Konfessionszugehörigkeit lediger Mütter

(hpd) Bei der Recherche nach der Religionszugehörigkeit der Mütter nichtehelich geborener Kinder hätte man annehmen können, dass der Anteil der religiösen, besonders der katholischen Frauen unter den ledigen Müttern gering sein würde. Ein nichteheliches Kind wurde von Seiten der Kirchen jahrhundertelang als „Schande” und bereits der voreheliche Geschlechtsakt als „Sünde” verurteilt.

Über einen Zeitraum von 50 Jahren hat sich herausgestellt, dass sich diesbezüglich ein gewaltiger Wandel vollzogen hat - aber nicht zu mehr „Keuschheit”, sondern zu viel mehr freier Entscheidung durch die Frauen, wobei es keine nennenswerten Unterschiede zwischen katholischen und evangelischen Müttern gibt.

Katholische und evangelische ledige Mütter sind in ihrer Anzahl durchaus vergleichbar (auch von 1971 bis 1975 gleich viele). In dem etwas geringeren katholischen Anteil drückt sich dann eher die in den 1950er Jahren etwas geringere Zahl der Katholiken aus. Im Unterschied zu den ehelichen Geburten ist bei den nichtehelichen Geburten kein „Pillenknick” zu erkennen.

Die Zahl der nichtehelichen Geburten verringert sich in der BRD bis 1975 kontinuierlich. 1975 ist das Jahr mit der geringsten Anzahl nichtehelicher Geburten (36.774). Ein gleicher Trend ist auf der anderen Seite Deutschlands zu erkennen, allerdings 1971 mit einem deutlichen Knick nach oben. Da seit Beginn der sechziger Jahre die Geburtenzahl insgesamt stärker absinkt, als die Zahl der nichtehelichen Geburten, liegt der relative „Tiefpunkt” des Anteils der ledigen Mütter (4,6 Prozent) in den Jahren 1966/1967, dagegen in der DDR bereits in den Jahren 1963/1964 mit neun Prozent.

Dort war der Anteil der nichtehelichen Geburten bereits in den 1950er Jahren höher als in der Bundesrepublik. Er betrug 1955 13 Prozent und stieg bis 1990 auf 35 Prozent. Leider gibt es keine statistische Erfassung über die Religionszugehörigkeit der Mütter. Da aber der Anteil der Katholiken bei ca. 5-6 Prozent (zwischen 1960 und 1989 etwa gleichbleibend) lag und der evangelische Anteil der Bevölkerung von 64 Prozent (1964) auf 35 Prozent (1989) sank, könnte man von einem ähnlichen Verhältnis bei den Geburten ausgehen.

                 

Dass so ein hoher Anteil nichtehelicher Kinder in der DDR geboren wurde, hatte vermutlich zwei Hauptgründe. Ein Großteil der Bevölkerung fühlte sich besonders ab Mitte der 1970er Jahre an keinerlei christliche Konvention mehr gebunden und nahezu alle Frauen in der DDR waren wirtschaftlich selbstständig, bedurften nicht des „familiären Ernährers“. Es bestand daher kaum der Zwang, wegen einer Schwangerschaft zu heiraten (man heiratete eher wegen einer Wohnung). Den Abwärtstrend der Geburtenrate versuchte man ab April 1972 mit staatlicher Unterstützung der jungen Eheleute mit 5.000 Mark (später 7.000 Mark) aufzuhalten. Dieser zinslose Kredit konnte mittels Geburt von Kindern zusätzlich getilgt werden (spätestens nach dem 3. Kind war man schuldenfrei). Das Ansteigen des relativen Anteils seit 1968 und der absoluten Zahlen seit 1976 lässt auch eine weitere Begründung annehmen: Es ist ein Ausdruck der freien Entscheidung der Mütter. Die nichtehelichen Partner­schaften wurden zunehmend juristisch und gesellschaftlich akzeptiert.

Dieser in den Alten Bundesländern bis 1990 auf 10,5 Prozent gestiegene Anteil nichtehelicher Geburten, der u. a. durch die größere Zahl konfessionsfreier Mütter verursacht wurde, wird nach der Wiedervereinigung durch die 35 Prozent ostdeutscher, nichtehelich Geborener sprunghaft verstärkt.

Nach einer drastischen Verringerung der Geburten vor allem im Osten als Ausdruck des „Wieder­vereinigungs­schocks” von 1990 bis 1995, steigen die Anteile nichtehelicher Geburten bis 2010 auf 33,3 Prozent, d. h. jedes dritte Kind in Deutschland entstammt einer nichtehelichen „Zeugungsgemeinschaft”.

Dieser Anstieg - sowohl relativ wie auch in absoluten Zahlen - scheint ein gesamtdeutsches Phänomen zu sein, da die Anzahl dieser Geburten in absoluten Zahlen steigt, und der konfessionelle wie konfessionslose Zuwachs von 1991 auf 1999 gleich groß ist (jeweils 30.000 Geburten).

 

Elke Schäfer