Atheismus in die Mitte der Gesellschaft

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"DIE STERNE" (v.l.n.r.: Frank Spilker, Thomas Wenzel, Christoph Leich) / Foto: Band

HAMBURG. (hpd) Frank Spilker, der Gründer und Sänger der bekannten Band DIE STERNE, wird zum Ausklang des Deutschen Humanistentags am Samstag, dem 4. Mai, aus dem Programm seiner Hamburger Band aufspielen. Thomas Brandenburg sprach mit ihm über seine Musik, seine Religionskritik und neue Projekte.

Sie sind Sänger und Texter der Hamburger Band DIE STERNE. Welche Art von Musik machen DIE STERNE?

Als Musiker ist es immer schwer über die eigene Musik zu sprechen. Aber wir machen deutschsprachige Popmusik, mit Texten, die irgendwo zwischen allzu Ernstem und völlig Humorigem liegen. Unsere Musik ist im Unterschied zu anderen Bands der „Hamburger Schule“ eher orientiert an Funk-Musik.

Was sind die Themen in Ihren Texten?

Am Anfang gab es als roten Faden möglichst Inhalte von Popmusik-Standards nach dem Schema „Er sucht sie“, „Sie sucht ihn“, zu vermeiden. Stattdessen hatten wir immer eher Themen aus dem gesellschaftlichen Leben wie „Klar kommen im wirtschaftlichen oder persönlichen Bereich“, „Beziehungen unter Kumpels, in Netzwerken“.

Und die Texte sind immer von Ihnen?

Ja, mir fällt immer noch was ein. Das Leben bietet genug Inspirationen für neue Texte. Da mache ich mir keine Sorgen. Meine Sorge ist eher, wie ich das Niveau noch steigern kann.

 

Niveau, in welcher Hinsicht?

Vielleicht eine arrogante Aussage. Aber wenn man wie ich jetzt 20 Jahre Texte geschrieben hat, sieht man nicht mehr so viele Fortschritte wie am Anfang vielleicht. Man ist auch überall schon mal gewesen. In einer Künstlerbiografie ist es ganz gut auch mal was anderes zu machen, etwa wie das Buch, das ich jetzt geschrieben habe.

Auf Ihr Buch kommen wir noch. Aber was hat Sie zu dem Schritt bewogen auf dem Deutschen Humanistentag zu singen?

Beim Schreiben des Buchs habe ich relativ viel recherchieren müssen. Dabei sind mir Dinge eingefallen, die mit dem Missionsauftrag der christlichen Kirchen zu tun haben, über die ich geschrieben habe. Bei denen mir wieder klar geworden ist, wo bestimmte meiner Positionen her kommen. Wenn ich mich überhaupt nach außen hin sichtbar politisch engagieren würde, dann wohl im Bereich der Religionskritik. Hin und wieder wohl auch in den öffentlich-rechtlichen Medien, wo allerdings meistens eher die kirchlichen Vertreter sitzen.

Würden Sie sich im weitesten Sinne als Humanisten bezeichnen?

Ja, das nennt man dann wohl so, wenn man eine solche Position bezieht. Ich würde mich zunächst mal als Atheisten bezeichnen, weniger als Pantheisten oder als Agnostiker, wie das viele gerne tun. Wenn diese Position schon ausreicht für einen Humanisten, dann bin ich einer.

Wie stehen Sie zu einem evolutionären Humanismus?

Positiv, wenn damit gemeint ist, dass der Mensch im Zentrum des Weltbilds steht und nicht ein Gott. Und wenn die Evolution anerkannt wird als treibende Kraft auf unserem Planten, in unserem Universum, dann ja. Das ist mir fast schon zu selbstverständlich, um es überhaupt noch auszusprechen. Das ist für mich fast so, als müsste man noch verbreiten, dass die Erde eine Kugel ist.

Bekommen Sie jetzt mit einem solchen Bekenntnis nicht Zoff mit den anderen Bandmitgliedern?

Das wäre für mich ein Problem, wenn es so wäre. Ich denke, dass Glauben Privatsache ist. Wenn es gläubige Mitglieder in der Band gibt, was ich nicht annehme, dann sollte es kein Grund sein mich deshalb auszugrenzen. Ich würde das ja auch nicht tun.

Die Kirchengeschichte ist größtenteils auch glanzvolle Musikgeschichte. Den Säkularen werfen Kritiker vor, ihnen fehle dieser kulturelle Glamour, bei ihnen ginge es allzu sachlich ab.

Das ist durchaus eine Herausforderung, der man sich stellen kann. Die Gründe dafür, dass die Kunst- und Kulturgeschichte christlich geprägt ist, kennt man ja zu Genüge. Im Mittelalter konnte man sich ja nichts anderes vorstellen. Aber es gibt ja doch durchaus auch andere, nichtreligiöse Weltanschauungen wie etwa den Buddhismus, der ja auch eine große Kultur hervorgebracht hat. Ich würde mich gerne dafür einsetzen, dass man den Atheismus nicht immer gleichsetzt mit einem zerstörerischen System wie dem Nationalsozialismus oder einer kommunistischen Unterdrückungsideologie. Das Bekenntnis zum Atheismus gehört eigentlich in die Mitte der Gesellschaft.

Deutschsprachige religionskritische Texte gibt es ja, etwa von Heine, Kästner, Tucholsky. Wie könnte eine weltliche Musikkultur aussehen? Oder: haben wir die schon?

Ja, ich denke dass ich so etwas schon betreibe. Mein musikalisches Engagement steht nicht etwa gegen eine Religion, aber diese steht auch nicht im Inhalt meiner Texte. Mein Weltbild ist Teil meiner Artikulation als Künstler. Und das, finde ich, genügt schon. Ich wäre beispielsweise ungern Mitglied einer politischen Partei, weil dann alles, was man tut, nur noch im Licht dieser Parteizugehörigkeit gesehen würde. Privat ist das okay, für einen Künstler aber eher schwierig. Etwa am Humanistentag teilzunehmen ist eine andere Geschichte, das ist inhaltlich sehr viel klarer und weit entfernt von partei- und tagespolitischen Überlegungen.

Erst kürzlich ist Ihr Roman-Erstling „Es interessiert mich nicht, aber das kann ich nicht beweisen“ erschienen. Um was geht es in Ihrem Buch?

Es geht ansatzweise um das künstlerische Prekariat, ein Thema, das seit etwa seit zehn Jahren meine Generation beherrscht und auch die etwas Jüngeren, die mit Medien arbeiten. Es geht darum, dass sehr viele Jobs einfach verschwinden, seitdem digitalisiert wird. Vor allem der Musikbereich ist ja etwa seit dem Jahr 2000, also seit Napster und Co., sehr stark betroffen. Und ich habe da eine Figur erfunden, die etwas Ähnlichkeit hat mit mir oder mit mir bekannten Leuten, denen ebenso wirtschaftlich der Boden unter den Füßen weggezogen wurde. Die sich, ähnlich in einem Alter von 40 oder Mitte 40 komplett neu orientieren müssen.

Und meine Figur, ein Grafiker, flieht vor diesen Problemen, reist weg in die Vergangenheit. Und da begegnet er diesen missionarischen Auffassungen von gesund sein sollen, von Selbstoptimierung, eben was alles in diesem christlichen Glauben drinsteckt. Menschen zu funktionierenden Wesen zu machen, zu Robotern, letztlich zu Wesen, die weniger sind, als die Funktionen, die sie ausfüllen.

Wie hat man denn den Titel zu verstehen „Es interessiert mich nicht“?

Zum Beispiel die Vergangenheit, die scheinbaren Kleinigkeiten, die Traumata aus der Kindheit, die man mit sich herum trägt. An meine Figur werden Probleme heran getragen: etwa die Freundin ist weg. Und da wird erzählt, was sie jetzt so macht. Und die Figur sagt „Interessiert mich nicht“. Aber es wird klar, dass das so eben nicht stimmt. Das ist der Gag bei dem Titel.

Also Verdrängung, Selbstbetrug?

Ja die ganzen Mechanismen, die man kennt, wenn man in Schwierigkeiten kommt.

Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus: ein neuer Roman? Neue Tournee?

Konkret planen wir ein neues Album der Sterne. Die Hälfte der Stücke haben wir zusammen. Das Album wird Anfang nächsten Jahres hoffentlich fertig sein und heraus kommen.

Danke für das Gespräch.