Getreten, geprügelt, mit Kampfgas attackiert

Auch dort - etwa acht Meter abseits der Straße - hochgerüstete Kampfkräfte, die auf einer Länge von etwa 150 Metern die Demonstration - wie auch auf der anderen Straßenseite - hermetisch abriegelten und niemanden hindurch ließen. Eine gigantische, am Ende noch offene Kesselbedrohung. Wohlgemerkt zusätzlich zum bereits geschlossenen. Dadurch war es den Zigtausenden u. a. nicht möglich, auszutreten, zu den von der Demoleitung bereitgestellten Dixi-Toiletten oder anderswohin, um z. B. Essen und Trinken zu besorgen, wurden sie nicht durchgelassen.

Meine FreundInnen und ich forderten angesichts der vielen Verletzten in der kleinen Grünanlage und der fehlenden medizinischen Versorgung der Reihe nach etwa ein Dutzend der RepressionssoldatInnen auf, ärztliche Hilfe zu rufen. Keinerlei Reaktion. Kollektiv und noch dazu im Amt unterlassene Hilfeleistung! Aber keine Möglichkeit zur Strafanzeige, denn alle trugen ihre Einsatznummer für uns unsichtbar auf der Rückseite ihrer Monturen. StraftäterInnen mit staatlich geschützter Anonymität.

Überhaupt die Identifikation! Ich habe bei dem Polizisten, der mich vorsätzlich verletzt hat, klar die abfällig und höhnischen blickenden Augen im zentimeterbreiten Sturmhaubenschlitz gesehen, allein die Einsatznummer war auch in diesem Fall für mich uneinsehbar auf seinem Rücken.

Die immer zahlreicher werdenden Verletzten mussten sich selber helfen. In solidarischem Miteinander wurden die Augen mit allen verfügbaren Trinkwasserflaschen gespült. In einem Fall konnte ich beobachten, wie eine junge Polizistin zwei ihrer eigenen Wasserflaschen an die Verletzten weiterreichte. DemonstrantInnen brachten die Opfer weiter nach hinten in sichere aber dennoch links und rechts mit Wasserwerfern und polizeilichen Streitkräften bedrohte Demo-Bereiche, wo sie von ÄrztInnen und Krankenpersonal, die sich unter den DemonstrantInnen befanden und zur Hilfe einfanden, versorgt wurden.

Und dann erneut ein Angriff ohne Vorwarnung. Hinter uns die anhaltende Prügelei der Einsatzkräfte an der Spitze des Demonstrationszuges und auf der anderen Seite der Barriere die Kampfgaswolken in den Kessel hinein. Zu unseren Füßen die Verletzten. Da wurden die Absperrgitter vor uns schlagartig auf etwa fünf Meter geöffnet, und ein frontaler Angriff auf uns, die wir Schutz suchten, geführt. Erneut keinerlei Chance zurückzuweichen oder sonst irgendwohin in Sicherheit zu kommen.

"Ich prügle dir die Birne zu Matsch" flüsterte der vor mir stehende Robo-Cop klar und deutlich vernehmbar im Adrenalin-Rausch mit gezückter Tonfa. Daneben seine KollegInnen wieder mit den Kampfgas-Geräten im Einsatz. Zu den Verletzten neue Verletzte. Ein weiteres Mal Verantwortungslosigkeit der Polizeiführung gegenüber ihren Untergebenen. Auch hier hätten die brutalen Angriffe der gerade einmal etwa zwei Dutzend in blinde Gewaltattacke geschickten Kräfte gegen Tausende in Mord- und Totschlag enden können.

Die Flut der Verletzten riss nicht ab

Doch die Rechnung der Herrschenden ging nicht auf. Von 14 Uhr mittags bis 20 Uhr abends wurde kontinuierlich weiter geprügelt und Unmengen von Kampfgas über die DemonstrantInnen ausgesprayt. Die Flut der Verletzten riss nicht ab. Nichts konnte die Einsatzkräfte stoppen. Nicht die im Kessel befindlichen Bundestagsabgeordnete, nicht die eingekesselten Kinder. Einzeln wurden nacheinander über die vielen Stunden hinweg unter brutaler Gewaltanwendung hunderte von DemonstrantInnen im Kessel festgenommen, der Personalienfestellung und erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen und mit Platzverweisen entlassen. Sie durften nicht mehr an der Demonstration teilnehmen und sich teilweise in ganz Frankfurt nicht mehr aufhalten.

Schließlich sogar die gewaltsame Übernahme des im Kessel befindlichen Lautsprecherwagens durch ein Spezialkommando. Offenbar sollte so die Kommunikation mit der Rest-Demonstration - erneut ohne jeden Anlass und ohne jede Rechtsgrundlage - unterbunden werden.

Doch nichts, aber auch nichts, konnte die Ruhe und Friedlichkeit der Demonstration ins Gegenteil kehren. Tausende harrten bis in die Nacht aus, bis auch der allerletzte aus dem Kessel festgenommen war. Die Blockupy-Demonstration in Frankfurt am 01. Juni 2013 ließ sich nicht spalten. Die von der Staatsgewalt in willkürlicher Repression Festgenommenen wurden zu keiner Zeit alleingelassen. Die den ganzen Tag über andauernden in brutaler Gewalt geführten Angriffe blieben ohne das gewünschte Ergebnis - niemand aus der Demonstration von zig Tausenden tappte in die gestellte Kriminalisierungsfalle.

Offener Verfassungsbruch, unverhohlen offene Degradierung der Justiz durch die Exekutive buchstäblich zu Idioten, bürgerkriegsähnliche Gewalt gegen friedliche Menschen, grundlose Beraubung der Grundrechte: Ein wahrhaft schwarzer Tag in der Geschichte der Bundesrepublik!

Das alles im Schatten der glitzernden Türme der Banken und Konzerne, vor deren Türen sozusagen. Die Herrschenden - auch in Deutschland, denn in der Türkei, in Griechenland, Italien, Spanien, Irland und anderswo zeigen sie es bereits seit langem - haben gezeigt, wozu sie bereits sind: Profit und Kapitalismus, die zusammengeplünderten Vermögen der Ultra-Reichen werden sie mit aller Gewalt - auch unter offenem Verfassungsbruch - schützen. Die auf ihren Rechten und Interessen beharrende Bevölkerung, die für die Verbesserung ihrer Lage eintretenden arbeitenden Menschen werden sie unverhohlen auch mit bürgerkriegsähnlicher Repression bekämpfen.

Dagegen steht die kraftvolle Solidarität der Tausenden in Frankfurt und der Millionen in Europa und der Milliarden in aller Welt. Noch am Nachmittag gingen in mehreren Städten Menschen mit Soli-Demonstrationen mit den Eingekesselten auf die Straße. Herausragend auch die über an Schnüren und Seilen befindlichen Körbe, die von AnwohnerInnen auf beiden Seiten des Kessels von Fenstern herab mit Wasser und Lebensmitteln zu den gefangenen Menschen herabgelassen wurden.

"Die Herren machen es selber, dass ihnen der arme Mann feind wird!"

Frankfurt hat in aller Deutlichkeit erneut die Richtigkeit dessen bewiesen, was bereits Thomas Müntzer im 16. Jahrhundert in den Deutschen Bauernkriegen feststellte: "Die Herren machen es selber, dass ihnen der arme Mann feind wird!"

Auch mit allergrößter Gewalt und Repression wird sich der wachsende Widerstand gegen Ungerechtigkeit und Ausbeutung nicht aus der Welt schaffen lassen. Im Jahr 1990 wurde das "Ende der Geschichte" verkündet, der Kapitalismus entfesselt und zum Heil der Menschheit erklärt. Seit Beginn der 2000er Jahre erleben wir, wie weltweit sich der Widerstand gegen Ausbeutung und Unterdrückung entwickelt, wächst und wächst. Wer kann die Demonstrationen der letzten 10 Jahre noch zählen?! Wer kann noch überblicken, wo tagtäglich neu der Widerstand aufflammt?! Die Menschen nehmen nicht hin, dass auf Kosten von Milliarden einige wenige Tausend Ultra-Reiche und deren Konzerne die Welt plündern; dass Not und Elend immer weiter um sich greifen und zugleich die Millionäre zu Milliardären werden und die verbrecherischen Konzerne und Banken mit Billionen am Leben gehalten werden. Die Welt nimmt sehr wohl zur Kenntnis, dass die Bundeskanzlerin Merkel dem verbrecherischen Abzocker Hoeneß in London - erneut unverhohlen - freundlich lächelnd die Hand schüttelte. Sie erkennt die Allianz zwischen Kapital und Politik.

Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht!

Ich schreibe und verbreite diese Zeilen, weil die herrschenden Medien die Medien der Herrschenden sind und dort das, was ich als Augenzeuge schmerzlich miterleben musste, falsch falsch oder gar nicht berichtet werden wird. Weil der Lüge die Wahrheit entgegen gestellt werden muss.

Pfefferspray ist ein lebensgefährliches Kampfgas. Friedliche DemonstrantInnen sind keine "Gewaltäter". Die bei der Demonstration eingesetzte Polizei war eine mit gefährlicher Passiv- und Aktivbewaffnung hochgerüstete Bürgerkriegsarmee. Sie überfiel über Stunden hinweg auf befehl "von oben" immer wieder ohne jeden Anlass die friedliche Demonstration und mit ihr Zehntausende von gewaltfrei demonstrierenden BürgerInnen. Den DemonstrantInnen wurden ihre nach Verfassung und Gerichtsbeschluss zustehende Demonstration und ihre ebenfalls nach Verfassung und Gerichtsbeschluss zustehende Demonstrationsroute gewaltsam verweigert. Es gab nicht "mehrere Verletzte", sondern Hunderte von der Polizei verletzte Menschen. Innenministerium und Polizeiführung brachen ohne Skrupel und öffentlich die Verfassung und die Grundrechte. Bezeichnenderweise unmittelbar vor der Europäischen Zentralbank (EZB). Bereits vor Gericht hatten sie versucht, die Demonstrationsroute zur EZB zu unterbinden. Wie sagt die englische Vereinigung des Hosenbandordens? "Ein Schelm, wer Böses dabei denkt."

Axel Köhler-Schnura

HU verurteilt verfassungswidrige Einkesselung bei Blockupy in Frankfurt

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Der gesamte Zug wird daran gehindert, gemeinsam den von den Verwaltungsgerichten bestätigten Weg zu nehmen.

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Offensichtlich hat die Einsatzleitung aus der Kritik an ihrem eskalierenden Vorgehen 2012 nichts gelernt. Der bayerische Verfassungsrichter Dr. Klaus Hahnzog weist darauf hin, dass das Grundrecht der Versammlungsfreiheit nach Beschluss des Bundesverfassungsgerichts "ein Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie" ist.