Identitäre – vom Wachstum einer neuen, rechtsextremen Bewegung

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Kathrin Glösel
Kathrin Glösel

Vor dem vollbesetzten Club Voltaire erläuterte Kathrin Glösel das Entstehen und die Verbreitung der neuen rechtsextremen Bewegung "die Identitären". Gegen Vergessen e. V. und der Studienkreis Deutscher Widerstand 1933–45 hatten die Referentin von der BIWAZ – Bildungswerkstatt für Antifaschismus und Zivilcourage aus Wien eingeladen.

Cora Mohr vom Studienkreis Deutscher Widerstand 1933–45 moderierte den Abend, den Kathrin Glösel mit einer Einordnung begann: die Neurechten unter den (moralischen) Kampfbegriff "Nazi" zu packen, sei nicht immer hilfreich. Um die Rechte wirksam zu bekämpfen, gelte es, da Abstufungen zur Kenntnis zu nehmen – auch wenn einem alle Positionen sauer aufstoßen würden. Mit der Einordnung als "rechtsextrem" liege man immer richtig.

Kathrin Glösel, Foto: © Dragan Pavlovic
Kathrin Glösel, Foto: © Dragan Pavlovic

Entstanden sind die Identitären in Frankreich: als Bewegung junger Leute, die im vorpolitischen Raum aktiv sein wollten. Also keine Parteiarbeit oder Kandidatur, sondern direkte Aktionen, von der äußeren Form her ähnlich wie linke Aktionen oder dem italienischen Politstrategen Antonio Gramsci abgekupftert. Dazu gehören Störungen von Vorlesungen oder das Besetzen einer Moschee-Baustelle inkl. Aufhängen von Transparenten. Die umfangreichste Aktion war das Chartern eines Schiffes, um andere Schiffe am Retten schiffbrüchiger Migranten aus dem Mittelmeer zu hindern – eine hasserfüllte Aktion, die zudem gegen das Seerecht verstößt und zum Glück scheiterte.

Über veränderte Begriffe versuchen Identitäre, eine Diskurshoheit zu gewinnen. So prägten sie den Begriff "Ethnopluralismus" – erst wenn man genauer nachfrage, entpuppe sich das als fein säuberliches Auseinanderhalten verschiedener Menschen, also als radikal gesteigerte Apartheid.

Die Gruppe ist in Deutschland eher klein, vielleicht 400 Personen – wirkt aber größer, da sie eine professionelle Medienarbeit betreiben. Ihr Wirkungskreis ist noch gefährlicher: Denn es gibt Schnittmengen zur AfD. Manche Identitären-Exponenten arbeiten als Mitarbeiter von AfD-Abgeordneten – wo sie deren Gedankengut weiter nach rechts rücken können.

Der informative Abend endete mit breiter Diskussion darüber, wie man am besten dagegen vorgehen kann.

Julian Bruns, Kathrin Glösel, Natascha Strobl, "Die Identitären. Handbuch zur Jugendbewegung der Neuen Rechten in Europa" – 3. akt. Auflage ISBN 978-3-89771-224-9

Kathrin Glösel, Hanna Lichtenberger, UNBEUGSAM & UNBEQUEM. Debatten über Handlungsräume und Strategien gegen die extreme Rechte, ISBN 978-3-89771-232-4