Seit seiner Zeit als Germanistikstudent und als journalistischer Mitarbeiter des Volksecho ist Hermann Kraus schriftstellerisch tätig. Noch in den ersten Nachkriegsjahren erscheint Der Geist als Materie, wieder aufgelegt 1989. Ein Manifest der materialistischen Weltanschauung seines Verfassers. Ein Thema, das ihn mehrfach beschäftigt hat, war der Kommunismus der Wiedertäufer im 16. Jahrhundert in der Stadt Münster: 1976 publiziert er im Selbstverlag Gütergemeinschaft und Polygamie: die unmoralischen Wesensmerkmale des Kommunismus und jeder anderen Revolution dargestellt am Täuferkommunismus - an einer 1534/35 im belagerten Münster "endzeitlich" gelebten Menschheitsutopie. 1993 erscheint eine zweite verbesserte und ergänzte Auflage. Der Begriff 'unmoralisch' im Untertitel ist dabei durchaus ironisch zu verstehen. Eine knappe Zusammenfassung dieser Schrift erschien 1994 auch als Aufsatz „Zwischen Pan- und A-Theismus. Egalitär-polygame Sekten gegen die reiche Kirche." Hier fand er die Verbindung von Güterkommunismus und - mit der „Vielweiberei" der Täufer -Sprengung der christlichen Sexualmoral. Seine Verbindung marxistischer Vorstellungen und einer freien Sexualmoral war für manche der fortschrittlichen oder sich für fortschrittlich haltenden Mitglieder linker Gruppen allerdings nicht immer leicht verdaulich. Schließlich herrschte auch bei den westdeutschen Kommunisten auf diesem Gebiet eine eher (klein-)bürgerliche Moral. Als Hermann Kraus 1974 eine Bürgerinitiative für die Einrichtung eines Eroscenters unter staatlicher (kommunaler) Aufsicht in Nürnberg gründet, gibt das einen ziemlichen Skandal, auch innerhalb des Bundes für Geistesfreiheit. Eine große Mehrheit der Mitglieder setzt aber durch, dass er seine Stelle als Geschäftsführer behalten kann.
Als Geschäftsführer des BfG Nürnberg gibt Hermann Kraus die Schrift heraus: Geistesfreiheit. Verfemt, verfolgt - erfolgreich oder Warum der Bund für Geistesfreiheit (bfg) ganz besonders gegen Zensur und Berufsverbot, Dogmatismus und Intoleranz ist. Nürnberg 1980. Ein anderes Anliegen, das er ebenfalls schriftstellerisch verfolgte, war die Bekanntmachung und Verbreitung der Schriften des Philosophen Ludwig Feuerbach. 1972 erscheint zum ersten Mal seine „Kurzgefasste Zitatenauslese" aus dessen Schriften. Seine Kontaktaufnahme mit dem Herausgeber der Feuerbach-Ausgabe, Professor Schuffenhauer, führt schließlich auch dazu, dass diesem Philosophen am 13. September 2002 in Erlangen ein Denkmal errichtet wird.
1986 tritt er zum 1. April aus gesundheitlichen Gründen von seinem Amt als Geschäftsführer des BfG Nürnberg zurück. Seine Aktivitäten verlagert er von nun an nach Erlangen, wo er im Vorstand des Bundes für Geistesfreiheit Erlangen tätig ist. Seine Lebensgefährtin Ria Heinrich und er kümmern sich um den Freundeskreis des Bundes für Geistesfreiheit Erlangen, der zahlreiche Veranstaltungen durchführt.
Im Auftrag des Bundes für Geistesfreiheit Erlangen gibt Hermann Kraus, als die evangelische Kirche im Jahr 1996 den 450. Todestag Luthers feiert, ein Flugblatt heraus „Luther der 'große Reformator' antisemitisch - frauenfeindlich - antihumanistisch". Die Kritik, die in diesem Flugblatt auch an der Asylpolitik der BRD und an den deutschen Kriegseinsätzen mit „militärseelsorgerischer Unterstützung durch die Kriegskirche" geübt wird, führen am 29. 08. 1996 zu einem Beschluss der Ermittlungsrichterin beim Amtsgericht Nürnberg, mit dem eine Hausdurchsuchung bei Hermann Kraus, der als presserechtlich Verantwortlicher zeichnet, und die Beschlagnahme von 31 Exemplaren dieses Flugblattes angeordnet wird: Begründung „Verdacht eines Vergehens der Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungen gem. § 166 Abs. 2 StGB". Dabei hatte sich von der Kirche niemand an die Staatsanwaltschaft gewandt, ein übereifriger Staatsanwalt war hier tätig geworden. Über die Sache wird in der Presse breit berichtet, mehrere Ortsgruppen des BfG Bayern und dessen Vorsitzender solidarisieren sich öffentlich mit Hermann Kraus, und die zitierten Äußerungen Luthers werden auf diese Weise einer größeren Öffentlichkeit bekannt. Am 9. Dezember 1996 hebt das Gericht den Beschlagnahmebeschluss auf. Ein schönes Beispiel dafür, dass es gelingen kann, auch Staatsorgane ganz gegen ihre Absicht zur Unterstützung antiklerikaler Aufklärung zu gewinnen.
Nach dem Tod seiner Lebensgefährtin Ria Heinrich am 26. Oktober 2006 wird es schwieriger für Hermann Kraus, in der bisherigen Wohnung in der Zähstraße 3 in Fürth sein Leben zu organisieren. Seine zunehmende Gebrechlichkeit nötigt ihn schließlich, im Oktober 2009 in die Seniorenresidenz Curanum in Fürth umzuziehen. Michael Stelter aus dem Vorstand des Bundes für Geistesfreiheit Erlangen ist nun sein zuverlässiger und besorgter Freund, der ihn auch in seinen letzten Tagen begleitet. Eine Bestattung mit feierlichen Reden am Grabe ist Hermann Kraus zuwider und er hat ein passendes Mittel gefunden, sie zu vermeiden: Er hatte schon im Jahr 1968 seine Leiche der Erlanger Anatomie vermacht.
Er lebt dafür umso deutlicher in der Erinnerung seiner Freunde und politischen Gefährten weiter. Sobald er den Vorstellungen seiner Jugend entwachsen war, hat er sich nie mehr gebeugt, als materialistischer Atheist nicht sein Knie vor dem Altar eines nicht-existierenden Gottes, als anarchistischer Kommunist nicht seinen Rücken vor den Inhabern staatlicher Macht. Seine Unbeugsamkeit, seine Unerschrockenheit und Zähigkeit sind allen, die ihn kannten, ein bleibendes Beispiel.
Theodor Ebert