Der Kernöl-Kommunismus

Eine kommunistische Bürgermeisterin in der zweitgrößten Stadt Österreichs

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Grazer Rathaus

Eine kommunistische Bürgermeisterin regiert seit 2021 die zweitgrößte österreichische Stadt. Die für diesen Erfolg relevanten Gründe untersucht der Journalist und Politologe Jonas Vogt in "Der Kernöl-Kommunismus. Wo der Erfolg der steirischen KPÖ herkommt und wo sie hin will".

Bei den Gemeinderatswahlen in Graz erhielt die "Kommunistische Partei Österreichs" (KPÖ) im September 2021 die meisten Wählerstimmen. Es waren 28,6 Prozent. Seitdem ist eine Kommunistin Bürgermeisterin, und das immerhin in der zweitgrößten österreichischen Stadt. Dies machte eine mit den Grünen und der SPÖ erfolgte Zusammenarbeit möglich. Bekanntlich handelt es sich nicht um ein regionales Phänomen, was der Blick nach Salzburg veranschaulicht. Die KPÖ erhielt bei den dortigen Landtagswahlen 11,7 Prozent der Stimmen. Bei den Gemeinderatswahlen 2024 waren es sogar 23,1 Prozent in Salzburg-Stadt.

Wie erklärt sich diese bemerkenswerte Entwicklung, die auch außerhalb von Österreich wahrgenommen wurde? Erstaunlicherweise fehlt es dazu an einschlägiger Forschung, man kann aber auf eine ältere Monographie zurückgreifen. Das gemeinte Buch ist mit "Der Kernöl-Kommunismus" überschrieben, was auf eine lokale Besonderheit der Steiermark bezogen ist. Geschrieben hat es der deutsche Journalist und studierte Politologe Jonas Vogt.

Cover

Deutlicher wird sein Anliegen mit dem Untertitel: "Wo der Erfolg der steirischen KPÖ herkommt und wo sie hin will". Um es gleich von Anfang an zu sagen: Eine ausdifferenzierte Antwort auf diese Frage findet sich in den einzelnen Kapiteln nicht. Es werden aber interessante Basisinformationen geliefert, die über eine journalistische Reportage hinausgehen. Die jeweiligen Kapitel stehen etwas unverbunden nebeneinander, sie können auch unabhängig voneinander zur Lektüre dienen.

Zu Beginn gibt es den Bericht über den Wahlabend, der für Elke Kahr mit einem triumphalen Sieg endete. Danach wird die persönliche und politische Entwicklung der KPÖ-Kandidatin geschildert. Sie erscheint als sympathische Frau, die auch durch ihre Persönlichkeit öffentlich wirkt. Der Autor arbeitet diesen Gesichtspunkt hier aber nur eingeschränkt auf, thematisiert etwa nicht die mit dem Gehaltsverzicht zugunsten eines Sozialfonds erfolgende Wahrnehmung näher. Gleichwohl zeichnet er ein informatives und persönliches Bild nicht nur von Kahr.

In den nächsten beiden Kapiteln folgt ein historischer Rückblick, wobei die Geschichte der KPÖ seit 1918 ein Thema ist. Hier berichtet der Autor mehr von deren sozialem Engagement, weniger aber von der problematischen Einbettung in ein antidemokratisches Parteiensystem. Graz war schon vor Kahr eine kommunistische Hochburg, was das Interview mit Vorgänger Ernest Kaltenegger veranschaulicht. Auch er hatte große Achtungserfolge verbuchen können, was ebenso mit seinem persönlichen Engagement zusammenhing. Insbesondere im Bereich der kommunalen Wohnungspolitik wirkte er, gleiches tat dann seine Nachfolgerin Kahr.

Dann fällt der Blick auf die Entwicklung der KPÖ Steiermark, welche auf Landesebene indessen keine so große Rolle spielt. Häufig vermisst man beim Autor kritische Einschätzungen. Sie folgen erst in dem Abschnitt zu Einstellungen zur internationalen Politik, wo doch ein wenig diffuse Auffassungen zu bedenklichen Entwicklungen wie etwa in Russland deutlich werden.

Offenbar haben die gemeinten Kommunisten doch mit vielen kritikwürdigen Prinzipien nicht so richtig gebrochen, eine Demokratisierungsentwicklung wie früher mit dem "Eurokommunismus" ist offenbar noch nicht so richtig erfolgt. Der Autor verweist in diesem Kontext auch auf das innerparteiliche Leben. Eine gewisse Autonomie gegenüber der Bundespartei hat sich die KPÖ Steiermark zwar erwirkt, gleichwohl bremsen Abhängigkeit und Orientierung nach wie vor eine demokratische Reformierung. Gerade darüber hätte man in dem Buch gern etwas mehr gelesen. Denn um der politischen Glaubwürdigkeit willen, welche sich eben nicht nur in persönlichem Engagement artikuliert, bedarf es auch einer demokratischen Orientierung. Hier wären Differenzierung und Tiefe gelegentlich noch notwendiger gewesen. Gleichwohl hat man es mit einem informativen Buch zu tun, das eine beachtenswerte Entwicklung schildert. Sie könnte für die Demokratie nicht nur in Österreich mit ambivalenten Wirkungen einhergehen.

Jonas Vogt, Der Kernöl-Kommunismus. Wo der Erfolg der steirischen KPÖ herkommt und wo sie hin will. Eine Biografie, Unteraichwald 2023, Ampuls Verlag, 143 Seiten, 24,90 Euro

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