OSLO. (hpd) Die Generalsekretärin der Humanistischen Vereinigung Norwegens, (Human Etisk Forbund, HEF), Kristin Mile, zog eine kritische Bilanz nach der Reform des Staatskirchensystems in Norwegen. Sie sieht darin ein schlechtes Vorbild für Staaten im arabischen Raum, die auf dem Weg zu einer Demokratie sind.
Am Montag hat Norwegens Parlament eine Verfassungsänderung verabschiedet, die einige Reformen zur Trennung von Staat und Religion beinhaltet. So wird die Evangelisch-lutherische Kirche Norwegens zukünftig ihre Bischöfe und Dekane selbst ernennen. Eine Quotenregelung, welche die Beteiligung von Kirchenmitgliedern in der Regierung sicherte, wurde aufgehoben. Statt auf eine „öffentliche Religion des Staates“ bezieht sich die Verfassung nun auf eine „nationale Kirche“.
Insgesamt blieb das bisherige System aber weitgehend unangetastet, weshalb Beobachter die Reform als keine echte Verfassungsänderung beurteilten. Dementsprechend zeigten sich die Vertreter der christlich-demokratischen Volkspartei (Kristelig Folkeparti) laut dem Magazin Fritanke mit den Änderungen zufrieden.
Für eine echte Trennung von Staat und Kirche ist es noch ein langer Weg
Auch Kristin Mile, Generalsekretärin von Human-Etisk Forbund (HEF), hat diese Tatsache in einer aktuellen Stellungnahme unterstrichen. Man habe immer noch eine Art Staatskirche in Norwegen, so Mile. Seitens des HEF wurden die jüngsten Modifikationen prinzipiell begrüßt, gleichzeitig aber betont, dass für eine echte Trennung von Staat und Kirche in Norwegen noch ein langer Weg zu gehen sei. Die Änderungen seien weit weg von dem, was der HEF und andere säkulare Organisationen wollten.
Denn unter anderem muss das Staatsoberhaupt weiterhin das lutherische Bekenntnis haben, die Geistlichen sind weiterhin beim Staat angestellt und werden direkt aus dem Haushalt bezahlt. Eine Menge von Verbindungen zwischen Staat und der Kirche Norwegens bleiben bestehen, die selbst aus deutscher Perspektive erstaunlich rückständig erscheinen können. Beim HEF sieht man auch, dass durch die Neufassung verschiedener Regelungen viele Aussagen zum traditionellen Staatskirchensystem nochmals bekräftigt wurden.
„Es ist traurig, dass wir es nicht geschafft haben, nach all den Berichten und Gesprächen, darüber hinaus zu kommen“, sagte Mile. Der neue Bezug der Verfassung auf eine nationale Kirche sei rückwärtsgewandt und stehe nicht im Einklag mit Norwegens Nachbarländern, die sich in der Vergangenheit deutlicher von den alten Staatskirchensystemen abgewandt hatten.
„Insgesamt ergibt sich der bedauerliche Eindruck, dass Norwegen und die norwegische Identität sich mit dem Christentum deckt“, kritisierte Mile und bezeichnete das als „nicht akzeptabel in einer pluralistischen Gesellschaft“. Als positivsten Aspekt nannte sie, dass die religiösen und weltanschaulichen Gemeinschaften außerhalb der Kirche zukünftig in gleicher Weise unterstützt würden. Bisherige Gleichbehandlungen wurden gewohnheitsrechtlich praktiziert.
Die HEF-Generalsekretärin bemängelte weiter, dass die Abgeordneten sich bei den Debatten im Parlament nicht auf die Auswirkungen und Folgen für den Staat konzentriert hätten. Primär seien die Folgen mit Blick auf die Kirche diskutiert worden, obwohl die Parlamentarier als Repräsentanten des Staates und nicht einer Religion gewählt werden. Die Perspektive darauf, wie ein säkulares System vernünftigerweise gestaltet werden sollte, sei in den Diskussionen aber letztlich zu oft verloren gegangen.
Große Sorge äußerte Mile auch über den Eindruck, welcher durch die Politik im Ausland entstehen könne. Sie glaubt, gerade für die jungen Demokratien wie solche, die im Zuge des „Arabischen Frühlings“ zu wachsen begannen, werde es bei Zuständen wie in Norwegen schwieriger, in ihren politischen Systemen säkulare Prinzipien zu verankern und die Religion aus dem Staatsapparat heraus zu halten.
„Das schwächt unsere Glaubwürdigkeit im Ausland“, bilanzierte Kristin Mile diesen Aspekt des auch nach der Verfassungsänderung fortbestehenden Staatskirchensystems. „Ich hatte gehofft, wird würden mehr erreichen, aber wir haben es leider nicht geschafft.“ Die Generalsekretärin des HEF betonte, man wolle nicht ruhen, bis eine scharfe und klare Trennung zwischen Kirche und Staat in Norwegen erreicht sei.
Arik Platzek