BERLIN. (hu/hpd) Anlässlich der ersten Lesung des Gesetzentwurfs zum Besuch so genannter Terrorcamps (BT-Drs. 16/11735) im Deutschen Bundestag kritisiert die Humanistische Union den Entwurf der Regierungskoalition als neuerlichen Auswuchs eines Gesinnungsstrafrechts.
Weder sei ein gesetzgeberischer Bedarf für die neuen Überwachungsbefugnisse erkennbar, noch genügten die vorgeschlagenen Straftatbestände rechtsstaatlichen Anforderungen.
In einer ersten Stellungnahme weist Jens Puschke, Vorstandsmitglieder der Bürgerrechtsorganisation, besonders auf die Probleme hin, wenn eine Strafbarkeit vor allem auf subjektive Tatmerkmale gestützt werde: "Nach dem Vorschlag soll beispielsweise die Aneignung von Fertigkeiten bestraft werden, die später möglicherweise für die Ausübung einer Gewalttat nutzbar sind. Der Gesetzestext ist dabei allerdings so unbestimmt, dass beispielsweise auch das Erlernen einer Sprache darunter fallen würde, schließlich könnten die Täter in der Vorbereitung ihrer Anschläge miteinander kommunizieren." Der Gesetzentwurf zeige die fatale Logik eines Sicherheitsdenkens, das im Kampf gegen vermeintliche Terroristen keine Grenzen mehr kenne: "Die Gerichte können die neuen Straftatbestände kaum sinnvoll anwenden, weil allein die mutmaßliche innere Beziehung zu künftigen Gewalttaten unter Strafe gestellt werde, die sich hinter an sich harmlosen Tätigkeiten wie dem Sammeln von Geld, dem Lernen oder der Kommunikation verbergen soll", so Puschke.
Mit dem heute beratenen Gesetzentwurf zielt die Bundesregierung vor allem auf alleinhandelnde Täter. Jens Puschke widerspricht jedoch der Behauptung des Bundesinnenministeriums, die vorgeschlagenen Regelungen seien notwendig, um eine "Sicherheitslücke" im deutschen Strafrecht zu schließen: "Die Bundesregierung ist bisher jeden Nachweis schuldig geblieben, dass es einer solchen Regelung überhaupt bedarf. Bei allen zur Begründung aufgeführten Beispielen - von den Attentaten in London und Madrid bis zu den verhinderten Anschlägen in nordrhein-westfälischen Regionalzügen oder der Sauerland-Gruppe - handelte es sich gemeinschaftlich begangene Taten, deren Vorbereitung bereits mit dem geltenden Strafrecht zu verfolgen ist."
Was das Staatsschutzrecht angehe, sieht Puschke durchaus Handlungsbedarf - jedoch in eine andere Richtung: "Die bestehenden Regeln zur Vorfeldermittlung gegen terroristische Vereinigungen (§§ 129a, b StGB) werden systematisch dazu missbraucht, um zum Teil jahrelang gegen Verdächtige verdeckt zu ermitteln." Jährlich würden ca. 80 Ermittlungsverfahren eingeleitet, denen nur eine Handvoll Anklagen und noch weniger Verurteilungen gegenüber stehen. "Befugnisse zur Vorfeldermittlung sind zum universellen Türöffner für BKA und Polizeibehörden geworden, ohne dass sich die Betroffenen dagegen wirksam wehren könnten", fasst Puschke die Probleme mit den bestehenden Vorfeldermittlungen zusammen. "Nach dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf befürchten wir, dass die Bundesregierung mit den neuen Straftatbeständen weitere Türöffner für Schnüffler schafft, ohne die seit langen bekannten Missstände in diesem Bereich zu beheben."
Sven Lüders