Komplexität des Rechtsextremismus

(hpd) Mittlerweile orientiert sich ein Großteil der rechtsextremistischen Szene immer stärker an der NPD: Mit der DVU bestehen

Wahlabsprachen, mit der Neonazi- und Skinhead-Szene eine Aktionsgemeinschaft, mit bestimmten Intellektuellen und Kulturorganisationen eine lockere Kooperation. Gleichzeitig bemüht sich die Partei um ein seriöseres Erscheinungsbild und eine regionale Verankerung, um so breitere Akzeptanz in der Öffentlichkeit zu finden.

Die damit verbundenen Entwicklungen stehen im Zentrum des Sammelbandes „Neonazis in Nadelstreifen. Die NPD auf dem Weg in die Mitte der Gesellschaft", der von den beiden Journalisten Andrea Röpke und Andreas Speit herausgegeben wurde. Darin soll die neue Generation der Kader, die gewandelte Strategie der Partei und ihr meist unsichtbar bleibendes Netzwerk an Unterstützern dargestellt werden Der Sammelband enthält acht Beiträge von den Herausgebern und vier weiteren journalistischen Kollegen, die sich mit den unterschiedlichsten thematischen Schwerpunkten beschäftigen.

 

Speit skizziert die Situation für die NPD nach den Wahlniederlagen im Westen Anfang 2008 und die Versuche zur Intellektualisierung der Partei und deren Umfeld. Danach geht er zusammen mit Robert Andreasch auf die Entwicklung der NPD in Bayern ein, und Röpke widmet sich der Finanzierung der Partei. Beide Herausgeber zusammen thematisieren danach die Rolle der Frauen in der rechtsextremistischen Szene, und Röpke beschreibt allein die „soldatische Kindererziehung" durch die „Heimattreue deutsche Jugend". Und schließlich gehen Christan Dornbusch und Jan Raabe auf den „Schulterschluss" der NPD mit der rechtsextremistischen Musikszene ein, und Thomas Niehoff und Röpke widmen danach der Entwicklung der rechtsextremistischen Gewalt ihre Aufmerksamkeit. Besonders betont wird in den Beiträgen immer wieder die Veränderung im öffentlichen Auftreten: „Die Partei ist dabei, einen Imagewechsel zu vollziehen: weg von der glatzköpfigen Skinhead- und Hooligan-Partei hin zur seriös-biederen Interessenvertretung des kleinen Mannes" (S. 8).

 

Ausnahmslos stellen die einzelnen Aufsätzen überaus informative und sachkundige Beiträge zu den jeweiligen Themen dar. Es handelt sich dabei aber um journalistische, nicht um wissenschaftliche Texte. Inwieweit bestimmte Eindrücke von einzelnen Personen oder Vorkommnissen verallgemeinerbar sind, problematisieren die Autoren daher nicht. Mitunter wirken die Beiträge auch etwas zu sehr wie eine Aneinanderreihung von Eindrücken, leider nur in wenigen Fällen unterbrochen von analytischen Bewertungen. Hierfür stehen exemplarisch etwa die differenzierten Einschätzungen von Röpke zur Finanzierung und Finanzlage der NPD. Gleichwohl zeichnen die einzelnen Beiträge ein anschauliches und informatives Bild von den aktuellen Entwicklungen im Rechtsextremismus um die NPD und ihre Kooperationspartner. Dabei weisen die Autoren auch immer wieder auf die Spannungen innerhalb dieses Lagers hin und veranschaulichen so die mitunter in den Medien ignorierte Komplexität des Phänomens Rechtsextremismus.

Armin Pfahl-Traughber

 

Andreas Röpke/Andreas Speit (Hrsg.), Neonazis in Nadelstreifen. Die NPD auf dem Weg in die Mitte der Gesellschaft, Berlin 2008 (Ch. Links-Verlag), 208 S., 16,90 €