Kunst, Kant und Kekse

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Publikum / Fotos: gbs Köln (Frank Mayer)

KÖLN. (hpd) – Im mit 150 Menschen voll besetzten Kammermusiksaal der Kölner Hochschule für Musik und Tanz ereignete sich am 19. Oktober ein Höhepunkt konfessionsfreier Kultur: Lea Salomon und Michael Schmidt-Salomon lasen gemeinsam aus ihrem Buch „Leibniz war kein Butterkeks – den großen und kleinen Fragen der Philosophie auf der Spur“.

Wie es dem Ort und dem Mitveranstalter, der Kölner Hochschule für Musik und Tanz, angemessen war, gab es zu Beginn eine wundervolle musikalische Einstimmung: die mit vielen Preisen ausgezeichnete Sopranistin Elisabeth von Stritzky, begleitet von der Akademistin der Essener Philharmoniker Christine Stemmler auf der Klarinette und dem mit vielen Auszeichnungen dekorierten Pianisten Christoph Schnackertz, seines Zeichens Begleiter so renommierter Sangesgrößen wie Edda Moser, Christiane Oelze und Christoph Prégardien, interpretierten Franz Schuberts Kunstlied (eher eine musikalische Gesangs-Szene von immerhin knapp 15 Minuten) “Der Hirt auf dem Felsen“. Glockenhell gesungen, zauberhaft dargeboten und von den Veranstaltern geschickt ausgewählt. Am Ende des Abends gestand Michael Schmidt-Salomon, just dieses Stück als Knabensopran selber gesungen zu haben. Leider ließe sich dies aus biologischen Gründen heute nicht mehr wiederholen.

Moderator Burkhard Wepner führte sodann für die Hochschule für Musik und Tanz und die mitveranstaltende Kölner Regionalgruppe der Giordano Bruno Stiftung charmant und treffsicher durchs Programm. Er erinnerte noch einmal, frei nach Goethe, an folgendes Motto: Wer Wissenschaft, Philosophie und Kunst besitze, brauche keine Religion. Nanu? Wird sich mancher fragen, „Leibniz war kein Butterkeks“ erschien doch schon 2011. Jetzt erst eine Lesung? Es war ein reizvolles Experiment, über ein Jahr nach seinem Erscheinen zu überprüfen, ob das Buch seine Leser noch zu fesseln vermag. Um es gleich vorweg zu nehmen: Ja, es vermag! Und wie.

In erfrischend lockerer Dialogform warfen sich Vater und Tochter die philosophischen Stichworte zu und kreuzten die Klingen. Sie erklärten den pfiffig durchdachten Aufbau des Buches: Die Tochter zwingt den Philosophen-Vater so zu formulieren, dass sie nicht nur „Bahnhof“ versteht, sondern so, als spräche er zu ihr. Es entstanden 17 Gespräche über Grundfragen der Philosophie, mit anschließenden „Wissensinseln“, in denen Leser Hintergrundinformationen und Literaturanregungen zum Weiterlesen finden. Das erste Kapitel stellten sie sodann gründlich vor:

Sein oder Nicht Sein – die ewig junge Frage.

Gibt es einen Grund dafür, dass wir existieren? Warum gibt es nicht einfach Nichts? Humorvoll, und doch verständnistief, mit ironischem Augenzwinkern, aber doch immer auf den Punkt genau, wurde hier von beiden argumentiert – das Publikum lauschte gebannt. Ein solches Buch hat wirklich gefehlt. Die Dialogform erweist sich schlicht als genial. Das In-Frage-Stellen, Todfeind aller religiösen und ideologischen Dogmen, wird hier mit einer Virtuosität zelebriert, die ihresgleichen sucht. Warum macht Sex Spaß, Sterben aber nicht? Ist es vernünftig, immer vernünftig zu sein? Muss Leben einen Sinn haben? Ein Genuss für alle, die Lust am wilden, ungehemmten Denken und Nachdenken haben, am Gründlich-sein, am Anregen und Aufregen, am Anstoßen und Vernünftig-sein.

Nach langanhaltendem Applaus entspann sich eine angeregte Diskussion. Lea Salomon berichtete bei aller Leichtigkeit und Freude an der Entstehung des Buches auch von Ängsten um ihren Vater, als dieser Drohbriefe wegen seiner Religionskritik erhielt. Als die Giordano-Bruno-Stiftung, deren Mitbegründer und Vorstandssprecher Schmidt-Salomon ist, bei der Gründung des Zentralrates der Ex-Muslime half, seien diese Ängste besonders begründet gewesen. Starker Applaus für den damaligen und heutigen Mut, sich diesen Ängsten nicht zu beugen, sondern tapfer zu stellen!

Die anwesende Politikerin Ingrid Matthäus-Maier fragte, ob sich Atheismus und Agnostizismus mit einander vereinbaren ließen? Michael Schmidt-Salomon: Aber selbstverständlich. Der Agnostiker schere sich schließlich um Argumente. Wenn ihm vernünftig nachgewiesen werde, dass ein Gott existiere, der mit den Naturgesetzen übereinstimme, werde er sich von diesen Argumenten überzeugen lassen. Bis dahin dürfe man ihn als „agnostischen Atheisten“ bezeichnen.

Daughters are doing it for themselves!

Besucherin Helen Maier fragte Lea Salomon, ob das Butterkeks- Buchprojekt sie verändert habe? Lea Salomon: Und ob! Früher sei sie ein Teenager gewesen, der sich weiße Handtäschchen und Hündchen à la Paris Hilton gewünscht habe. Inzwischen studiere sie Philosophie. Zustimmendes Raunen im Publikum. Wohl wahr: Die Geschichte der Philosophie und der sie Prägenden ist bislang eindeutig eine Männerdomäne. Von Epikur, Platon, Sokrates, über Spinoza, Kant und Schopenhauer, Darwin und Freud bis hinzu Richard Dawkins. Man muss schon immer lange suchen, ehe mal eine Hypatia oder Hannah Arendt erwähnt werden. Die Geschichte des Backens von Butterkeksen ist dagegen eher keine Männerdomäne…

Liebe Frauen: Für die Zukunft der Menschheit ist die Philosophie viel zu wichtig, um sie alleine den Männern zu überlassen!

Wurden wir vielleicht Zeugen der Geburtsstunde einer großen Philosophin? Liebe Lea Salomon: Unbedingt weiter studieren. Nachdenken. Weiterdenken. Schreiben. Veröffentlichen. Weiterent-wickeln. Und allen jungen Eltern sei ans Herz gelegt: Bringt euren Söhnen bei, wie man Butterkekse backt, und euren Töchtern, Philosophie zu veröffentlichen!

Wird es eine Fortsetzung des Buches geben?
Michael Schmidt-Salomon: „Jetzt lassen wir Lea erst mal studieren. Und dann sehen wir weiter.“

Wir sind gespannt. Wir sind sogar sehr gespannt.

Im Anschluss an die lebendige Diskussion signierten Lea Salomon und Michael Schmidt-Salomon noch für ihr Kölner Publikum. Am Ende war „Leibniz war kein Butterkeks“ am Büchertisch ausverkauft. 1:0 für die Philosophie!

Nachdenken ist eben nicht nur viel vernünftiger als nachbeten, es macht auch viel mehr Spaß.

Frank Hichert