Konflikte, die Frauen und Religion betreffen

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Prof. Dr. Titia Loenen / Foto © exc

MÜNSTER. (hpd/exc) In den zunehmenden Konflikten, die Frauen und Religion betreffen, entscheiden Gerichte laut der Juristin Titia Loenen, die dazu in Münster referierte, immer öfter zugunsten der Gleichberechtigung von Mann und Frau. Religionsfreiheit wird weniger stark gewichtet.

Europäische Gerichtsurteile zum Kopftuchstreit aus den vergangenen Jahren hätten gezeigt, dass das Recht auf Religionsfreiheit weniger stark gewichtet werde als das auf Gleichberechtigung. „Dieser Trend wird sich fortsetzen“, sagte die Rechtswissenschaftlerin von der Universität Utrecht am Dienstagabend in der Ringvorlesung des Exzellenzclusters „Religion und Politik“ an der WWU Münster. Zwischen Religionsfreiheit und Geschlechtergerechtigkeit bestehe Konfliktpotenzial. „Es gibt keine Hierarchie der Menschenrechte. Doch Geschlechtergerechtigkeit ist den Gerichten im Zweifel wichtiger als eine Religionsfreiheit, die Frauen benachteiligt.“ Am besten sei stets eine ausbalancierte Lösung, die die Rechte beider Konfliktparteien schütze.

„Das Verhältnis von Geschlecht, Gesetz und Religion hat im heutigen Europa eine neue Dynamik bekommen“, sagte Prof. Loenen. Als Gründe bezeichnete sie zunehmende Einwanderungs- und Integrationsdebatten. „Das Zusammenleben mehrerer Kulturen scheint mehr Konflikte hervorzurufen, die Frauen und Religion betreffen.“

Insgesamt wurden schon mehr Rechtsstreitigkeiten zugunsten der Gleichberechtigung entschieden als zugunsten der Religionsfreiheit, wie die Juristin erläuterte. Als Beispiel nannte sie ein Kopftuch-Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte aus dem Jahr 2001. Es hatte entschieden, dass das Tragen des Kopftuchs von einer zum Islam konvertierten Schweizer Lehrerin an einer öffentlichen Schule der Neutralität des Staates und der Gleichberechtigung von Mann und Frau widerspreche.

Auch keine Diskriminierung von Männern

Die Wissenschaftlerin empfahl, in jedem Einzelfall genau hinzuschauen, ob tatsächlich ein Konflikt bestehe oder aufgrund von Vorurteilen nur vermutet werde. Als positives Beispiel hob sie eine Entscheidung der niederländischen „Equal Treatment Commission“ aus dem Jahr 2006 hervor, nachdem sich eine muslimische Lehrerin geweigert hatte, männlichen Kollegen die Hand zu schütteln. Die Kommission rief beide Parteien zu einem Kompromiss auf: Die Schule müsse künftig respektieren, dass Händeschütteln nicht der einzige Weg sei, jemanden höflich und respektvoll zu begrüßen. Die Lehrerin ihrerseits dürfe die männlichen Kollegen nicht dadurch diskriminieren, dass sie die weiblichen weiterhin exklusiv mit Handschlag begrüße.

Die Europäische Menschenrechtskonvention erlaube keine Diskriminierung von Frauen, auch wenn diese religiös motiviert scheine, unterstrich die Expertin. Die Konvention verlange ebenso wie die Menschenrechtsstandards der Vereinten Nationen gleiche Rechte für Männer und Frauen in allen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereichen. „Es gibt keine Ausnahmen aufgrund der Religion“, sagte Prof. Loenen.

Der englischsprachige Vortrag trug den Titel „Frauen, Recht und Religion“ und beleuchtete das Konfliktpotenzial zwischen Religionsfreiheit und Geschlechtergerechtigkeit aus der Menschenrechtsperspektive. „Den europaweiten rechtlichen Rahmen für solche Konflikte bildet die Europäische Menschenrechtskonvention“, so Loenen. „Diese fundamentalen Normen und Werte sind in modernen demokratischen Staaten zentral.“ Verbindliche Entscheidungen treffe der Europäische Menschenrechtsgerichtshof.

Brigitte Heeke
für das des Exzellenzcluster „Religion und Politik