Qualifizierte Kontroverse

Analysefähigkeit

Armin Pfahl-Traughber vermisste ausreichende Analysefähigkeit beim Verfassungsschutz. Schon während seiner Zeit beim Kölner Bundesamt hatte er dafür gekämpft, dass es nicht darauf ankomme, möglichst viele Informationen zu verwalten - sondern sie angemessen zu analysieren und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen.

Catrin Rieband pflichtete ihm bei: hier gebe es auch beim hessischen Verfassungsschutz noch manches zu tun. Sie plädierte für eine verbesserte Weiterbildung des Personals: manche Mitarbeiter durchliefen eine spezielle Agentenausbildung, andere kämen von der Polizei - doch wieder andere sind z.B. ehemalige Postbeamte. Da wäre eine gründlichere Weiterbildung als bislang angesagt.

Zu den ehemaligen Postbeamten gehörte auch der berühmt-berüchtigte "kleine Adolf" Andreas T., der beim Kasseler "Dönermord" zugegen war - wie Gössner und Quent anmerkten. Inzwischen hat sich der hessische Verfassungsschutz von ihm getrennt - doch hatte er die Sicherheitsüberprüfung der Stufe 3 bestanden, wie Frau Rieband ausführte. Dabei wird nicht nur die Person selbst, sondern auch ihr Umfeld, ihre Freunde oder Nachbarn befragt. Dabei sei im Falle Andreas T. nichts Auffälliges bekannt geworden. Es gebe eben kein hunderprozentig sicheres System - hier bildet Hessen dann doch keine Ausnahme.

Was ist ein V-Mann wert?

An den V-Leuten schieden sich die Geister. Mehrere Hundert Euro erhielten sie pro Monat für ihre Spitzeldienste - jedenfalls nicht so viel, dass man alleine davon leben könne, so Frau Rieband. Tickt Hessen da anders? Im Nachbarland Thüringen kassierte Tino Brand alias "Otto" 200.000 Euro (steuerfrei) in sechs Jahren und ex-NPD-Vorstandsmitglied Wolfgang Frenz ("Die Schlapphut-Affäre") beteuert, stets die Hälfte an die Parteikasse abgeführt zu haben.

Gössner wies darauf hin, dass das Spitzelwesen grundsätzlich nicht mit den demokratischen Prinzipien Transparenz und öffentlicher Kontrolle vereinbar ist. Pfahl-Traughber spielte das als Gedankenexperiment mal durch: was wäre, wenn man auf V-Leute verzichten würde? Die Skandale würden bekannt, nicht aber die Erfolge. So habe man ein Attentat auf die Münchner Synagoge verhindern können - dank Hinweisen von V-Leuten. Wenn man auf die verzichte, dann müsse man dazusagen, dass man solche Attentate wie das vereitelte in Kauf nehme. Doch der Widerspruch folgte umgehend: gerade im Falle des NSU sei der Verfassungsschutz bestmöglich vernetzt gewesen - und habe vor nichts und niemandem gewarnt.

Die Diskussion auf dem Podium dauerte weit über eine Stunde - und wurde keine Minute langweilig: stets sachlich, Moderator Menne sorgte dafür, dass jeder zu Wort kam, stets ausreden konnte. Doch irgendwann scharrte das Publikum mit den Füßen - zwei Fragerunden, an denen sich u.a. der ehemalige hessische Justizminister Rupert von Plottnitz oder der Geschäftsführer der Partei "Die Partei" Jan Steffen beteiligten. Mit rund 140 bis 150 Gästen war das "Rundschau"-Foyer bestens besucht. So gelungen, wie das Podium es war, hatte es das auch verdient. Dank an die Sebastian-Cobler-Stiftung, die mit ihrer finanziellen Unterstützung eine solche Podiumsdiskussion ermöglicht hat.

Oliver Kalldewey