKLAVE |INSTALLATION. Berlin, 5. - 15. August 2011 in der Mittelpassage (Ladenpassage) des Bahnhofs Friedrichstraße der Deutschen Bahn AG.
Theaterspielszenen lassen die Zuschauer am 13. und 14. August eintauchen in diese Zeit. Die Installation ist die „Ouvertüre“ für die ständige Ausstellung im Tränenpalast ab September 2011. Eintritt frei.