Kostenpflichtiger Ethik-Unterricht

Das Beispiel Karoline-Kaspar-Schule - ein Kampf um Ethikunterricht ab der ersten Klasse.


Während der Ethikunterricht als Alternative zum Fach Religion in Baden-Württemberg ab der 8. Klasse inzwischen zur Regel geworden ist, wird den konfessionslosen Kindern der unteren Klassenstufen ein adäquater Ersatzunterricht immer noch vorenthalten – und dies, obwohl die Zahl konfessionsloser Kinder mittlerweile rapide angestiegen ist.

Den vielleicht größten Anteil konfessionsloser Kinder, zumindest in Baden-Württemberg, hat die Karoline-Kaspar Schule in Freiburg. Über die Hälfte der Schülerinnen und Schüler dieser Schule, nämlich fast 60 %, gehören nach Angaben der Schule keiner Konfession an.

Der Grund hierfür liegt wohl in der besonderen Bevölkerungsstruktur des noch sehr jungen Stadtteiles „Vauban“, in dem die Karoline-Kaspar Schule steht. Vor allem junge Familien der sich alternativ orientierenden gebildeten Oberschicht leben in diesem Stadtteil, der seinem Selbstverständnis nach den Kindern gehört: Spielplätze, Grünflächen, autofreie Straßen, Kinder- und Bioläden prägen das Bild. Der Anteil der Grünenwähler ist der höchste in Deutschland – 69% wählten hier bei der letzten Bundestagswahl grün.

 

Wie an allen staatlichen Schulen, wird auch an der Karoline-Kaspar-Schule Religion als ordentliches Fach gelehrt; ein gleichwertiges Ersatzfach für konfessionslose Kinder ist nicht vorgesehen. In den ersten beiden Klassen ist selbst eine einfache Freistellung vom Religionsunterricht grundsätzlich gar nicht möglich, da nicht nach Stundenplan sondern nach Bedarf und Situation unterrichtet wird. Dies bedeutet, dass eine Freistellung unmöglich ist, da Religion nicht zu festen Zeiten unterrichtet wird. Weil für eine alternative Betreuung während des Religionsunterrichts kein Geld zur Verfügung gestellt wird, haben sich die Bedürfnisse der nicht konfessionell gebundenen Mehrheit denen der religiös gebundenen Minderheit unterzuordnen.

Angesichts des hohen Anteiles konfessionsloser Kinder auf der Karoline-Kaspar Schule, wäre es nur konsequent, wenn für die Kinder ohne konfessionelle Zugehörigkeit ein Ersatzfach anstelle von Religion angeboten werden würde.

Diese Auffassung vertrat bereits vor 4 Jahren selbst der katholische Schuldekan in Freiburg, Klaus Spieß. Er reagierte damals auf einen von Eltern der Schule initiierten Versuch, Ethikunterricht als Ersatzfach an dieser Schule einzurichten. "Was sollten wir dagegen haben?", fragte sich, wie einem Artikel der Badischen Zeitung vom 4.11.2002 zu entnehmen ist, damals auch sein evangelischer Amtskollege Manfred Jeub. Bei solch einem beträchtlichen Anteil an Schülern ohne Konfession müsse einfach etwas passieren, so Jeub weiter.

Auch wenn die Daten überzeugten, scheiterte die im Jahr 2002 gestartete Initiative am Widerstand des Kultusministeriums - obwohl diese Initiative sowohl von den zuständigen Dekanaten als auch durch Anträge der Schulleitung der Karoline Kaspar Schule sowie einer weiteren Freiburger Schule auf Einrichtung eines Modells zur Erprobung von Ethikunterricht an Grundschulen unterstützt wurde. Den konfessionslosen Schülern sei es freigestellt, am Religionsunterricht teilzunehmen und es obliege den Schulen, deren Betreuung zu regeln, sagte damals der Sprecher des Kultusministeriums.

Diese Aussage überrascht. Dem Kultusministerium fehlte damals offensichtlich jegliches Problembewusstsein.

Einen ordentlichen Ethikunterricht gibt es auf der Karoline-Kaspar-Schule bis heute nicht.

 

In Zusammenarbeit mit der Schulleitung und den Eltern wurde inzwischen allerdings eine Philosophie AG eingerichtet, die jedoch, da das Kultusministerium kein Geld hierfür vorsieht, für die Eltern kostenpflichtig ist. Mindestens 120 Euro im Jahr müssen Eltern zahlen, wenn sie wollen, dass sich ihr Kind in Form eines bekenntnisfreien Unterrichtes mit humanistischen Fragen und Werten auseinandersetzt.

Gemäß Schulgesetz Baden Württemberg (§ 9 Absatz 3) ist auf der anderen Seite ein Religionsunterricht bereits ab einer Minderheit von acht Schülern an einer Schule einzurichten. Auf der Karoline-Kaspar-Schule ist demgegenüber sogar die Mehrheit der Kinder konfessionslos. Hier wird der ungleiche Stellenwert deutlich, den das Kultusministerium in Baden-Württemberg den Interessen derer beimisst, die sich zum Christentum bekennen und derer, die ihr Leben auf der Basis säkularer Werte und Überzeugungen leben wollen.

Im Schulgesetz (§100 a Absatz 3) heißt es weiter: „Das Kultusministerium stellt bei Vorliegen der personellen und sachlichen Voraussetzung durch Rechtsverordnung fest, ab welchem Zeitpunkt der Unterricht im Fach Ethik in den einzelnen Schularten und Klassen zu besuchen ist.“ Die personellen Voraussetzungen wären auf der Karoline-Kaspar Schule eindeutig gegeben.

Warum verweigert das Kultusministerium also der Karoline-Kaspar Schule die Einrichtung eines Ersatzfaches für Religion? Es verstößt damit doch eindeutig gegen das „Gebot der Neutralität“. Dieses Gebot ist nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG 6 C 11-97 vom 19.6.1998) nämlich erst dann erfüllt, „wenn der Gesetzgeber für nicht am Religionsunterricht teilnehmende Schüler, gleichwertige Unterrichtsfächer im Sinne einer gleichwertigen Auswahlmöglichkeit vorsieht“.

 

Die Antwort auf die oben gestellte Frage liefert die Stellungnahme des Kultusministeriums auf einen Antrag zur „Einführung des Ethikunterrichts ab der ersten Klasse“, den die die „Grünen“ am 10.12.2001 im Baden-Württembergischen Landtag mit der Begründung vorlegten, „dass alle Schülerinnen und Schüler, die keinen Religionsunterricht besuchen, im Rahmen der Erziehungsauftrages der Schule, die Möglichkeit erhalten müssen, sich gezielt mit ethischen und philosophischen Sinn- und Wertfragen auseinanderzusetzen.“

Zum einen wird in der Stellungnahme des Ministeriums zu diesem Antrag auf nicht vorhandene finanzielle Ressourcen verwiesen - was allerdings eine Sache der Prioritätssetzung ist -, zum andern bestand von Seiten des Kultusministeriums auch hier mangelndes Problembewusstsein. Das Letztere belegt die Auffassung des Ministerium, nach der es eine Aufgabe grundsätzlich „aller Fächer“ sei, den Schülerinnen und Schülern Grundwerte und ethische Einstellungen zu vermitteln; was diese, wenn sie sich denn dieses Bildungszieles bewusst wären, mithilfe ihrer spezifischen Inhalte nachhaltiger erreichen würden, als über ein Fach, welches ausschließlich Ethik zum Gegenstand habe. Das Fach Ethik erübrige sich demnach.

Schlussendlich hält das Ministerium ausdrücklich daran fest, „dass Schülerinnen und Schülern vorrangig Anspruch auf Erteilung von Religionsunterricht in ihrem jeweiligen Glaubensbekenntnis haben“. Diesen Unterricht könne ein Fach Ethik nicht ersetzten.

Eine bemerkenswerte, da sachlich unnötige Feststellung, stand doch die Forderung, den Religionsunterricht grundsätzlich durch Ethik zu ersetzen, hier überhaupt nicht zur Debatte.

 

Eine weitere Initiative für die Einführung eines Ethikunterrichtes als ordentliches Lehrfach auf der Karoline-Kaspar-Schule wird - wie es jetzt aussieht - nicht lange auf sich warten lassen.

Anna Ignatius