Die heilige Ethik in Österreich

Alles anders, sagen die Religionsvertreter – oder auch nicht

Derlei Gedanken weist Christine Mann, Leiter des Schulamts der Erzdiözese Wien gegenüber dem hpd weit von sich. „In den kirchlichen Vorstellungen, auch basierend auf europäischen Beispielen, ist dieser Ethikunterricht keinesfalls, wie Sie offensichtlich meinen, nur für konfessionsfreie SchülerInnen vorgesehen, denen wir übrigens auch keinesfalls mangelndes Ethos unterstellen - die erste und wesentlichste ethische Erziehung geschieht ja (hoffentlich!) im Elternhaus, der Schule kommt dann eher im Bereich der ethischen Bildung nochmals ergänzend Bedeutung zu. Und da es niemandem schadet, sich mit ethischen Grundsatzfragen zu beschäftigen und es für etliche SchülerInnen aus verschiedenen Gründen keinen Religionsunterricht gibt oder diese sich, bzw. ihre Eltern sie von ihrem jeweiligen konfessionellen Religionsunterricht abmelden (aus welchen Gründen auch immer), erachten wir für auch diese SchülerInnen eine Reflexion im Bereich formaler und materialer Ethik als sinnvoll - eben in Form einer Alternative "Ethik" (die Gegenstandsbezeichnung ist ja nur ein Arbeitstitel, wie die zahlreichen Namensgebungen allein schon im deutschen Sprachraum zeigen). Dies aber auch deshalb, weil in pluralistischer Gesellschaft eben nicht mehr alle Menschen ihre Werte religiös begründen, sondern auch eine säkulare Wertbegründung wichtig geworden ist.“ Und sie gesteht zu: „Für SchülerInnen ohne religiöses Bekenntnis kann es überhaupt keinen Ersatzgegenstand für den Religionsunterricht geben“.

Was die Frage nicht klärt, warum die Religionsgemeinschaften justament das einfordern. Und vor allem nicht, warum sie sich dagegen sträuben, dass auch die Kinder ihrer Mitglieder in den Genuss dieses Unterrichts kommen.

Vorsichtige Schmied-Unterstützung von Säkularen

Österreichs Säkulare stoßen sich daran, dass die religiöse Seite die Alternative Religion vs. Ethik ins Spiel bringt. Beide Fächer seien nicht vergleichbar, sagt Physiker Heinz Oberhummer in einer Aussendung der Initiative „Religion ist Privatsache“ (http://www.religion-ist-privatsache.at/news/news-detail/archive/ethikunt...). Das sei „lächerlich, einer aufgeklärten Gesellschaft nicht würdig und politisch motiviert. Wer heute behauptet, dass Bibel- oder Koranstunden einen gleichwertigen Ersatz für einen fundierten und weltanschaulich neutralen Ethikunterricht liefern, wird als Nächstes für den Kreationismus als Ersatz für das Pflichtfach ‚Biologie’ eintreten“ sagt Oberhummer. Er stößt sich auch daran, dass christkonservative ÖVP und Religionsgemeinschaften Religionslehrer als Ethiklehrer einsetzen: „Gegen den offenen oder verdeckten Einsatz von Religionslehrern als Ethiklehrer wird die Initiative gegebenenfalls juristisch vorgehen.“

Wenig überraschend zeigt sich die Initiative dem Vorstoß Schmieds nicht ganz abgeneigt. Vorstandsmitglied Eytan Reif formuliert es als „vorsichtige Unterstützung. Es war höchste Zeit, dass auch von Seiten eines Regierungsmitgliedes in dieser Sache klare, ehrliche und vor allem demokratische Worte gesagt werden“. Euphorie sei verfrüht. „In Anbetracht der ablehnenden Haltung der ÖVP und des von ihr, ob direkt oder über Vorfeldorganisationen, heftig betriebenen pro-religiösen Lobbyismus, dürfte in Sachen Ethikunterricht noch ein heißer Herbst bevorstehen“.

Christoph Baumgarten