Lesung und Diskussionsabend mit Peter Rüttgers

Menschenrecht Religionsfreiheit

fence-978138_1280.jpg

Unter dem Titel "Religiös verfolgt im Herkunftsland und in Deutschland" veranstaltete die Duisburger Gruppe von Amnesty International in den Räumlichkeiten des Weltladen Duisburg e.V. einen Diskussionsabend zur schwierigen Situation von nicht-religiösen Geflüchteten. Verbunden war dies mit einer Autorenlesung von Peter Rüttgers, der sein gleichnamiges Buch vorstellte.

Im vollbesetzten Raum des Weltladens begann der Diskussionsabend mit einem Überblick über die Aktivitäten von Amnesty International in Duisburg und der Würdigung der langjährigen Kooperation der beiden Veranstalter.

Seit über 50 Jahren zeichnet sich die Arbeit von Amnesty durch einen konsequenten Einsatz für Menschenrechte aus. Dazu zählt auch das Engagement für Geflüchtete und deren Recht auf Meinungs- und Religionsfreiheit sowie darauf, frei von Gewalt zu leben – unabhängig davon, von welcher Seite die Gewalt kommt.

Cover

Peter Rüttgers, Autor des 2023 erschienenen Buches "Religiös verfolgt im Herkunftsland und in Deutschland" und selbst engagiert bei Amnesty International und der Säkularen Flüchtlingshilfe, gab zunächst Auskunft über die weltweite Lage der Religionsfreiheit. Diese gerät – wie einem Bericht der Bundesregierung zu entnehmen ist – immer stärker unter Druck: In 39 Ländern der Erde gibt es eine Staatsreligion, vor allem religionsfreie Menschen werden belästigt, verfolgt oder auch inhaftiert; drei Viertel der Menschen weltweit leben in Ländern, in denen es keine garantierte Religionsfreiheit gibt.

Die härteste Strafe, die Todesstrafe, kann in 13 Ländern für Blasphemie (Gotteslästerung) oder Apostasie (Abfall vom Glauben) verhängt werden. In allen diesen Ländern herrscht der Islam.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht erstaunlich, dass viele Menschen aufgrund religiöser Verfolgung ihre Heimat verlassen müssen. Tragisch wird es für diese Personen, wenn sie erleben müssen, dass sie in Deutschland wieder religiös verfolgt werden. In Unterkünften für Geflüchtete, in Sprach- und Integrationskursen sowie auch in der Öffentlichkeit geht die Unterdrückung aus religiösen Gründen weiter, sie fühlen sich, als hätten sie ihr Heimatland nicht verlassen.

Erschreckende Einzelbeispiele

Exemplarisch wurden die Geschichten zweier Männer, Hisham Nofal aus Ägypten und Mahmudul Haque Munshi aus Bangladesch, vorgetragen.

Hisham Nofal machte sich in seiner Heimat heimlich mit anderen religionsfreien Menschen bekannt und traf sich mit ihnen unter Gefahr. Nach einem Fernsehauftritt, bei dem er seine atheistische Position darstellte, wurde er von seiner Familie, Kolleg:innen und Leuten an der Hochschule bedroht; es wurde gefordert, ihn zu ermorden. Über Umwege gelangte Hisham Nofal nach Deutschland, wo er aufgrund seiner nicht-religiösen Einstellung mehrfach körperlich attackiert wurde, einmal konnte er sich nur durch einen Sprung aus dem Fenster retten.

Mahmudul Haque Munshi engagierte sich in Bangladesch in einer Organisation, die sich für die Umsetzung von Menschenrechten sowie die Trennung von Staat und Religion einsetzte. Islamistische Fanatiker töteten zahlreiche Aktivist:innen dieser Bewegung, er erhielt Morddrohungen, es wurden verschiedene Mordanschläge auf ihn verübt. In einem Auffanglager für Geflüchtete wurde er weiterhin von Landsleuten bedroht, sein Name steht auf einer Liste von geflohenen Menschen aus Bangladesch, die getötet werden sollen.

"Als hätte ich mein Heimatland nicht verlassen"

Mina Rahimian aus dem Iran war persönlich bei der Veranstaltung in Duisburg anwesend. Sie lebt mit ihrem Mann in Deutschland und engagiert sich mittlerweile bei der Säkularen Flüchtlingshilfe. An eine Rückkehr in den Iran ist aufgrund des islamistischen Regimes nicht zu denken. Dort musste sie religiöse Unterdrückung erleiden, das ganze Land und die Regeln dort werden von einem strengen Islam beherrscht. Sie konnte keine kritischen Fragen zur Religion stellen, in der Öffentlichkeit herrscht Angst vor der Sittenpolizei, die Frauen kontrolliert und hart bestraft, wenn sie sich "unislamisch" kleiden oder verhalten. Spätestens nach der Ermordung von Jina Mahsa Amini und der brutalen Niederschlagung der "Frau.Leben.Freiheit"-Bewegung ist die religiöse Unterdrückung im Iran weltweit bekannt. Aufgrund ihrer religionsfreien Einstellung musste Mina Rahimian den Iran verlassen. In Deutschland traf sie in Einrichtungen für Geflüchtete auf verschiedene streng gläubige Muslime, die vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen Angst auslösten; weder sie noch ihr Mann konnten offen über ihre Weltanschauung sprechen, es herrschte eine bedrückende Atmosphäre.

In letzter Zeit wird sie öfter von afghanischen Frauen angegangen und bedrängt, weil sie kein Kopftuch und kurze Kleider trägt. Zur Frage nach dem Motiv dieser Frauen sagte sie, es sei Neid darauf, dass sie den Mut hat, sich den strengen islamischen Vorschriften zu widersetzen und selbstbestimmt zu leben.

Konsequenzen für die Flüchtlingsarbeit

Bei der abschließenden Diskussion wurde deutlich, dass das Phänomen der Gewalt gegen religionsfreie Geflüchtete allgemein bekannt ist. Es ist allerdings ein großer Unterschied, ob dieses Wissen abstrakt ist oder anhand der Beispiele Betroffener konkret wird. Es waren vor allem die Schilderungen von Mina Rahimian über ihre Erlebnisse im Iran und in Deutschland, die die Anwesenden beeindruckten.

Einig waren sich die Teilnehmer darüber, dass Gewalt gegen Religionsfreie generell untragbar, aber in einem Land mit garantierter Religionsfreiheit mehr als besorgniserregend ist. Dabei leistet die Säkulare Flüchtlingshilfe eine wichtige Arbeit als Anlaufstelle für Betroffene, wie der Autor darstellte. Das Engagement müsse allerdings noch weiter gehen: Es sei wichtig, für Geflüchtete wie für – professionell oder ehrenamtlich – Tätige in der Flüchtlingsarbeit die Einhaltung der Menschenrechte ohne Einschränkung durchzusetzen – religionsfreie Geflüchtete hätten unbedingte Solidarität verdient.

Wie viele Menschen von religiös begründeter Gewalt betroffen sind, kann kaum in Erfahrung gebracht werden, so Peter Rüttgers. Die mangelnde Hilfe für Religionsfreie in verschiedenen bedrohlichen Situationen kann zum Teil mit einem Kulturrelativismus erklärt werden, der die Menschenrechte religiösen Vorschriften opfert. Allerdings auch damit, dass die Sorge besteht, die jeweilige Einrichtung könnte zum Beispiel durch einen Polizeieinsatz einen schlechten Ruf bekommen. Schließlich kann auch Angst eine Rolle spielen, weil religiöse Fanatiker oft sehr aggressiv auftreten.

Einigkeit herrschte darin, dass Änderungen in der Arbeit mit Geflüchteten dringend notwendig sind, um das Recht auf Religionsfreiheit und körperliche Unversehrtheit umfassend durchzusetzen.

Wer sich weiter zum Thema informieren möchte:

Peter Rüttgers: Religiös verfolgt im Herkunftsland und in Deutschland, Münster 2023, 84 Seiten, 11,90 Euro

Unterstützen Sie uns bei Steady!