Pandemie: Alte Rollenbilder, neue Arbeitswelt

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Symbolbild
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Neue Studien der Soziologin Caroline Berghammer zeigen, wie der Homeoffice-Anteil während der Lockdowns stark anstieg und sich seither auf einem höheren Niveau stabilisiert hat. Gleichzeitig hat sich die Verteilung von Erwerbs- und Fürsorgearbeit nach der Pandemie wieder an frühere Muster angepasst.

Die Corona-Pandemie hat den Arbeitsalltag vieler Menschen völlig unvorbereitet auf den Kopf gestellt. Eine der massivsten Veränderungen war der notgedrungene Anstieg von Arbeit im Homeoffice über mehrere Lockdowns hindurch. Die Soziologin Caroline Berghammer vom Institut für Demographie an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hat untersucht, wie sich bezahlte und unbezahlte Arbeit in Österreich in dieser Zeit entwickelt haben und was von den Veränderungen geblieben ist.

Für die Analysen zu Erwerbstätigkeit und Homeoffice haben Berghammer und ihr Team in dem dreijährigen Projekt (2021–2024), das vom Wissenschaftsfonds FWF gefördert wurde, Daten des Mikrozensus herangezogen, in dem pro Quartal 22.500 Haushalte in Österreich befragt werden. Als Grundlage für Fragen zu Kinderbetreuung und Hausarbeit wertete die Soziologin die Daten des Austrian Corona Panel aus.

Homeoffice: ein Trend, der blieb

Während der Lockdowns arbeiteten rund 30 Prozent der Erwerbstätigen im Homeoffice. Dieser Anteil ist seither weitgehend stabil geblieben, wenn sich auch das Bild verändert hat: Während Homeoffice zu Pandemiezeiten oft eine Notlösung war, hat es sich mittlerweile als reguläres und funktionierendes Arbeitsmodell in vielen Unternehmen etabliert. Die meisten arbeiten jedoch nicht mehr fünf Tage pro Woche von zu Hause aus, sondern nutzen hybride Modelle mit ein bis zwei Homeoffice-Tagen wöchentlich.

Macht es einen Unterschied, wie häufig das Arbeiten von zu Hause genutzt wird, je nachdem, ob Erwerbstätige Kinder haben oder nicht? Auch diese Frage stellte sich das Forschungsteam. Die Ergebnisse: Frauen und Männer ohne Kinder arbeiten zwar weniger oft im Homeoffice als jene mit Kindern, doch der Anstieg der Homeoffice-Nutzung von rund 10 Prozentpunkten zwischen 2019 und 2023 war in allen Gruppen in etwa gleich groß. "Homeoffice bedeutet für viele Beschäftigte eine Verbesserung der Work-Life-Balance, aber es ist nicht für alle zugänglich", sagt Berghammer.

Soziale Ungleichheiten verstärkt

Ein zentrales Thema in Berghammers Forschung ist die Verteilung von unbezahlter Haus- und Familienarbeit. Obwohl die pandemiebedingten Beschäftigungsverhältnisse zu Arrangements führten, die es in Österreich zuvor kaum gab, etwa Väter in Teilzeit, führte das längerfristig dennoch zu keiner Veränderung der traditionellen Erwerbsmuster. Unter anderem auch aufgrund von Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit – vor allem bei niedriger Gebildeten – änderten sich zunächst die Verhältnisse: Der Anteil der Paare, bei denen beide Eltern Teilzeit arbeiteten, erhöhte sich zu Beginn der Pandemie um 7 Prozentpunkte. Im selben Zeitraum stieg auch der Anteil der Paare, in denen Mütter mehr Stunden arbeiteten als Väter, vor allem unter höher Gebildeten. "Da kam es zum Rollentausch", resümiert die Soziologin.

© cowork.univie.ac.at
Erwerbstätige mit höherer Bildung arbeiten weitaus häufiger im Homeoffice als jene mit niedrigerer Bildung – eine Kluft, die durch die Pandemie noch weiter vertieft wurde. © cowork.univie.ac.at

Doch nicht alle Beschäftigten konnten gleichermaßen von der Homeoffice-Option profitieren. Vor allem höher Gebildete mit nicht-manuellen Berufen hatten die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten. Beschäftigte in Berufen mit direktem Kundenkontakt oder körperlicher Arbeit – etwa im Einzelhandel oder in der Produktion – mussten weiterhin vor Ort arbeiten. Die aktuellen Forschungsergebnisse zeigen, wie sich diese bereits bestehenden sozialen Ungleichheiten durch die Pandemie weiter verfestigten. Erwerbstätige mit höherer Bildung arbeiten weitaus häufiger im Homeoffice als jene mit niedrigen Bildungsabschlüssen.

Traditionelle Geschlechterrollen bleiben bestehen

Die wissenschaftlichen Auswertungen offenbaren, dass die Pandemie kurzfristig für eine Verschiebung sorgte: Väter übernahmen mehr Kinderbetreuung, vor allem wenn sie im Homeoffice oder in Kurzarbeit waren. Der Großteil der Hausarbeit blieb jedoch weiterhin den Müttern überlassen, ebenso die Kinderbetreuung. "Während des ersten Lockdowns widmeten Mütter den Kindern besonders viel Zeit – bis zu acht Stunden täglich", berichtet Berghammer. In Summe verbrachten sie durchschnittlich 13 Stunden mit häuslichen und beruflichen Pflichten. Das machte sich in der Lebenszufriedenheit der Frauen spürbar. "Während der Pandemie lag die Lebenszufriedenheit der Frauen durchwegs niedriger als jene der Männer."

Verpasste Chancen?

Die Pandemie hatte das Potenzial, mehr Gleichberechtigung in der Arbeitsteilung zu schaffen. Berghammers Analysen zeigen allerdings vorerst ein anderes Bild: Auch wenn manche Männer in dieser Zeit neue Erfahrungen mit Care-Arbeit machten, kehrten viele Familien nach der Pandemie zu den traditionellen Rollenbildern zurück. "Obwohl sich kurzfristig einiges verändert hat, sind tief verankerte Vorstellungen und institutionelle Rahmenbedingungen nur schwer zu durchbrechen", lautet die Erklärung der Wissenschaftlerin.

Ob sich langfristig neue Muster durch flexiblere Arbeitsmodelle etablieren, sollen weitere Studien klären, die Berghammer in einem vom Europäischen Forschungsrat ERC geförderten Projekt fortführt. Fest steht: Wer im Homeoffice arbeitet, hängt stark von Beruf und sozialem Status ab. Die Frage der Geschlechtergerechtigkeit bleibt vorerst weiter ungelöst, solange sich Strukturen – von Lohnunterschieden bis hin zu Betreuungsmöglichkeiten – nicht grundlegend ändern.

Erstveröffentlichung auf Scilog.

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