(31) Vielleicht sollte ich mehr auf die moderne Schiene setzen? Sagen wir mal, die katholische Kirche akzeptiert moderne Formen der Zeugung doch noch? Weil in unserer Geschichte gab es ja schon einen sehr berühmt gewordenen künstlichen Zeugungsakt. Die Befruchtete blieb dabei Jungfrau! Das könnte man bei Nonnen einführen. Vorsichtig künstlich befruchten und dann per Kaiserschnitt die Kinder in die Welt bringen, die Nonnen blieben Jungfrauen und die Christenkinder würden trotzdem mehr. Hat allerdings zwei Nachteile. Der Nonnenbestand ist großteils leider nicht mehr im befruchtbaren Alter, und woher nehmen wir das Sperma? Spermakonserven des HErrn aufzutreiben, wird schwierig sein, Nonnen sind jedoch "Bräute Christi" und dürfen nicht fremdgehen.
Ob die Wissenschaft vielleicht von den dreizehn Vorhäuten Christi, die als Reliquien in Kirchen aufbewahrt werden, DNA abkratzen und daraus Sperma produzieren könnte? Eine der dreizehn Vorhäute müsste doch die wahre VOrhaut des HErrn sein! Also wirklich, wenn die Katholiken glauben, Jesus ist der Sohn Gottes und sein Blut und Fleisch ist in jeder Hostie, dann müssten sie auch von Spermakonserven zu überzeugen sein. Das wäre praktisch Gott in Dosen. Diese Idee werde ich mir notieren. Nicht aller Fortschritt muss schlecht sein. Gewisse Änderungen verdienen es, erwogen zu werden.
(32) Aber nein! Oh HErr, jetzt hab ich mich versündigt! Solche Gedanken sind ganz bestimmt ganz schwere Frevel und Gräuel. Dass ich so etwas Fürwitziges auch nur denken konnte! Eigentlich müsste ich mich für diese Einfälle jetzt sogleich selber exkommunizieren! Aber ich wende mich nach oben: "Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir, du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus. Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für den armen Sünder Benedikt jetzt und in der Stunde des Todes". Am Abend bet ich dann noch zwölf Rosenkränze und tu drei Stunden Scheitelknien, für jedes Drittel der hl. Dreifaltigkeit eine Stunde! Die barmherzige Hl. Mutter Maria wird mir dann schon helfen! Das mit der Reue und der Buße, das war echt eine gute Idee vom Jesus!
Aber im Bundestag kann ich das natürlich nicht erzählen. Ich will weder zu fortschrittlich noch zu rückschrittlich sein. Darum werde ich auch nicht sagen, dass sie diesen Pleitegeier wegmachen sollen, der da hängt - Bundesadler nennen sie den wohl? Da gehört natürlich ein Kreuz hin. Das werde ich ihnen sagen, ein bisschen durch die Blume. Dass es angebracht wäre, im Bundestag die christlichen Gläubigen unter den Abgeordneten nicht zu diskriminieren und ihnen nicht noch länger ihr Zeichen des Glaubens vorzuenthalten.
(33) Mei o mei, ob die Leute wissen, was ich leiste? Ich muss sie ja alle zufrieden stellen und alle wollen was anderes hören. Die wahren Gläubigen fertige ich noch am flottesten ab. Aber die hier im Bundestag sind teilweise den Ungläubigen zuzurechnen, zum Glück aber mehrheitlich den Leichtgläubigen, jedenfalls muss ich ihnen staatsmännischer kommen. Und ich muss die Regierung ein bisschen umschmeicheln, damit sie unsere Kirche beim Milliardenverteilen noch besser fördert.
(34) Und die ganze Zeit muss ich ständig wiederholen, wir haben eine christliche Leitkultur, obwohl dieser Zustand schon seit 500 Jahren - Gott sei es geklagt - nicht mehr vollständig durchsetzbar ist. Und auf die Diktatur des Relativismus muss ich hinweisen. Eigentlich müsste ich zum Freiheitskampf gegen den Relativismus auffordern. Dann gäbe es keine Diktatur mehr, sondern die absolute Freiheit der absoluten göttlichen Lehre und die Menschen wären gerettet. Leider ist zu befürchten, dass man dies nicht versteht und vielleicht gar glaubt, ich möchte Dollfuß und Franco wieder zurückhaben. Nun ja, unter diesen Regierungen gab es die Diktatur des Relativismus nicht, dafür standen die göttlichen katholischen Rechte in der Staatsverfassung!
(35) Oje, wie ich immer aufpassen muss. Aber die hiesigen Politiker kommen ohnehin nicht auf die Idee, anzusprechen, dass die Menschen als Leitkultur die Moderne bevorzugen, gegen die sich die alleinseligmachende heilige katholische Kirche solange und so beherzt gewehrt hat. Aber wir haben das unantastbare Menschenrecht erstritten, als heilige Institution respektiert zu werden; ganz funktioniert es leider nicht. Ein bisschen könnte ich neidisch werden auf meinen Freund Amadinedhadschi in Teheran, wo sie wirklich noch eine religiöse Leitkultur haben, mit Religionspolizei und allen anderen religiösen Menschenrechten.
Die haben dort einen echten Standortvorteil. Das mit dem Steinigen und Handabhacken ist möglicherweise doch etwas zu vormodern, aber dort traut sich keiner, nach dem Sexualleben von Mullahs zu fragen. So viel Glück haben wir leider nicht. Wenn ich was sage, muss ich dauernd die Aufmerksamkeit in sichere Gefilde lenken. Ins Spirituelle, jaja, und ohne Religion sind die Leute alleingelassen in den bösen Zeiten. Das muss ich in jedem zweiten Absatz betonen. Dann kommt auch niemand auf die Idee, mich irgendwie blöd nach der Kriminalgeschichte des Christentums zu fragen, weil unser Ethos war immer auf göttlicher Höhe. Davon kann sich heute noch jeder überzeugen. Im Hexenhammer war bezüglich Hexerei alles vorzüglich rechtlich geregelt und auch die Verfahren gegen Galilei und Konsorten waren dem damaligen Recht entsprechend und darum einwandfrei!
Wie auch anders? Was wir zu vermarkten haben, stammt zwar aus vorwissenschaftlicher Zeit, aber es stammt von Gott und Gott ist die Vernunft und die Menschen müssen sich der Vernunft unterordnen und gottgewollt vernünftig sein. Und gegen den Relativismus, der unvernünftig die absolute göttliche Wahrheit zu leugnen versucht. Das war jetzt ein durchgehend fetter Gedanke zu meinem Glaubensschwerpunkt!
(36) Aber hier im Bundestag muss ich auch auf neuzeitliche Fragen eingehen, zum Beispiel auf die Frage, dürfen Politiker Gewinne privatisieren und Verluste sozialisieren? Von solchen Gedanken muss ich die Leute abhalten, damit sie den Sozialstaat nicht als ernste und ewige Angelegenheit sehen. Nachher gehen die womöglich hin und lassen die Reichen für die Armen zahlen statt umgekehrt, oder fangen gar an, bei vollem Lohnausgleich die Arbeitszeit zu verkürzen oder verlangen von Fabrikmaschinenbesitzern eine Wertschöpfungsabgabe. Die Gefahr ist klar: Weniger Arbeitszeit bringt weniger Arbeitslose. Wenn dann alle immer Arbeit finden, sind die Leute noch weniger demütig, verschwindet der Zugang zur Religion noch mehr. Weil die Religion ist der Ausdruck des wirklichen Elendes und der Protest gegen das wirkliche Elend, die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüt einer herzlosen Welt und der Geist geistloser Zustände. Eine sehr gute Definition! Da kam dann noch so ein Satz, Religion ist das Bier des Volkes oder so ähnlich. Wo hab ich das gelesen? Weiß es nimmer, vielleicht beim Hl. Augustinus? Wenn jedoch Elend und Bedrängung und geistlose Zustände weniger werden, dann wird auch unser religiöses Bier des Volkes schal und nicht einmal die Neuevangelisierung wird unserer Kirche viel helfen können.
(37) Überall lauern Fallstricke, immerzu muss ich Meisterleistungen vollbringen, damit die Religion zum Zuge kommt. Immer mehr von meiner Zeit geht drauf, um die Religion aus der Kritik zu halten. Aber ich bin voller Demut stolz darauf, dass es mir immer wieder gelingt. Wir erzählen seit 2000 Jahren von unserem Gott, den keiner sehen kann und den keiner beweisen kann, und der Glaube bleibt in der Mehrheit der Menschen immer noch erhalten. Das gibt mir Kraft und Zuversicht. Wenn ich als Oberhaupt der christkatholischen Theokratie im Zentrum der deutschen Demokratie auftreten darf, wird dargestellt, dass es - Gott sei Dank - in diesem Lande mit der Trennung von Religion und Staat nicht weit her ist.
Ich werde ihnen allen sagen: Demokratie und Volk sollen keinesfalls vergessen, ihre Knie vor der alleinseligmachenden heiligen christkatholischen Kirche und unserem HErrn zu beugen. Und ich werde zum Schluss meiner Rede mir selber danken & den deutschen Politikern & dem HErrn im Himmel. Und alle segnen, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen.“