Machtpolitik ohne Perspektive

(hpd) Mitunter haben kritische Betrachter das militärische und politische Dilemma der USA im gegenwärtigen Irak-Krieg mit dem

im historischen Vietnam-Krieg verglichen. Dies tut auch der kanadische Historiker Gabriel Kolko, emeritierter Distinguished Research Professor der York University in Toronto, in seinem neuesten Buch „Machtpolitik ohne Perspektive". Danach habe die Bush-Administration nichts aus den traumatischen Erfahrungen des Vietnam-Krieges gelernt und die gleichen Fehler wie die seinerzeitige Nixon-Regierung begangen. Hierbei folge die US-Außenpolitik einem Muster, das sich im Laufe der letzten fünfzig Jahre nicht verändert habe. Genau dieses Muster will Kolko in seinem Buch herausarbeiten und kritisieren.

Dabei ordnet er die gegenwärtige Situation im Irak in den historischen Kontext der US-Interventionspolitik gegenüber Ländern der Dritten Welt seit Ende des Zweiten Weltkriegs ein. Ausführlich widmet der Historiker sich dabei dem Weg in den Vietnam-Krieg, den Konflikten um Afghanistan und Iran in den 1980er Jahren, den Folgen des Niedergangs der kommunistischen Staaten in den 1990er Jahren und der amerikanischen Außenpolitik nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Dies geschieht mit großer Sachkenntnis, wobei es mitunter aber an einer klaren Struktur mangelt. Überaus kenntnisreich und souverän beschreibt und bewertet Kolko die Ereignisse, lässt aber nicht selten eine ausführlichere und systematische Analyse vermissen.

Seit 1945 gießen die USA Öl ins Feuer aus Atavismus und Irrationalität

Gleichwohl können seine Grundpositionen überzeugen: „Seit 1945 gießen die USA Öl ins Feuer aus Atavismus und Irrationalität. Es gibt unzählige Beispiele dafür, dass Washington die Bemühungen anderer Länder, ihre innenpolitischen Probleme selbst zu lösen, torpediert hat - ganz gleich, wie vernünftig und fair die Vorschläge waren. ... Die amerikanische Einmischung verschlimmerte nur die Situation im jeweiligen Land" (S. 13). Und weiter heißt es: „Den politischen Führern ... fehlte jegliches Verständnis für die negativen ökonomischen oder ideologischen Langzeitfolgen, und genau das wurde ihnen zum Verhängnis: Sie begriffen nicht, dass die Welt zu kompliziert ist, als dass sich ihre Probleme mit Waffengewalt lösen ließen" (S. 134).

So überzeugend diese Einschätzung wirken mag, hinsichtlich der Alternativen bleibt Kolko blass. Er schreibt: „Die USA müssen die globale Mission, die sie sich selbst auferlegt haben, beenden" (S. 312). Und was dann, muss aber erlaubt sein zu fragen. Auch ansonsten macht es sich der Autor gelegentlich zu einfach: So ohnmächtig war die Sowjetunion während des Kalten Krieges sicherlich nicht (vgl. S. 27), die Angst vor Deutschland dürfte für die US-Politik doch keine so große Rolle gespielt haben (vgl. S. 107), und der Terrorismus entsteht nicht hauptsächlich aus wirtschaftlichen Verhältnissen (vgl. S. 149). Darüber hinaus nennt Kolko für das Versagen der US-Außenpolitik primär die „Uneinsichtigkeit" (S. 307) der Handelnden. Hier dürfte es aber noch andere, entscheidendere Ursachen geben.

Armin Pfahl-Traughber

Gabriel Kolko, Machtpolitik ohne Perspektive. Die USA gegen den Rest der Welt. Aus dem Englischen von Maren Hackmann, Zürich 2007 (Rotpunktverlag), 327 S., 24 €