„Du sollst nicht falsch Zeugnis reden …“

BERLIN. (hpd) Desinformation, Diffamierung anderer Positionen und ihrer Vertreter sowie skrupelloser Stimmenfang sind die hervorstechenden Methoden, mit denen die Initiative „Pro Reli“ arbeitet. Mit dem wertzuschätzenden ethischen Anspruch der Bibel „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten“ haben sie nichts zu tun.

Die Initiative „Pro Ethik“ sieht sich dadurch gezwungen, immer wieder über Pro-Reli-Propaganda aufzuklären.

Dazu einige Beispiele:

Bischof Huber und EKD: Desinformation und Diffamierung

Spätestens seit September 2008 wird von Bischof Huber immer wieder öffentlich behauptet, durch die Einführung des Pflichtfaches Ethik sei seit dem Schuljahr 2005/06 die Teilnahme am Religionsunterricht in den Oberschulen in hohem Maße zurückgegangen, und zwar um 25 Prozent. Am 4. Dezember werden Äußerungen von Bischof Huber wie folgt wiedergegeben: „Zudem gehe das Berliner Pflichtfach Ethik zulasten des freiwilligen Religionsunterrichts, argumentierte Huber. Wegen eines übervollen Stundenplanes und der Verkürzung der Schulzeit habe es Einbrüche von 25 Prozent bei der Teilnahme am Religionsunterricht gegeben“, so auch in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 5.12.2008. Nunmehr sind in der aktuellen Dezember-Ausgabe des Pro-Reli-nahen Blattes „Notbund aktuell“ auf Seite 4 die realen – anders lautenden – Zahlen für den evangelischen Religionsunterricht (PDF „Religionsunterricht“ im Anhang) dargestellt.

Derzeit wird das Fach Ethik in den 7. bis 9. Klassen unterrichtet. Die angegebenen Prozentzahlen beziehen sich auf den Anteil der SchülerInnen, die am evangelischen Religionsunterricht teilnehmen im Verhältnis zur Gesamtschülerzahl der jeweiligen Jahrgangsstufe. Es bleibt abzuwarten, ob sich Bischof Huber gegenüber der Öffentlichkeit für die monatelange Desinformation entschuldigt und über die realen Zahlen informiert. Das Blatt „Notbund aktuell“ kann bei Bedarf angefordert werden von: notbund-ru@t-online.de

In einer durch Bischof Huber als Vorsitzender des Rates der EKD zu verantwortenden Erklärung „Rat der EKD zum Volksbegehren in Berlin“ vom 24.11.2008 wird der gemeinsame Berliner Ethikunterricht in grober Weise diffamiert, wenn es dort heißt, er verfehle „die freiheitlich-demokratischen Prinzipien“ und reduziere „die Bildungsaufgabe der Schule in unverantwortlicher Weise“, während der Religionsunterricht der „Religionsfreiheit der Schülerinnen und Schüler“ diene. Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits im März 2007 eine Verfassungsbeschwerde gegen die Teilnahmepflicht am gemeinsamen Ethikunterricht nicht zur Entscheidung angenommen, weil diese Pflicht (wie bei anderen normalen Schulfächern auch) in keiner Weise die Freiheitsrechte der Schülerinnen und Schüler verletzt. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht die dem Ethikunterricht in Berlin von der parlamentarischen Mehrheit zugewiesene Aufgabe gesellschaftlicher Integration als völlig legitim und angesichts der Pluralität in Berlin begründet erklärt.

Unterschriftensammlung von Pro Reli – Desinformation und Täuschung

Mit einer Diffamierung des gemeinsamen Ethikunterrichts wirbt „Pro Reli“ auch auf seinem Unterschriftenbogen für das Volksbegehren. Ethik wird dort als „Zwangsfach“ bezeichnet und „Grundrechte auch in Berlin“ gefordert, als wenn diese hier nicht gewährleistet würden. Es wird nicht darüber informiert, dass es in Berlin bereits seit 1948 die Möglichkeit gibt, unabhängig vom Ethikunterricht und völlig freiwillig einen Religions- bzw. Weltanschauungsunterricht zu besuchen (der im Übrigen mit jährlich ca. 50 Mio. Euro vom Land Berlin finanziert wird).
Ein Schlaglicht auf die Praxis der Unterschriftensammlung wirft ein Bericht der evangelischen Wochenzeitung „dieKirche“ vom 30.11.2008 unter der Überschrift „Freie Wahl“ (PDF im Anhang). Dort werden u.a. folgende Begründungen zitiert, in denen zum Ausdruck kommt, dass den Unterschreibenden offensichtlich nicht bewusst ist, was sie unterschreiben – und die SammlerInnen sie in dieser Unklarheit belassen, ja, es als Erfolg buchen, diese Menschen zur Unterschrift bewegt zu haben: „Wir sind ja nicht in der Kirche, aber die Bildung soll nicht den Bach runtergehen" – oder: „Wat, freie Wahl? Genau! Dit kann nich sein, dass die immer alle Religion machen müssen. Die müssen ooch mal die freie Wahl haben!"

Vereinnahmung von Kirchenmitgliedern und von Mitgliedern anderer Verbände

Mit Erfolg haben eine Reihe von PfarrerInnen, TheologInnen und Laien aus beiden christlichen Kirchen mit ihrer Initiative „Christen pro Ethik" deutlich gemacht, dass sie die gegen den gemeinsamen Ethikunterricht gerichtete Kampagne der Amtskirchen aus Überzeugung nicht mittragen.
Protest gibt es auch gegen Verbände, die – ohne ihre Mitglieder zu fragen – sich der Pro-Reli-Kampagne angeschlossen haben. Dazu gehört z.B. die „Johanniter-Unfall-Hilfe“. Ein langjähriges Mitglied dieses Verbandes, Hildegard Weil aus Berlin-Lichtenrade, übermittelte uns zur Kenntnis die Kündigung ihrer Mitgliedschaft. Sie weist darauf hin, dass die Unterstützung von „Pro Reli“ weder zu den satzungsmäßigen Zielen der Johanniter gehört, noch dass es eine entsprechende Willensbildung gibt. Sie verweist auf die „Christen pro Ethik“ und schreibt: „Ihre einseitige politische Stellungnahme als Marionette der evangelischen Amtskirche kann ich beim besten Willen nicht mittragen.“

ProReli-Kampagne stört den Schulfrieden in Berlin

Die Initiative „Pro Ethik“ erreichen in letzter Zeit immer wieder Informationen, dass Schülerinnen und Schüler im Religionsunterricht desinformiert bzw. gegen das Fach Ethik aufgebracht werden.
In einer E-Mail an die Initiative „Pro Ethik“ berichtet eine Ethiklehrerin von einem Zettel, der im Unterricht einer 7. Klasse herumging und auf dem Folgendes stand: „In Reli besprechen sie grad, dass Ethik bald abgeschafft wird. Falls wenn, wird da Religion gemacht. Dann haben wir zwei Freistunden.“ Ein Artikel der „Berliner Zeitung“ vom 5.12. (Störgeräusche im Klassenzimmer) beschreibt Erfahrungen eines Ethiklehrers wie folgt: „Ein Mädchen sprang während des Unterrichts auf und brüllte: ’Ethik ist Scheiße‘“, sagt Böhnke. Gefragt warum, habe es geantwortet, es glaube an Gott und nicht an den Urknall und außerdem würden sowieso für die Abschaffung von Ethik Unterschriften gesammelt.“

ProReli: „Partnerschaft mit Medien (Funk und Print)“: ein Beispiel  

In seiner Kampagneplanung hatte „Pro Reli“ im Sommer 2008 vorgesehen mit Funk- und Printmedien eine Partnerschaft aufzubauen. Verfolgt man die Presse der letzten Monate, ist dieses wohl nicht gelungen.
 
Ausnahmen bestätigen allerdings die Regel. Zu diesen gehören z.B. der Redaktionsleiter des „Tagesspiegel“ Appenzeller (dazu folgt eine Kritik in der nächsten Woche) und der Redakteur Malte Lehming, die in Sachen Pro Reli statt seriösen Journalismus platte Propaganda betreiben, die des Tagesspiegels nicht würdig sind. In der Online-Debatte zum Lehming-Artikel gegen die Initiative „Christen pro Ethik“ gab es keinen einzigen Beitrag, der Herrn Lehming verteidigt. Und der Berliner Kant-Experte Prof. Dr. Georg Geismann schrieb: „Sehr geehrte Damen und Herren! Zwar eifert Ihre Zeitung, wenn es um religiöse Angelegenheiten geht, noch nicht so, wie der Osservatore Romano Tedesco, also die FAZ, es gewöhnlich tut; – aber immerhin lassen Sie offensichtlich kritische Ansichten nicht gern zu Wort kommen. Wer will dies auch schon, wenn er etwas, was er für Wahrheit hält, verkünden will, ohne dafür Vernunftargumente ins Feld führen zu können.“ (PDF Leserbrief im Anhang).
 
Die Zeitung „Die Welt" hatte am 26.11.2008 hetzerisch behauptet, dass in Berlin die „Sozialdemokraten die Entkirchlichungspolitik der SED mit deren Erben fortsetzen und Religionsunterricht abgeschafft haben“ und wurde durch den Landesverband der SPD zum Abdruck einer Gegendarstellung gezwungen.
 
Wer es so nötig hat, Propaganda zu betreiben, statt seriös, objektiv und aufklärend über die Berliner Debatte zum Ethik- und Religionsunterricht zu informieren, diskredidiert damit nicht nur den Journalistenberuf, sondern zeigt zugleich, dass es wohl einen Mangel an überzeugenden Argumenten für das von Pro Reli angestrengte und von den Kirchen unterstützte Volksbegehren gibt.
 
Wieweit die Propaganda von Pro-Reli und seiner wenigen Unterstützer in Zeitungsredaktionen auf die breite Bevölkerung wirkt, wird das Ergebnis der Pro-Reli-Unterschriftensammlung im Januar 2009 zeigen.


Gerd Eggers