Seltener Erfolg gegen rechts

hofburg-wien-treppenhaus.jpg

Hofburg, Treppenhaus / Foto: hofburg.com

WIEN. (hpd) Ab nächstem Jahr müssen sich die Burschenschafter der deutschsprachigen Länder einen neuen Tummelplatz suchen. Der Verpächter hat den Ball des Wiener Korporationsrings vor die Türen der Wiener Hofburg gesetzt. Das ist ein seltener Erfolg österreichischer AntifaschistInnen.

Ein persönlicher Kommentar.

Als ich die Schlagzeile auf derstandard.at gelesen habe, wonach die Verpachtungsgesellschaft der Wiener Hofburg die Burschenschafter vor die Tür setzt, habe ich die Nachricht voller Freude via Facebook und E-mail verbreitet. Das Treffen von Nationalisten, Rechtsradikalen und -extremisten und Schlimmerem an einem symbolträchtigen Ort der Republik war nicht nur mir immer sauer aufgestoßen. Es dauerte nicht lang, bis ich ein Mail einer lieben Freundin bekam. Sie ist mitverantwortlich, dass der öffentliche Druck auf die Verpächter in den vergangenen Wochen zu groß wurde: „Danke! Und obwohl ich es natürlich sehe, dass der schreckliche Terror in D. und Norwegen seinen Anteil dran hatte, bin ich verdammt stolz auf die pöse linkslinke Jagdgesellschaft, die in den letzten Tagen und Wochen in seltener Einigkeit informiert, reagiert und agiert hat! Und natürlich werden wir ihnen den letzten Tanz in der Hofburg ordentlich laut und gewaltfrei vermiesen und egal in welche Löcher sie sich dann verziehen, wir bleiben dran!“

Die letzten Zeilen zeigen, für wie viel Ärger dieser jährliche Tummelplatz bei österreichischen GewerkschafterInnen, Studierenden, AntifaschistInnen, Grünen, SozialdemokratInnen und so weiter gesorgt hat. Ein Ärger, den die Wiener Polizei über die vergangenen beiden Jahre ins Unermessliche zu steigern verstand. Sie verbot die Gegendemonstrationen aus mehr oder weniger fadenscheinigen Gründen. Obwohl nie ein Demonstrationszug die Chance gehabt hätte, das Gelände der Hofburg zu stürmen. Die Rechtsextremen in ihren Verkleidungen waren bei ihrem abendlichen Vergnügen immer gut geschützt.

Auf GegendemonstrantInnen wurde in den vergangenen Jahren zum Teil sogar eingeprügelt – und sie wurden öffentlich als gewalttätige Chaoten hingestellt. Dass von einem Dauergast bei diesem Demos, dem Schwarzen Block, immer ein gewisses Gewaltpotential ausging, ist unbestreitbar. Allerdings nicht in dem Maß, wie es nötig wäre, um zu rechtfertigen, dass hunderte rechtschaffene BürgerInnen Ende Jänner im Freien eingekesselt werden, dass ein Pressefotograf, der als solcher erkenntlich ist, niedergestoßen und perlustriert wird, dass Jugendliche mit Pfefferspray verletzt werden, AnrainerInnen angezeigt werden, die zufällig zum falschen Zeitpunkt heimgehen wollen. (Detaillierte Informationen)

Allein, das brutale Vorgehen der Polizei in den vergangenen Jahren hatte etwas Gutes. Den Casinos Austria, einer der Hauptaktionäre bei der Verpachtungsgesellschaft, dürfte klar geworden sein, dass ihnen die Burschenschafter nur schlechte Presse einbringen. Sie haben sie nun zum frühestmöglichen Zeitpunkt vor die Tür gesetzt. Das ist der Jänner 2013. 2012 werden die Rechten noch feiern dürfen. Es gibt – leider – einen gültigen Vertrag, der so kurzfristig nicht aufgelöst werden kann. Auch bei den politischen AktivistInnen diverser Fraktionen haben die Demos der vergangenen Jahre ein Umdenken ausgelöst. Wie die oben zitierte Freundin haben sie über alternative Strategien nachgedacht und größeren Organisationen Druck gemacht, sich der heurigen Demo anzuschließen. Je mehr Menschen dabei wären, desto schwerer für die Polizei, zu prügeln. Zumal erfahrene DemonstrantInnen und ältere AntifaschistInnen auch mäßigend auf die anderen DemonstrantInnen wirken würden, so das Kalkül. Die Anstrengungen waren erfolgreich: Die Demo 2012 wird laut der Wiener Stadtzeitung „Der Falter“ auch von SPÖ und ÖGB unterstützt. Und der Bund sozialdemokratischer FreiheitskämpferInnen wird mitmarschieren. Ihm wird sich der Autor dieser Zeilen anschließen. (Vielleicht aber mit einem Überzieher meiner Gewerkschaft, mal schauen, ob die offiziell auch aufruft.)

Ausschlaggebend für diese neue Strategie waren übrigens Erfahrungen aus Dresden, wie die Freundin von mir beschrieben hat. Die Gegendemos gegen die dortigen Nazi-Aufläufe hatten lange ein ähnliches Schicksal wie die Demos gegen den Burschenschafterball in Wien. Dass in den vergangenen Jahren ältere AntifaschistInnen die jungen MitstreiterInnen ergänzt haben, dürfte das Klima langfristig beruhigt haben.

Traurig ist, dass es kein behördliches Verbot für diesen Aufmarsch von Rechtsradikalen in der Hofburg gibt. Wer die Wiener Burschenschafterszene kennt, weiß, dass an diesem Abend verurteilte Neonazis anwesend sein werden. Nicht, dass die ganze Szene daraus bestehen würde. Aber sie haben dort ihre Nischen gefunden und einen regelmäßigen Kontakt zu Politikern von rechten Parteien wie der FPÖ. Wie Heribert Schiedel vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) wiederholt nachgewiesen hat, sind die Wiener Burschenschaften ein Scharnier zwischen der illegalen Nazi-Szene und den Freiheitlichen. Entsprechend deftig sind die Schmähungen gegen ihn, die man auf den Homepages der angeblich so aufgeschlossenen, liberalen und demokratischen Burschenschaften findet. Etwas überraschend auch, dass sich der katholische Cartellverband, sonst spinnefeind mit den „Schlagenden“, ebenfalls auf ihn einschießt.

Wie die Szene funktioniert, zeigt am besten ein Video von einem der mittlerweile legendären Spaziergänge, die Schiedel leitet. Der Autor dieser Zeilen war übrigens bei einer Gruppe, die auf einem dieser Spaziergänger von Mitgliedern der Burschenschaft Olympia attackiert wurde. Ein Angreifer war damals parlamentarischer Mitarbeiter des Dritten Nationalratspräsidenten Martin Graf, der ebenfalls der Olympia angehört. Der Mitarbeiter wurde später gekündigt und aus der Olympia ausgeschlossen. Böse Zungen behaupten, das sei passiert, weil er sich bei dem Angriff habe fotografieren lassen und das unangenehme Schlagzeilen gebracht habe.

Dass sich solche Menschen auf einem Ball treffen, sollte die Polizei aufmerksam machen. Wer weiß, was in solchen Konstellationen gemauschelt wird? Bezeichnend auch, dass MedienvertreterInnen dort regelmäßig bei der Arbeit behindert werden. Sofern sie überhaupt dorthin dürfen.

Dass die FPÖ jetzt wieder von der linkslinken Jagdgesellschaft spricht und sich als Opfer sieht, war zu erwarten. FPÖ-Chef Bumsti Strache spricht sogar von einem „Schaden an der Demokratie“. Was den Verdacht nährt, dass der WKR-Ball mehr ist, als ein bloßes Tanzvergnügen. Ginge es nur ums Tanzen, wäre eine andere Location wohl verkraftbar. Das diffamiert wird, ist klar. Ein Auszug aus einem Strache-Zitat in der Wiener Tageszeitung Die Presse: „Die Eigentümer der Hofburg GmbH hätten offenbar ‚den Hetztiraden und Diffamierungen linksextremer Krawallbrüder wie Öllinger [Anm.: Karl, Grün-Abgeordneter] und der grün-anarchistischen Anti-WKR-Ball-Demonstranten nachgegeben, so Strache. Hier werde ein völlig falsches Signal gesetzt, indem man dem Druck der Straße nachgebe und den Ball aufgrund der Drohungen von Linksextremisten auslade. Strache: „Gegen den WKR-Ball finde eine Menschenhatz statt, die in einer Demokratie des 21. Jahrhunderts nichts mehr verloren habe.“ Und das sind die Menschen, deren Parteigenossen bei Landtagssitzungen vom „gesunden Volksempfinden“ faseln – und schlimmeres von sich geben. Eine verzerrte Sicht auf die Wirklichkeit kann man diesem Menschen gefahrlos attestieren.

Vielleicht giftet ja viele FPÖ’ler und Burschenschafter, dass sie jetzt den Heldenplatz nicht mehr als Aufmarschgebiet ausgerechnet am Gedenktag der Befreiung von Auschwitz haben. Schwer bewaffnete Rechtsextreme just an dem Platz, an dem im März 1938 die Massen dem „Führer“ zujubelten als Kontrapunkt zum Gedenken an dessen Opfer. Manchen mag das einen Kick geben. Der Autor dieser Zeilen verzichtet aus rechtlichen Gründen darauf, zu spekulieren, wen das Hausverbot am meisten kränkt. Und leider dürfen sie ja alljährlich am 8. Mai wieder dort aufmarschieren. Offiziell betrauern sie am Tag des Sieges über den Hitler-Faschismus die Toten des Kriegs, angeblich die aller Seiten. Dass sie das immer noch tun dürfen, ist beschämend.

Hoffentlich gelingt es, auch gegen diesen Schandfleck des republikanischen Österreich, kluge Strategien zu entwickeln. Burschenschafter haben auf dem Heldenplatz nichts verloren. Da können sie noch so oft den Mythos von 1848 beschwören. Das ist erstens schon eine Zeit lang her. Und zweitens hat der mit Österreich nicht das Geringste zu tun. 1848 gab es auf dem Gebiet des heutigen Österreich keine Burschenschaften. Deren Vorläuferorganisationen, die Bürgerkorps, bekleckerten sich im Kampf um die Freiheit auch nicht mit Ruhm. Als die kaiserlichen Truppen die Arbeiter in der Praterschlacht niedermetzelten, sahen sie „mit wohlwollender Neutralität“ (den Arbeitern gegenüber) zu. Auch nichts, worauf man stolz sein könnte. Von ihrer heutigen Funktion ganz zu schweigen.

Zumindest kann man jetzt als aufrechter Antifaschist träumen, dass es manchmal so etwas wie Gerechtigkeit gibt in diesem Land. Dieses Gefühl hat unsereins lange vermisst.

Christoph Baumgarten