Internationale Muslim-Organisation ruft zum heiligen Krieg gegen Israel auf

Islamverbände schweigen zu Terror-Fatwa

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Ali al-Qaradaghi, Generalsekretär der IUMS
Ali al-Qaradaghi, Generalsekretär der IUMS

Am 1. April veröffentlichte die International Union of Muslim Scholars (IUMS) eine Fatwa, ein islamisches Rechtsgutachten, unter dem Titel "Die anhaltende Aggression gegen Gaza und die Aussetzung des Waffenstillstands", in der zum Krieg gegen Israel aufgerufen wird, das allerdings darin nur als "zionistisches Gebilde" bezeichnet wird. Der Humanistische Pressedienst (hpd) wollte von drei Islamverbänden wissen, wie sie zu dem Aufruf der IUMS stehen.

"Aufbauend auf unseren früheren detaillierten Fatwas seit Beginn dieses Völkermordkrieges bekräftigen wir, dass es für alle Muslime und muslimischen Nationen verpflichtend ist, den Dschihad gegen das zionistische Gebilde und alle, die mit ihm in den besetzten Gebieten kollaborieren, zu führen – seien es Söldner oder Soldaten jeglicher Nation.

Militärische Interventionen sowie die Versorgung der Mudschaheddin mit Waffen, Fachwissen und Geheimdienstinformationen sind eine bindende Pflicht – zunächst für das palästinensische Volk, dann für die Nachbarländer (Ägypten, Jordanien und Libanon) und schließlich für alle arabischen und muslimischen Nationen. Der Dschihad gegen die Besatzung ist eine individuelle Verpflichtung (fard 'ayn) für jeden fähigen Muslim.

Ebenso ist es die Pflicht muslimischer Regierungen, sofort militärisch, wirtschaftlich und politisch einzugreifen, um diesen Völkermord zu stoppen. Gaza während seiner Vernichtung im Stich zu lassen, ist eine schwere Sünde."

Glaubt man den Zahlen von Extremismusforschern und der Internetpräsenz, ist die International Union of Muslim Scholars (IUMS) in der islamischen Welt eine intellektuelle Großmacht: 95.000 Gelehrte aus 67 Organisationen – Vertreter aller islamischen Rechtsschulen, Sunniten und Schiiten, sonst vor allem im jahrhundertealten Hass vereint – beschäftigen sich gemeinsam mit der Scharia und der Auslegung des Korans. Ihren Sitz hat die 2004 gegründete Organisation in Katar.

Deshalb blieb die Fatwa nicht unbeachtet. In Deutschland zeigte sich etwa Volker Beck, Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), alarmiert: Mitte April warnte er in einer Pressemitteilung vor den Folgen des Gutachtens in Deutschland: "Die Veröffentlichung dieser Fatwa Anfang April hat unmittelbare Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Deutschland: Sie verpflichtet jeden fähigen Muslim zum Dschihad gegen Israel, den jüdischen und demokratischen Staat."

Die IUMS habe zu weit über tausend Moscheen in Deutschland eine Beziehung, die ihre Lehrautorität umfasse. "Daraus resultiert vor dem Hintergrund des Terroraufrufs in dieser Fatwa eine unmittelbare Gefahr für die innere Sicherheit in Deutschland."

Der Humanistische Pressedienst wollte von drei Islamverbänden wissen, wie sie zu dem Aufruf der IUMS stehen. Er fragte beim Zentralrat der Muslime, bei der aus Erdoğans Türkei gesteuerten DITIB und bei Millî Görüş nach. Der hpd wollte wissen, ob die Fatwa auch für sie selbst und die Besucher der ihnen zugehörigen Moscheen als gültig betrachtet wird, wie sie zum Inhalt der Fatwa stehen und ob sie die IUMS als für sich relevante Organisation ansehen.

Gerade Organisationen, die in Deutschland als Partner von Politik und Kirchen auftreten, hätten allen Anlass gehabt, sich klar von einem solchen Gewaltaufruf zu distanzieren. Doch keine der drei kontaktierten Gruppen tat das – sie schwiegen schlicht: Nicht eine von ihnen antwortete auf die Anfrage des hpd.

Die International Union of Muslim Scholars nimmt für sich in Anspruch, zehntausende muslimische Gelehrte weltweit zu vertreten. Ihre Positionen sind innerhalb der islamistischen Szene in Deutschland bekannt, werden dort jedoch nicht beliebig verbreitet.

Der Verfassungsschutz erklärte auf Anfrage des hpd, die Bedeutung der IUMS halte sich in Grenzen: "In der Vergangenheit veröffentlichte Fatwas hatten zu keinen nennenswerten unmittelbaren Reaktionen in der islamistischen Szene in Deutschland geführt." Die Positionen der IUMS seien dort zwar bekannt, würden aber nicht breit gestreut.

Der Inlandsgeheimdienst bleibt dennoch wachsam: Aufgrund des in der Fatwa individuell und weltweit geforderten Jihads gegen Israel würden die Reaktionen innerhalb der hiesigen islamistischen Szene derzeit fortlaufend überprüft. "Unabhängig von der Fatwa und in Anbetracht des anhaltenden Nahostkonflikts könnte es beispielsweise zu Demonstrationen in diesem Kontext kommen."

Ob das Schweigen der Islamverbände zur Fatwa strategisch oder gleichgültig ist – klar ist: Wer als Vertreter einer Religion in Deutschland öffentliches Vertrauen beansprucht, darf bei Aufrufen zum Jihad nicht sprachlos bleiben.

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