Pfleger müssen nicht katholisch sein

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Arbeitsgericht Aachen. Innenhalle des Justizzentrums Aachen / Foto: arbg-aachen.nrw.de

AACHEN. (hpd) Einen Intensivpfleger aufgrund seiner Konfessionslosigkeit nicht einzustellen, stellt eine Diskriminierung im Sinne des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes (AGG) dar. Das Arbeitsgericht Aachen befand in seinem (soeben veröffentlichten) Urteil vom 13.12.2012 (Az 2 Ca 4226/11), dass die katholische Klinik selbst nach ihren eigenen Regeln keine Kirchenmitgliedschaft hätte fordern dürfen.

Somit wäre für die verkündigungsfernen Berufe Schluss mit katholischen Stellenprofilen, in denen das gefordert wird.

Kirchliche Arbeitsverhältnisse basieren auf der „Grundordnung des kirchlichen Dienstes“ aus 1993, die sämtliche Loyalitätspflichten der Beschäftigten beziehungsweise der Bewerber festlegt. Interessanterweise befindet nun zum ersten Mal ein Arbeitsgericht, dass katholische Arbeitgeber nach ihren eigenen Vorgaben in § 3 der Grundordnung eine Mitgliedschaft in der katholischen Kirche „nur bei der Besetzung von Stellen im pastoralen, katechetischen sowie in der Regel im erzieherischen Bereich und bei leitenden Aufgaben“ verlangen dürfen. „Bei allen übrigen Stellen reicht es aus, dass der Bewerber sicherstellt, den besonderen Auftrag glaubwürdig zu erfüllen.“ Das habe man im Falle des Klägers noch nicht einmal überprüft, sondern sich zu unrecht lediglich an das formelle Kriterium der Kirchenmitgliedschaft gehalten.

Kirchliches Selbstbestimmungsrecht

Der Pfleger wollte die Ablehnung nach erfolgreicher Hospitation und Stellenzusage vom September 2011 nicht auf sich sitzen lassen und klagte. Er erhielt Rechtsschutz von seiner Gewerkschaft Deutscher Beamtenbund und Tarifunion. Deren Rechtsanwalt Buchholz begründete den Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach dem AGG damit, dass es sich bei der Tätigkeit als Krankenpfleger um eine verkündigungsferne Tätigkeit handelt. Das Berufsbild unterscheide sich in den konfessionellen und den nicht-konfessionellen Krankenhäusern in keinster Weise. Das gelte sowohl für die fachliche Pflege von Kranken wie auch für die Grundsätze der Medizinethik.

Die Anwälte der katholischen Gemeinde argumentierten, die Kirche dürfe selbst entscheiden, in welchen Berufen und Positionen der Glaube und die Religionszugehörigkeit von Bedeutung seien. Schließlich betreue ein Krankenpfleger Patienten und gebe auch christliche Werte weiter.

Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht wollte das Gericht keinesfalls einschränken. Man könne als weltliches Gericht aber sehr wohl darüber urteilen, ob die Kirche sich an die eigenen Regeln halte.

Was den Anspruch auf Deutungshoheit in Sachen ethischer Werte betrifft, erhielten die katholischen Vertreter eine klare Absage. Denn dem Gericht „erschließe sich nicht ansatzweise, aus welchem Grund der Kläger als Krankenpfleger, der zu keinem Zeitpunkt Mitglied einer Religionsgemeinschaft war, es deshalb per se an Berufsethos und Engagement sowie Mitgefühl und Menschlichkeit fehlen lassen soll. (…) Die Kammer vermag sich nicht vorzustellen, dass es einem Krankenpfleger an Stärke oder Willen fehlen soll, tiefe Krisen von Patienten mitzutragen und menschenwürdig und im Sinne tätiger Nächstenliebe und Barmherzigkeit zu gestalten, nur weil er noch nie formal Mitglied dieser Kirche war. Christliche Grundwerte erhält man nicht durch den Eintritt in die katholische Kirche, genauso können diese Werte nicht bei einer Person als vorhanden angenommen werden, nur weil sie Mitglied der katholischen Kirche ist. Es ist nicht von vornherein auszuschließen, dass diese Grundwerte auch bei Menschen anzutreffen sind, die – aus welchen Gründen auch immer - nicht Mitglied der Kirche geworden sind.“

Diskriminierungsschutz

Die betreffende Kirchenklausel des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetztes (§9 AGG) legt das kirchliche Selbstbestimmungsrecht zu weit aus, weil es keinen Unterschied anhand der Verkündigungsnähe der Tätigkeiten vorschreibt. Ob die deutsche Umsetzung damit von der Vorgabe in Form einer EU-Richtlinie abweicht, ist jedoch umstritten. Das bestätigen die Aachener Richter und bezeichnen die Rechtslage als weitgehend ungeklärt. Trotzdem sahen sie „keine Veranlassung, die vorstehend aufgeworfene Frage der richtlinienkonformen Auslegung abschließend zu beantworten.“

Denn selbst wenn die Kirche für alle Berufsgruppen selbst bestimmen dürfte, wen sie ausgrenzen darf, so müsse sie sich bei ihren Einstellungsentscheidungen trotzdem an ihrer Grundordnung, und „den dort festgelegten Kriterien messen lassen.“

Klagewelle

Demnach könnten Arbeitgeber, die eine Kirchenzugehörigkeit in Stellenanzeigen für Pfleger, Hausmeister, Küchenhilfen, Ärzte, Sozialarbeiter, Putzkräfte usw. fordern, auf der Basis des Aachener Urteils wegen Diskriminierung angeklagt werden. Der Aachener Pfleger hat zwar nur eine geringe Entschädigung erhalten, aber man wolle damit eine abschreckende Wirkung erzielen, um Arbeitgeber von künftigen Diskriminierungen abzuhalten, so das Gericht.

Ob es so weit kommen wird, wissen wir erst Ende März, denn bis dahin hat die Kirche Zeit, in Berufung zu gehen.

Corinna Gekeler

Mehr zum Hintergrund und ausführliche Interviews mit dem Kläger und seinem Anwalt im Sachbuch "Loyal Dienen - Diskriminierendes Arbeitsrecht bei Caritas, Diakonie und Co." im Alibri Verlag (ISBN 978-3-86569-117-0) von Corinna Gekeler, das im Frühjahr 2013 erscheint.