Am Montag jährte sich der Todestag der Iranerin Jina Mahsa Amini zum zweiten Mal. Die junge Frau fiel wohl der iranischen Sittenpolizei zum Opfer, weil sie ihr Kopftuch nicht vorschriftsgemäß getragen haben soll. Anlässlich dessen fanden weltweit Gedenkveranstaltungen statt, so auch in Hamburg. Der hpd sprach mit Hourvash Pourkian vom Verein Kulturbrücke Hamburg.
hpd: Frau Pourkian, Hamburg hat Mahsa Amini gedacht. Waren Sie selbst auch vor Ort?
Hourvash Pourkian: Ja, OneVision, ParsiMed (ein Verein iranischer Ärzt:innen) und Kulturbrücke Hamburg haben eine Kette aus Lichtern zum Gedenken veranstaltet, etwa 150 Leute haben sich daran beteiligt, Frauenrechlerinnen haben Reden gehalten. Es gab aber noch weitere Veranstaltungen in Hamburg über das ganze Wochenende verteilt, unter anderem auch einen Protestmarsch.
Wie ist insgesamt ihr Eindruck nach dem zweiten Jahrestag? Bewegt Mahsa Amini die Menschen noch?
Mein Eindruck ist, dass nach zwei Jahren sogar mehr los war als beim ersten Todestag 2023. Es gab Veranstaltungen weltweit. Ich glaube, letztes Jahr war man sich noch nicht ganz sicher. Aber in Deutschland haben sich jetzt sogar auch politische Parteien beteiligt, in Hamburg etwa die Grünen mit einer hochkarätigen Filmvorführung. Frankfurt hat einen Platz nach Mahsa Amini benannt. Vor dem iranischen Konsulat in Hamburg soll ebenfalls ein Platz nach ihr benannt werden. Seit einem Jahr gibt es dort bereits eine Gedenkstätte.
Der Verein Kulturbrücke Hamburg, dem Sie vorstehen, fordert die Umwidmung der geschlossenen "Blauen Moschee" in ein "Jina-Mahsa-Amini-Kulturzentrum Iran". Immer mehr Medien greifen Ihre Initiative auf. Wie ist der Stand?
Wir sind im Gespräch. Aktuell fordern wir, dass ein symbolisches Schild an der Blauen Moschee angebracht wird.
Wie beurteilen Sie die Gesamtsituation zwei Jahre nach dem Tod der Frau, die landesweit Großdemonstrationen im Iran ausgelöst hat?
Hourvash Pourkian ist in Teheran geboren und lebt seit 1975 in Hamburg. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre in Hamburg, Boston und London arbeitete sie als selbstständige Unternehmerin. 1998 publizierte sie "Macht macht müde Frauen munter" mit ihrem Vater und referiert seitdem zu dem Thema Frauen und Migrantinnen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Sie war Mitglied des Integrationsbeirats des Hamburger Senats bis 2011, ist Gründerin sowie Vorsitzende des Vereins Kulturbrücke Hamburg und initiierte die mehrfach ausgezeichneten "Switch Projekte". 2011 rief sie die Initiative International Women in Power ins Leben.
Den Eltern von Mahsa Amini wurde eine Gedenkveranstaltung versagt, sie mussten in ihrem Haus bleiben. Doch die weltweiten Aktionen haben auch eine Ausstrahlung auf den Iran. Wenn der Name Jina Mahsa Amini gerufen wird, fängt das iranische Regime an zu zittern. Die Situation kann man nicht mehr mit der vor zwei Jahren vergleichen.
75 Prozent der Bevölkerung im Iran sind säkular. Die Leute gehen nicht mehr in die Moscheen, die Moscheen schließen, es gibt nur noch das Freitagsgebet, die Iraner wollen sich nicht mehr anhören, was die Kleriker ihnen sagen wollen. Iran ist säkularer als die Türkei, 45 Millionen Menschen nutzen Instagram. Die Leute kann man nicht mehr betrügen und manipulieren, es ist vorbei, das Regime hat nicht umgesetzt, was es versprochen hat, das haben die Leute erkannt. Mit der Ermordung eines Hamas-Führers mitten in Teheran hat Israel zusätzlich Druck aufgebaut.
Trotz verschärfter Regeln kommt das Regime nicht gegen die Frauen an, es kann machen, was es will, sie sind stark und werden das Regime eliminieren. Am Montag hat ein ehemaliger politischer Gefangener aus dem Iran zu mir gesagt, die Mullahs hätten schon gar keine Parkplätze mehr für all die Frauen, denen das Auto weggenommen wird, weil sie unverschleiert fahren. Aktuell halten nur noch die zwei Millionen Mitglieder der Revolutionsgarden das Regime am Leben. Es sieht nach einem Sturz aus, alle Voraussetzungen, wie Systeme in der Geschichte zu Fall gekommen sind, sind gegeben. Es ist nur noch eine Frage der Zeit.
Am vergangenen Samstag fand vor dem Bundeskanzleramt in Berlin eine Kundgebung statt, gegen eine Demonstration gegen das Verbot des Islamischen Zentrums Hamburg (IZH). Die OrganisatorInnen zeigten sich zufrieden: "Das IZH-Regime wurde durch die Gegendemonstration sicherlich hart getroffen", ist man überzeugt.
Gut eineinhalb Monate ist es her, dass die "Blaue Moschee" in Hamburg geschlossen und beschlagnahmt wurde. Unsere Kommentatorin begrüßt diesen Schritt und verdeutlicht die Gefahr, die von solch einer Einrichtung ausgeht. Sie wundert sich jedoch auch, dass die Schließung erst jetzt erfolgte.
Am Mittwoch vergangener Woche wurde die Imam-Ali-Moschee ("Blaue Moschee") des Islamischen Zentrums Hamburg geschlossen und der Moschee-Verein durch das Bundesinnenministerium verboten. Ein Konzept für eine künftige Nutzung des beschlagnahmten Gebäudes schlagen Necla Kelek und Reza Alipour (Verein Säkularer Islam Hamburg), Hourvash Pourkian (Kulturbrücke Hamburg), Ali Ertan Toprak (Kurdische Gemeinde Deutschland) und Ulrike Becker (Mideast Freedom Forum Berlin) in einer gemeinsamen Pressemitteilung vor.
Für letzten Samstag hatten in Hamburg St. Georg erneut die radikalen Islamisten des Netzwerks "Muslim Interaktiv" und Co. zu einer Pro-Kalifat-Demo aufgerufen. Doch bevor diese sich überhaupt versammeln konnten, hatten sich schon die Power-Frauen vom Verein Frauenheldinnen mit einem eigenen Flugblatt ("Frauen gegen das Kalifat! Für Freiheit und Menschenwürde") beherzt zu einer Kundgebung in der Nähe zusammengefunden.
Vergangenen Samstagmittag fand sich im Hamburger Stadtteil St. Georg ein bunt gemischtes Bündnis aus rund 30 Initiativen und Parteien unter der gemeinsamen Losung "Weder Kalifat, noch Patriarchat! Nur Einigkeit, Recht und Freiheit!" zu einer lautstarken Protest-Kundgebung zusammen. Der Anlass: Genau eine Woche zuvor hatten sich dort auf dem Steindamm etwa 1.100 radikale Islamisten versammelt und mit Plakaten und Rufen für ein Kalifat in Deutschland die Öffentlichkeit schockiert.