hpd) Der Jurist und Publizist Horst Meier veröffentlicht bereits zuvor an anderer Stelle erschienene Essays, welche sich vor allem dem strafrechtlichen Umgang mit Rechtsextremisten widmen. Der Autor plädiert dabei als Anhänger eines bestimmten Grundrechtsverständnisses und nicht aus politischer Sympathie für mehr Zurückhaltung bei Repressionen und Verboten.
Wie soll eine Demokratie mit ihren Feinden umgehen? Gewährt sie ihnen die gleichen Freiheiten wie allen Anderen, setzt sie sich der Gefahr ihrer Abschaffung aus. Verbietet sie deren politische Aktivitäten, dann stellt sie den gemeinten Personen ihre demokratischen Grundwerte in Abrede. Aus diesem „demokratischen Dilemma“ gibt es kein Entrinnen. Meist werden mit unterschiedlichem Einschlag jeweils Positionen zwischen diesen beiden Polen eingenommen. Mitunter neigt man aber auch entschieden in eine dieser Richtungen. Dies gilt etwa bezogen auf die Frage eines NPD-Verbotes, womit einer Partei das Recht zur legalen Betätigung genommen werden würde. Dies problematisierte der Jurist Horst Meier bereits zu Beginn der 2000er Jahre beim ersten Versuch in dieser Richtung in unterschiedlichen Publikationen. Dabei argumentierte er auf Basis eines Bekenntnisses zu den Grundrechten, die eben auch bedenklichen politischen Akteuren zustehen, und nicht aus einer Sympathie gegenüber den Rechtsextremisten, die von ihm entschieden abgelehnt werden.
Nun liegen 44 bereits früher erschienene Abhandlungen, die erstmals häufig im „Merkur“ abgedruckt wurden, in dem Sammelband „Protestfreie Zonen? Variationen über Bürgerrechte und Politik“ vor. Bereits im Vorwort markiert Meier seine Grundposition: „Dass man [...] die Bürgerrechte auch dann verteidigt, wenn sie den ‚falschen’ Leuten nützen – dass man also keinen instrumentell-taktischen, vielmehr einen empathischen Begriff von Freiheit hat und gegenüber ‚Freund und ‚Feind’ praktiziert. Auf diese Haltung [...] kommt alles an. Bürgerrechte, die nach Maßgabe einer Staatsräson oder mit Gesinnungsabschlag ‚gewährt’ werden, sind keine. Wo man nicht auf die Freiheit stolz ist, sondern auf ihre Einschränkung, da stimmt etwas nicht“ (S. 10). Diese Auffassung artikuliert sich auch und gerade in seinen Einwänden gegen das staatliche Vorgehen gegen Rechtsextremisten, wobei Meier sowohl gegen die Inhaftierung eines US-Neonazis, die Unterbindung von neonazistischen Demonstrationen wie das Verbot der rechtsextremistischen NPD argumentiert.
Gleichwohl beschränkt sich der Band nicht auf diese Thematik, handelt es sich doch eher um eine Art „Gesammelte Essays“ des Autors aus den letzten zwanzig Jahren. Dazu gehören auch Beiträge zu Thomas Manns BBC-Radiosendungen zwischen 1940 und 1945, eine Erörterung zum Verhältnis von Parlamentarismus und Plebisziten, eine Kritik an der Existenz der Fünfprozent-Sperrklausel bei Wahlen oder ein Lob des Rechtspositivismus und dessen Repräsentanten Hans Kelsen. Im inhaltlichen Zentrum des Bandes stehen allerdings die Texte zu der erwähnten Thematik. Auch zur Frage „Soll man Rassenhetze verbieten?“ heißt es: „Minderheitenschutz sollte [...] nicht dafür herhalten, Zensur gesellschaftsfähig zu machen. Forderungen, die unbewusst solchen Tendenzen Vorschub leisten, sind deshalb so gefährlich, weil sie von sympathischen Leuten aus lauteren Beweggründen und noch dazu für eine gute Sache vertreten werden. Dagegen ist demokratischer Widerspruch fällig. Meinungsfreiheit erregt seit jeher öffentliche Ärgernisse, und das ist gut so“ (S. 50).
Mitunter können manche Auffassungen von Meier falsch verstanden bzw. zugeordnet werden. Es muss aber deutlich betont werden: Er argumentiert aus einem besonderen Grundrechtsverständnis für alle Bürger und nicht aus politischer Nähe zu Rechtsextremisten heraus. Dabei macht der Autor kritisch auf manche Selbstverständlichkeiten aufmerksam, welche mitunter im berechtigten Ansinnen einer Bekämpfung des Neonazismus inhaltliche Beachtung verlieren. So formuliert Meier etwa: „’Faschismus ist keine Meinung, Faschismus ist ein Verbrechen’, besagt ein in der Antifaszene beliebter Spruch, der nicht zwischen der Mordveranstaltung großen Stils und dem Geschwätz nach 1945 unterscheidet“ (S. 612). Oder: „Auch die ungehinderte Verbreitung historischer Ungereimtheiten und Dummheiten gehört zu den Errungenschaften des demokratischen Verfassungsstaates“ (S. 223). Man mag hier jeweils anderer Auffassung sein, gleichwohl bedarf es angesichts des erwähnten „demokratischen Dilemmas“ sehr wohl auch der Auseinandersetzung mit solchen Positionen.
Armin Pfahl-Traughber
Horst Meier, Protestfreie Zonen? Variationen über Bürgerrechte und Politik, Berlin 2012 (Berliner Wissenschafts-Verlag), 332 S., 39 €