BERLIN. Angesichts des Wirbels um den „Integrationsgipfel“ wird fast vergessen, dass es auch Ungläubige gibt. Ja, es gibt
religionslose Menschen – und dies nicht zu knapp. Diese Sorte Konfessionsfreie ist erfreulicherweise eine bunte Mischung aus Agnostikern, Atheisten, Humanisten und so weiter. Diese Leute sind sogar organisiert, sogar in „Körperschaften des öffentlichen Rechts“, was man den Muslimen in Deutschland einredet, an Status haben zu müssen, um an den Kuchen zu dürfen.
Die wohl größte bundesweite Organisation im säkularen Spektrum ist der Humanistische Verband Deutschlands, HVD – eine Weltanschauungsgemeinschaft. Ihr hat Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble jetzt einen wichtigen Brief geschrieben, der in die aktuelle Debatte passt wie die Faust aufs Auge (wie man so sagt).
Gleichbehandlung zugesagt
Schäuble hat über seinen Staatssekretär Johann Hahlen dem HVD, seinen Landesverbänden in Bayern (Nürnberg), Niedersachen (Hannover) und Nordrhein-Westfalen (Dortmund) sowie den Humanisten Württemberg (Stuttgart), die dem HVD nicht angehören, aus Anlass des Personenstandsrechtsreformgesetzes, das am 1. Januar 2009 in Kraft tritt, in gleich lautenden Schriftsätzen mitteilen lassen: „Ihre Auffassung zu den Regelungen dieses Gesetzes, die sich auf Religionsgemeinschaften beziehen, wird hier geteilt. Die angeregten erläuternden Regelungen werden, soweit dies erforderlich ist, in die untergesetzlichen Vorschriften aufgenommen.“
Aufgemerkt: Der Humanistische Verbands Deutschlands (HVD), Bundesverband, ist eine öffentlich-rechtliche Weltanschauungsgemeinschaft im Sinne von Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 und 7 RV 1919. Er ist somit von Verfassungs wegen den beiden großen Kirchen in Deutschland gleichgestellt. Nichts anderes hat Wolfgang Schäuble bestätigt, denn er hat in seinem Amt das Grundgesetz anzuwenden.
Was der HVD wollte
Der Humanistische Verband und die oben genannten Landesverbände, allesamt Körperschaften des Öffentlichen Rechts, hatten sich in Sachen „Personenstandsrechtsreformgesetz“ (z.B. Eintragung der Religionszugehörigkeit) an das Bundesministerium des Innern gewandt. Der hpd hatte am 18. November die Position des HVD vorgestellt und am 23. des gleichen Monats die Diskriminierungen der Konfessionslosen gegenüber den Kirchen beklagt.
Zur Zeit ist eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit den ersten Vorbereitungen der Umsetzung des Gesetzes beschäftigt. Man wird sehen, wie die versprochene Gleichstellung der Humanisten (und ihrer Organisationen) mit den Christen (und deren Kirchen) funktioniert. Jedenfalls hatte der HVD gefordert:
- „Soweit Sie die großen Kirchen in diese Arbeiten einbeziehen, wünschen wir, in gleicher Weise konsultiert und bei den Verfahrensregeln berücksichtigt zu werden. Das betrifft besonders die Wahrnehmung bundesweiter Angelegenheiten.
- Hier zeigen wir Ihnen an, dass der Humanistische Verband Deutschlands, Bundesverband, die Interessen seiner Mitglieder vertritt, darunter auch diejenigen, die sich als Körperschaften des Öffentlichen Rechts in dieser Sache schon an Ihr Haus gewandt haben bzw. dies noch tun werden.“
Die konkreten Erwartungen des HVD sind in der Anlage nachzulesen. Herr Schäuble hat – wie oben zitiert – dem Prinzip nach zustimmend geantwortet.
Integrationsfragen
Das politische Konzept des HVD läuft auf die Gleichbehandlung aller Religionen und Weltanschauungen und ihrer Organisationen hinaus. Von nichtchristlichen Organisationen zu erwarten, sie sollten wie die Kirchen sein, um an den Tisch gelassen zu werden, ist absurd gegenüber den Muslimen wie den Konfessionsfreien sowieso. Das Programm des HVD läuft auf Pluralität des Staates hinaus, nicht auf Neutralität. In diesem Sinne ist es nicht laizistisch.
Wie auf dem Feld des Personenstandswesens soll die Gleichbehandlung weitere Bereiche erfassen – bis in die Festkultur hinein, wo die christlichen Kirchen noch immer irrtümlich meinen, das öffentliche Trauern und Gedenken auf Dauer usurpieren zu können – als ob der nächste Tsunamie nur christliche Touristen ins Meer reißen würde.
Angesichts des „Integrationsgipfels“, der ja ein Staat-Religionen-Gipfel wäre, wenn auch die Buddhisten u.a. eingeladen wären – ob er nun boykottiert wird oder nicht – ist darauf hinzuweisen, dass die übergroße Mehrheit der Konfessionsfreien in Deutschland integriert ist, aber zunehmend erkennt, dass die Nichtreligiösen unter den Konfessionsfreien, ob nun neue oder alte Atheisten, Brigths oder Humanisten, trotzdem nicht gleich behandelt werden.
Alle Menschen sind aber nach der Verfassung gleiche Menschen, ob gläubig oder ungläubig. Es gibt keine christlichen Kirchenmitglieder, die irgendwie „gleicher“ oder gar bessere Menschen sind. Wo steht geschrieben, dass Muslime ihre Religion erst kirchenähnlich hinzufummeln haben, bis sich die Amtskirchen herablassen, ihnen den Katzentisch zuzugestehen.
Es zeigt sich, dass das überaus langweilige Personenstandsrecht plötzlich politische Bedeutung erlangt. Was schreiben denn unsere Standes- und Bürgerämter demnächst in Urkunden der Ex-Muslime?
Horst Groschopp