BERLIN. (hpd) “Mein Körper gehört mir!” steht auf dem Plakat, das die etwas fülligere Frau trägt. Der Mann neben mir kommentiert das mit: „Den kannse ooch behalten. Die will ja keena.“ Als hätte dieser Fremde darüber zu entscheiden.
Genau deshalb sind etwa eintausend (vorwiegend) Frauen und Männer an diesem sonnigen Samstag auf der Straße. Sie wollen darauf aufmerksam machen, dass die Gesellschaft immer mehr sexualisiert ist und dies für Frauen oft bedeutet, nur als Objekt gesehen zu werden. „Rede mit mir - vorher.“ steht auf einem Plakat.
Auf der Webseite heißt es dazu: „SlutWalks sind Demonstrationen gegen Sexismus, sexualisierte Gewalt, Vergewaltigungsmythen und -verharmlosungen. … Menschen protestieren für ihr Recht auf Selbstbestimmung hinsichtlich Körper, Geschlecht und sexuellem Begehren.“
Auch wenn der SlutWalk Berlin fast wie eine Art Karneval anzusehen war: er hat eine politische Botschaft; politischer als der Christopher Street Day ist er allemal. Wenig Kommerz, viel Politik. In einem Redebeitrag kommt die Sprache auf Frauen, die in der Zeit der Nazidiktatur wegen “sexueller Verwahrlosung” in Konzentrationslagern eingesperrt und zwangssterilisiert wurden. Ein Thema, das man nicht unbedingt den fröhlichen Menschen zugetraut hätte. Eine Rednerin, die mit Flüchtlingsstatus in Berlin lebt, wies darauf hin, dass es in den Flüchtlingsheimen immer wieder zu sexuellen Übergriffen und Vergewaltigungen kommt. Und das dabei oft die Opfer, die Frauen, die Stigmatisierten sind.
Die Veranstalter hatten zuvor darum gebeten, dass politische Parteien sich nicht des SlutWalks bedienen mögen, um parteipolitische Botschaften zu verbreiten. Dies gelang - zumindest in Berlin - auch. Einzig ein paar SPD-Anhänger fanden sich, die mit dem Slogan „Vergewaltigungsfreie Zone“ mit im Zug liefen. Und es gab auch Kritik an der verlogenen Sexualmoral der Kirche – Ralf Königs Zeichnung zum Papstbesuch tauchte auf - mit einem anderen Titel - in Spanisch. Überhaupt war es erstaunlich, welch multikulturelle Mischung beim Berliner SlutWalk zu sehen und zu hören war: neben Deutsch war Englisch, Spanisch, Polnisch und Türkisch zu erkennen
Leider aber eben auch die dummen Kommentare am Straßenrand, die hier keine Öffentlichkeit bekommen sollen. Besonders peinlich wurde es, als der Zug an der Bülowstrasse entlang zog. Was dort von Passanten und Anwohnern zu hören war, zeigt, dass es bitter notwendig ist, dass die „Schlampen“ auf die Straße gehen. Allerdings ist kaum anzunehmen, dass die, die gemeint sind, begreifen, dass sie gemeint sind.
Und so bleibt - neben der Freude, dass dieser Marsch in Berlin und zwölf anderen deutschen Städten stattfand - die bittere Erkenntnis: Es braucht mehr als ein bunt-fröhliches Völkchen, um Gedanken zu ändern.
F.N.
Weitere Fotos gibt es bei Nics Bloghaus, ebenso wie zwei Videos.