Grüner Coup überrascht Österreichs Säkulare

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Collage: F. Lorenz

INNSBRUCK. (hpd) Österreichs Grüne haben die säkulare Szene Österreichs überrascht. Und das unerwarteterweise positiv. Am Wochenende beschlossen sie eine Resolution zur Trennung von Staat und Kirche. hpd-Korrespondent Christoph Baumgarten hat recherchiert.

„Der Text ist ein Wahnsinn. Das ist ja alles, was wir fordern“, erzählt Philippe Lorre am Telefon. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Zentralrats der Konfessionsfreien. Die Stimmung, in der er sich Montagmittag befand, kann man am besten als freudige Überraschung beschreiben. Auch er hatte erst von Erwin Peterseils atheisten-info.at von der Resolution des Grünen Bundeskongresses erfahren. Der Linzer Pensionist und langjährige Aktivist der atheistischen Szene hatte das Papier von parteiinternen Quellen zugespielt bekommen und die Story exklusiv gebracht. Der Begriff exklusiv erscheint kaum untertrieben. Die Resolution „Wir trennen Staat und Religion“ macht die Grünen zur einzigen Partei Österreichs, die sich aktuell zu einem laizistischen Staat bekennt. Das hat es lange nicht gegeben.

In der säkularen Szene dürfte niemand im Vorfeld von dem Antrag informiert gewesen sein. Selbst Erich Eder von AG-ATHE wusste nichts. Die AgnostikerInnen und AtheistInnen für ein säkulares Österreich sind eine grünennahe Organisation, Gründer Eder hatte vor zwei Jahren einen ähnlichen Antrag bei den Wiener Grünen durchgebracht. Gegenüber dem hpd reagiert er freudig überrascht. „Cool. Gefällt mir extrem gut.“ Wichtig aus seiner Sicht ist, dass die Resolution „von vielen wichtigen Leuten aus zentralen Bereichen der Partei kommt.“ Das sind neben Verfassungssprecherin Daniela Musiol die Menschenrechtssprecherin Alev Korun, Bildungssprecher Harald Walser (alle im Nationalrat) und der Wiener Gemeinderat Marco Schreuder. Philippe Lorre wusste ebenfalls nichts. Er betrieb in den vergangenen Monaten Lobbying für die Anliegen der etwa zwei Millionen Konfessionsfreien in Österreich und stand mit den Grünen in intensiver Korrespondenz.

Auch sonst war nichts im Vorfeld durchgesickert, dass es die Resolution überhaupt geben würde. Was auch daran liegen mag, dass nur wenige Parteien ihre Anträge und Resolutionen bei Parteitagen bzw. Bundeskongressen im Vorfeld gerne öffentlich diskutiert haben wollen, unabhängig vom Inhalt. Und auf politischer Ebene werden in Österreich andere Fragen mit mehr Aufmerksamkeit diskutiert als die Trennung von Staat und Kirche. Etwa die Korruptionsaffären, die auch den Bundeskongress der Grünen dominierten. Grünen-Bundessprecherin Eva Glawischnig stellte schärfere parteiinterne Richtlinien vor und erklärte sichtbar stolz, dass die Grünen die einzige Partei ohne Korruptionsskandal sei.

Noch vergangene Woche kein Hinweis

Einzig Daniele Musiol, eine der Autorinnen der Resolution, und der SPÖ-Nationalratsabgeordnete Hannes Jarolim hatten vor kurzem bei einer Veranstaltung des Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien eine Abschaffung des Konkordats befürwortet. Damals und in darauf folgenden Medienberichten hatte Musiol betont, das sei ihre Privatmeinung und die Grünen hätten keine Positionierung zum Thema. Noch vergangene Woche hatte nichts darauf hingedeutet, dass irgendjemand außer dem Volksbegehren die Trennung von Staat und Religion offensiv zum Thema machen würde.

Der Antrag enthält auch keine explizite Absage ans Dollfuß-Konkordat aus dem Jahr 1933. Nur wäre die zumindest aus laizistischer Sicht logische Konsequenz der neuen grünen Position: „Einige (Staats-)Verträge und Gesetze, die anerkannten Religionsgemeinschaften Rechte und Privilegien zusichern, stehen zumindest teilweise im Widerspruch zu einem säkularen Staatswesen. Wir fordern, dass staatliches Handeln gerade in hochsensiblen Bereichen wie dem Bildungswesen, der Judikative, dem Steuerwesen oder der öffentlichen Verwaltung objektiv und neutral gestaltet und geregelt wird und damit säkularen Prinzipien genügt.“

Entsprechend freudig überrascht reagiert die säkulare Szene. Eytan Reif von der Initiative Religion ist Privatsache sagt gegenüber dem hpd, er könne „diese Entwicklung nur begrüßen. Während die Regierungsparteien sich stets nur um die Interessen der Religionsgemeinschaften Österreichs bemüht und dabei politisches Kleingeld kassiert haben scheinen Die Grünen - als einzige Parlamentspartei - verstanden zu haben, dass es hier um die Demokratie in Österreich geht. Es bleibt nur zu hoffen, dass dieser Vorstoß auch andere PolitikerInnen dazu bewegen wird, den traditionellen und verkrusteten pro-religiösen Weg zu verlassen und die Zeichen der Zeit richtig zu deuten“.

Auch der Freidenkerbund begrüßt die neue grüne Position ausdrücklich. „Vor allem ist dem Freidenkerbund ein Anliegen, dass durch die Grünen ein neuer, säkulär geprägter Politstil möglich wird, der dem nicht-religiösen Teil der Bevölkerung ein Sprachrohr bietet, das sie bisher auf der politischen Bühne nicht hatten. Diesen Menschen, den Konfessionslosen und humanistisch orientierten Freidenkern, ist es ein besonderes Anliegen, von der Religionsfreiheit zur Weltanschauungsfreiheit zu kommen“, schreibt Pressesprecher Gerhard Engelmayer. Alle Gesetzesinitiativen, die sich aus der Resolution ergeben, seien willkommen: „Das Konkordat darf auf Dauer nicht unantastbar sein, in einer Zeit, in der die Zahl der Konfessionsfreien über die 2-Millionen-Marke steigt.“
 

Christoph Baumgarten