ST.JOHANN. (hpd) Der neue Papst hat sich nach dem Heiligen Franziskus benannt. Ist das ein Grund, an einen Wandel der Katholischen Kirche in ihrem Verhältnis zu Tieren zu glauben? Immerhin gilt Franziskus auch als „Tierschutzheiliger“.
Wann immer die besondere Tierfreundlichkeit des Christentums und insbesondere der katholischen Kirche hervorgehoben werden soll, kommt über kurz oder lang die Rede auf den Heiligen Franziskus, jenen jungen Mann aus dem mittelitalienischen Assisi, der mit den Tieren habe reden können.
Tatsächlich weiß niemand, was dem 24jährigen Giovanni Battista Bernardone - so der bürgerliche Name des späteren Heiligen - im Frühsommer des Jahres 1206 widerfahren war, dass er seinem unbeschwerten Leben als Sohn und Erbe einer wohlhabenden Bürgerfamilie entsagte, sich den Schädel rasierte und hinfort als Franziskus der Wandermönch unterwegs war. Jedenfalls zerstritt er sich mit seiner Familie und lief von nun an bevorzugt nackt durch die Gegend.
Er begründete den „Orden der Minderen Brüder“, der sich, bettelnd und Buße predigend, ganz dem biblischen Vorbilde Jesu verschrieb. Schon zwei Jahre nach seinem Tod im Jahre 1226 wurde Franziskus von Papst Gregor IX. heiliggesprochen. Mit einem Heiligen, der zu Lebzeiten auf jede irdische Habe verzichtet hatte, ließ sich gut die eigene Habgier und Verschwendungssucht kaschieren.
Im Übrigen hatte schon Gregors Vorvorgänger Papst Innozenz III, der von 1198 bis 1216 auf dem „Stuhle Petri“ saß, das „Apostolat der Armen“ und damit das „Wanderpredigertum“ ausdrücklich gefördert. Mit diesem Schachzug suchte er den häretischen Strömungen und Armutsbewegungen, die im 11. Jahrhundert als reformatorisches Gegengewicht zur immer reicher und mächtiger gewordenen Papstkirche hervorgetreten waren, gezielt den Nährboden zu entziehen.
Zum Kampf gegen die für die Kirche höchst bedrohlichen Reformbewegungen installierte er die Dominikaner und letztlich auch die Franziskaner als päpstliche Inquisitionsorden. Franziskus selbst, zeit seines Lebens zutiefst autoritäts- und papsthörig, tat sich als williger Handlanger der Inquisition gegen die Waldenser und insbesondere die Katharer hervor (die, im Gegensatz zu ihm und seinem Orden, absoluten Gewaltverzicht gegen Mensch und Tier übten und konsequenterweise - bis auf den Verzehr von Fisch, der im Mittelalter als nicht „von Gott gezeugt“ angesehen wurde - streng vegan lebten).
In frühen Zeitzeugenberichten und Biographien über Franz von Assisi ist von besonderer Tierliebe, die ihn ausgezeichnet haben soll, nirgends die Rede, auch in seinen Schriften kommt besondere Hinwendung zum Tier nirgendwo vor. Seine legendäre Vogelpredigt, bei der er eine Schar Vögel mit frommen Worten ermahnt haben soll, Gott allezeit und allerorten zu loben, wurde erst sehr viel später hinzugedichtet; desgleichen seine berühmte Begegnung mit dem Wolf von Gubbio, den er allein mit dem Kreuzzeichen gezähmt haben soll.
Zum offiziellen „Tierschutzheiligen“ stieg Franziskus erst in jüngster Zeit auf. Schon vor gut 80 Jahren zwar, im Jahre 1931, wurde sein Todestag, der 4. Oktober, zum „Welttierschutztag“ ausgerufen, allerdings nicht von der katholischen Kirche, die sich entschieden dagegen aussprach, sondern von einem in Florenz veranstalteten Kongress, der mehr als 150 Tierschutzvereine aus 32 Ländern zusammenführte.
Die Kirche zog erst 50 Jahre später nach: erst 1980 wurde Franz von Assisi per päpstlichem Dekret zum Tierschutz- und Umweltheiligen ernannt. Mit einem Heiligen, der mit den Tieren sprach, ließ sich gut vom eigenen Komplettversagen in der „Wahrung der Schöpfung“ ablenken. Noch Mitte des 19.Jahrhunderts war von Papst Pius IX die Errichtung einer Tierschutzeinrichtung in Rom ausdrücklich verboten worden: es sei ein „theologischer Irrtum zu glauben, der Mensch habe dem Tiere gegenüber irgendwelche Verpflichtungen.“
Colin Goldner