Weiße Rassisten weltweit verwenden den Begriff "Arier" als allgemeine Bezeichnung für nichtjüdische weiße Menschen. Dies zeigt, wie tief der Glaube an eine "arische Überrasse" in einigen Bevölkerungsgruppen noch eingebrannt ist: das Volk der großen, blonden und blauäugigen Übermenschen, die sich angeblich mit den Germanen vermischt haben und somit Vorfahren der deutschstämmigen Menschen sein sollen. Aber stimmt dies? Steckt in den Deutschen tatsächlich arisches Blut? Und wer waren die Arier wirklich? Die Recherche führt tief in die Vergangenheit. Und weit weg von Deutschland.
Was wir über die Arier wissen? Leider nicht viel. Die frühen Siedlungsorte und Migrationsbewegungen der Arier werden in der Forschung nach wie vor diskutiert. Die archäologischen und linguistischen Belege lassen Raum für unterschiedliche Interpretationen. Die frühesten Hinweise auf die Arier deuten auf Zentralasien als Ursprungsregion hin. Dies basiert auf den Analysen heiliger Texte wie der Veden und des Avesta, die auf die Existenz eines zentralasiatischen Hirtenvolkes hindeuten, das sich selbst als "Aryas" bezeichnete.
Eine weitere Theorie geht von einer gemeinsamen Urheimat der indoiranischen Völker vor ihrer Aufspaltung aus. Diese Urheimat wird als "Airyanem Vaejah" (was in etwa "Das weite Land der Arier" bedeutet) bezeichnet und könnte die Heimat einer einheitlichen Gruppe vor der Trennung in indische und iranische Zweige gewesen sein. Diese Theorie basiert auf Ähnlichkeiten in Sprache und religiösen Konzepten zwischen Avesta und Rigveda.
Problematisch an dieser Theorie ist, dass aufgrund des religiösen Charakters der ältesten Texte nicht bewiesen werden kann, dass "Arier" ursprünglich eine ethnische Gruppe bezeichnete. Der Begriff könnte eher eine kulturelle oder sprachliche Gemeinschaft beschrieben haben.
Die sogenannte "Steppenhypothese" ist heute am weitesten verbreitet. Sie verortet die Urheimat der indoeuropäischen Völker in den Steppengebieten nördlich des Schwarzen und Kaspischen Meeres. Diese These stützt sich auf Ausgrabungen in der ehemaligen Sowjetunion, im Iran, in Afghanistan und Pakistan, die neue Erkenntnisse über frühe Siedlungen erbracht haben.
In deutsch- und englischsprachigen Ländern gab es Anfang des 20. Jahrhunderts eine Strömung, in der die zentralasiatische Herkunftstheorie abgelehnt und stattdessen eine Herkunft aus Norddeutschland oder Skandinavien präferiert wurde. Zu nennen sind hier der Archäologe Gustaf Kossinna und der Indogermanist Hermann Hirt, die ihre Thesen 1902 beziehungsweise 1905 vorlegten.
Die Annahme einer nordeuropäischen Herkunft wurde mit der Vorstellung verknüpft, dass Menschen "nordischen" Aussehens die "reinste Ausprägung" des ethnischen Ariers seien. Dies öffnete die vergleichende Sprachwissenschaft für das Eindringen völkisch-rassistischer Theorien, die sich so mit einer scheinbar wissenschaftlichen Legitimation ausstatten konnten. Dies gelang allerdings nicht wirklich, wurden diese Außenseitertheorien von der Wissenschaft doch überwiegend abgelehnt.
Die Arier in Persien und Indien
Die arischen Stämme wanderten etwa um 1500 vor unserer Zeit nach Persien ein. Sie brachten ihre eigene Kultur, Religion und Sprache mit, die sich im Laufe der Zeit mit den bereits ansässigen Kulturen vermischten. Es handelte sich dabei nicht um einen großen Zuwanderungsschub, sondern eher um eine stetige Zuwanderung, die sich über Jahrhunderte hin erstreckte.
In der sich entwickelnden persischen Gesellschaft nahmen viele Arier einflussreiche Positionen in Militär, Priesterklasse und Wirtschaft ein. So spielten arische Priester eine wichtige Rolle in der religiösen Hierarchie und einige Arier wurden zu bedeutenden Grundbesitzen. Allerdings gehörte nur ein kleiner Teil zu dieser prägenden Oberschicht. Ebenso gab es einfache Bauern und Handwerker arischer Abstammung.
Die Arier hatten einen prägenden Einfluss auf die Entwicklung der persischen Kultur. So wurde das Altpersische, eine indoiranische Sprache, zur dominanten Sprache. Auch vermischten sich die religiösen Vorstellungen der Arier mit lokalen Glaubensformen und trugen zur Entwicklung des Zoroastrismus bei. Zudem beeinflussten arische Konzepte die soziale Organisation der Gesellschaft.
In späteren Epochen, insbesondere unter den Achämeniden (6. Jahrhundert v.u.Z. – 4. Jahrhundert u.Z.), wurde der Begriff "Arier" zu einem wichtigen Element der Herrschaftsideologie. Er diente weniger als ethnische Bezeichnung, sondern vielmehr als Ausdruck eines besonderen Status, den die persischen Könige für sich beanspruchten. In offiziellen Inschriften bezeichneten sich die persischen Herrscher selbst als "Arier", so etwa Darius I. in der Behistun-Inschrift.
Die Migration der Arier nach Indien verlief ähnlich. Die Arier kamen nicht als eine einzige große Invasionswelle, sondern wanderten über einen längeren Zeitraum ab etwa 1500 vor unserer Zeit in mehreren Wellen beispielsweise über den Hindukusch nach Nordwestindien ein. Dies ermöglichte eine schrittweise Interaktion mit der bestehenden Kultur. Die arischen Sprachen, insbesondere das Sanskrit, vermischten sich mit den lokalen Sprachen. Dies führte zur Entwicklung der indoarischen Sprachfamilie, die heute in Nordindien dominiert.
Es kam zu einem gegenseitigen Austausch von Wissen, Traditionen und Praktiken zwischen den Ariern und der einheimischen Bevölkerung. So verschmolz die vedische Religion der Arier mit den lokalen Glaubensvorstellungen, was zur Entwicklung des Hinduismus beitrug, der Elemente beider Kulturen enthält. Auch die mündlich überlieferten vedischen Texte wurden Teil der indischen Literatur und Philosophie. Ebenso wurde das arische Kastensystem (Varna-System) mit der Zeit in die bestehende Gesellschaftsordnung integriert und weiterentwickelt. Die Vermischung der Arier mit der einheimischen Bevölkerung führte zu einer heterogenen Gesellschaft.
Wie die Arier zu Übermenschen wurden
Der Begriff "Arier" wurde erstmals im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts in Europa von Abraham Hyacinthe Anquetil-Duperron eingeführt, als er das Zend-Avesta, die Sammlung der heiligen Schriften der zoroastrischen Religion, ins Französische übersetzte. Im Deutschen taucht der Begriff zum ersten Mal in den religionshistorischen Schriften von Johann Gottlieb Rhode auf. Friedrich Schlegel erweiterte 1819 den Begriff "Arier" auf die alten Inder, Griechen und Germanen. Der norwegische Indologe Christian Lassen verwendete den Begriff "arisch" dann erstmals spezifisch für die "Indoeuropäer". Diese Erweiterung beruhte größtenteils auf Lesefehlern und Übersetzungsfehlern.
Zu dieser Zeit wurden die Begriffe "indogermanisch", "indoeuropäisch" und "arisch" in der Sprach- und Kulturforschung gleichwertig verwendet. Ursprünglich diente der Begriff "Arier" im 19. Jahrhundert europäischen Gelehrten dazu, indoeuropäische oder indogermanische Völker zu bezeichnen, wobei er sich auf sprachliche Ähnlichkeiten zwischen den meisten europäischen Sprachen, dem Sanskrit und dem Farsi bezog.
1853 dehnte Joseph Arthur de Gobineau den Begriff "Arier" beziehungsweise "arisch" auf die Anthropologie und die entstehende Rassenlehre aus. In seinem Werk "Essai sur l'inégalité des races humaines" ("Versuch über die Ungleichheit der Rassen") sprach er erstmals von einer "arischen Herrenrasse", die anderen Rassen überlegen sei und dazu bestimmt wäre, über diese zu herrschen. Gobineau fügte außerdem das nordeuropäische Bild des großen, blonden und blauäugigen "Übermenschen" hinzu. Zu Beginn seines Essays argumentierte Gobineau, dass der wahre Grund für den Zerfall von Reichen und Staaten nicht in Verweichlichung, Dekadenz oder Sittenlosigkeit liege, wie viele seiner Zeitgenossen behaupteten, sondern in der Vermischung der Rassen, die zur Entstehung "degenerierter" oder "entarteter" Mischlinge führe. Dies begründete er mit seiner Annahme, dass die drei seiner Meinung nach existierenden großen Menschenrassen aufgrund physiologischer Unterschiede unterschiedliche Wertigkeiten aufwiesen.
Auch Houston Stewart Chamberlain spielte mit seinem 1899 erschienenen Buch "Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts" eine bedeutende Rolle bei der Verbreitung und Radikalisierung des Begriffs "Arier" im rassistischen Sinne. Es galt als einer der drei Klassiker des Antisemitismus im wilhelminischen Deutschland. Bis 1944 wurden die "Grundlagen" in 24 Auflagen gedruckt.
Chamberlain verband nicht nur den Antisemitismus mit dem Mythos von der arischen Überlegenheit, sondern behauptete auch, die "germanische Herrenrasse" sei die einzig kulturschöpfende, technisch begabte und staatsbildende Kraft in der Geschichte. Dazu behauptete er, dass Jesus kein Jude, sondern Arier gewesen sei, und propagierte die Idee eines "arischen Christentums".
Die Vorstellungen Gobineaus und Chamberlains basieren auf rassistischen Pseudowissenschaften und entbehren jeder wissenschaftlichen Grundlage. Die tatsächlichen historischen Arier waren eine heterogene Gruppe von Völkern mit unterschiedlichen physischen Merkmalen.
Helena Blavatsky und die Arier
Helena Petrowna Blavatsky, die Erfinderin der Theosophie, hatte ebenfalls ihre ganz speziellen Ideen zu den Ariern. In ihrem 1888 erschienenen Buch "The Secret Doctrine – the Synthesis of Science, Religion, and Philosophy" ("Die Geheimlehre") führt sie ihr esoterisches Konzept der "Wurzelrassen" aus. Die "arische Wurzelrasse" sei demnach das gegenwärtige Stadium in der Entwicklung der Menschheit. Blavatsky beschreibt, wie ein Teil überirdischer Wesen die "arische Rasse" begründete. Sie stellt die Arier als Nachkommen einer Rasse von riesenhaften "Schatten der Götter" dar. Diese seien am Nordpol auf die Erde herabgestiegen.
Blavatsky entwickelte ein System, das anderen Völkern eine Minderwertigkeit im Vergleich zu den Ariern zuschrieb. In späteren theosophischen Texten wurden beispielsweise die Semiten als die am wenigsten entwickelte Rasse dargestellt.
Natürlich sind Blavatskys Thesen pseudowissenschaftlich und werden von der modernen Wissenschaft abgelehnt. Ihre Ideen trugen jedoch zur Verbreitung rassistischer Konzepte bei, die immer wieder aufgegriffen wurden. Heutige Theorien zur indoeuropäischen Expansion basieren auf interdisziplinären Forschungsergebnissen und vermeiden jegliche Wertung oder Hierarchisierung von Völkern oder Kulturen. Von daher soll die Erwähnung an dieser Stelle nur ein Exkurs sein.
Die Nationalsozialisten und die Arier
Die Nationalsozialisten lehnten die Steppen- und die Zentralasientheorie als Urheimat der Arier ab und orientierten sich an den Stimmen, die Nordeuropa beziehungsweise Norddeutschland als Herkunft sahen. Daraus resultierend übernahmen sie auch die Gobineau'sche Vorstellung der nordischen Herrenrasse. Besonders Alfred Rosenberg war mit seinem 1930 erschienenen Buch "Der Mythus des 20. Jahrhunderts" führender Vertreter der arischen Rassenideologie.
In diesem Buch fordert Rosenberg die Schaffung einer neuen "Religion des Blutes", die das "verjudete" Christentum ersetzen sollte. Er griff auch die von Houston Stewart Chamberlain begründete angebliche Feindschaft zwischen dem "edlen und reinen" Arier und dem "durchtriebenen" Juden auf und verstärkte diese ideologisch. Rosenberg teilte die Völker in drei Kategorien ein: "kulturschaffend", "kulturbewahrend" und "kulturzerstörend". Diese Einteilung wurde auch von Adolf Hitler in seinen Reden oft zitiert.
Rosenbergs Ziel war die Züchtung einer "reinen arischen Rasse", ohne "fremdrassige Beimischungen", in der eine "Rassenseele" zum Leben erweckt werden sollte. Diese Idee fand später im Lebensborn Anwendung, einem Programm zur Erhöhung der Geburtenrate "arischer" Frauen. Rosenberg betrachtete die "arischen" Deutschen als ein Volk, das aufgrund seiner Stärke dazu bestimmt sei, andere Völker zu unterdrücken und zu führen. Diese Überlegenheit leitete er von einer "arisch-germanischen Rassenseele" ab, die eine besondere Kraft besäße und durch die rücksichtslose Durchsetzung ihres Willens die Herrschaft über andere Völker sichern sollte.
Rosenberg schrieb hierzu: "Dazu bedarf es Mut. Mut eines jeden Einzelnen, Mut des ganzen heranwachsenden Geschlechts, ja vieler noch folgender Generationen. Denn ein Chaos wird nie von Mutlosen gebändigt und noch nie ist von Feiglingen eine Welt gebaut worden. Wer vorwärts will, muß deshalb auch Brücken hinter sich verbrennen. Wer sich auf eine große Wanderung begibt, muß alten Hausrat liegen lassen. Wer ein Höchstes erstrebt, muß Minderes beugen. Und auf alle Zweifel und Fragen kennt der neue Mensch des kommenden Ersten Deutschen Reichs nur eine Antwort: Allein ich will!"
Die Nationalsozialisten übernahmen und verschärften die unhaltbaren Behauptungen einer "überlegenen arischen Rasse", um ihre Politik zu legitimieren. Der Begriff "Arier" diente als Grundlage für die Vorstellung einer deutschen "Herrenrasse" und wurde als Gegensatz zu den Juden verwendet, die als rassische Bedrohung für die deutsche Gesellschaft dargestellt wurden. Dazu kam, dass mit Begründung dieser Rassenideologie das "Allein ich will!" Rosenbergs umgesetzt wurde und als Rechtfertigung für diskriminierende Maßnahmen wie die "Arisierung", also die Enteignung und Verdrängung von Juden aus dem Wirtschaftsleben, diente. Die Vorstellung der "arischen Überlegenheit" wurde genutzt, um Verfolgung und Ermordung von als minderwertig eingestuften Gruppen zu rechtfertigen.
Allerdings wurde der Begriff "Arier" oder die Kategorisierung "arisch" äußerst flexibel verwendet. So galten die Deutschen natürlich als Arier, aber auch andere europäische Nationalitäten wie Italiener, Norweger oder Kroaten. Manche Slawen wurden als "arisch" kategorisiert, aber trotzdem verfolgt. Hier wurde eindeutig "Zweckrassismus" betrieben.
Die Rassenideologie rund um eine vermeintliche arische Überrasse war im Nationalsozialismus ein zentrales Element, um Ausgrenzung, Verfolgung und Völkermord zu rechtfertigen. Durch Hitlerjugend, Bund Deutscher Mädel und all die anderen NS-Gliederungen wurde die Bevölkerung mit dieser Ideologie indoktriniert. Die NS-Schulungsbriefe, der Völkische Beobachter oder andere Propagandaschriften taten ihr übriges dazu.
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