DORTMUND. (hpd) Mit über 650 Gästen im Laufe des Semesters hatten die Veranstalter des interdisziplinären Kolloquiums Biologie und Gesellschaft an der Technischen Universität Dortmund nicht gerechnet. Aber es zeigt eines sehr deutlich: Darwins (r)evolutionäre Gedanken sind weder überholt noch gesellschaftlich fest verankert.
Sieben Vorträge mit namhaften Wissenschaftlern aus dem Bereich der Evolutionsforschung machten das Kolloquium zu einem der Hauptattraktionen des Semesters. Zu Gast waren international bekannte Forscher wie Volker Sommer, Friedemann Schrenk, Franz M. Wuketits und Eckart Voland, die in ihren Vorträgen einmal mehr die revolutionären Erkenntnisse Darwins für die Wissenschaft hervorhoben.
Unter der Leitung der Biologiedidaktiker Dittmar Graf und Bernhard Verbeek, die das Kolloquium in jedem Semester durchführen, konnten die Gäste einen Einblick in theoretische Diskussionen als auch in praktischer Umsetzung der Evolutionsforschung gewinnen.
Ausstellungsvitrine / Foto: Chr. Lammers Begonnen hatte die Veranstaltungsreihe mit der feierlichen Eröffnung der Hermann Müller Ausstellung in der Dortmunder Universitätsbibliothek. Hermann Müller war Biologe und Zeitgenosse Darwins. Müller wurde nicht nur von Darwin für seine präzisen Aussagen zur Blütenforschung geschätzt, er war auch einer der ersten Biologen in Deutschland, die während des Kulturkampfes die Evolutionstheorie verteidigte und mit der Obrigkeit in Konflikt geriet. Zudem stellte er als erster einen allgemein gültigen Lehrplan für den Biologieunterricht auf. Leider ist Hermann Müller, der Lehrer an der Lippstädter Realschule war, nach seinem Tod fast vollständig in Vergessenheit geraten. Von daher bot das Darwin-Jahr die Gelegenheit den berühmten Forscher erneut zu entdecken.
Das Kolloquium bot jedoch nicht nur Einblicke in theoretische Diskussionen wie die noch verbliebenen Fragen an die Evolutionsforschung (Volker Mosbrugger) oder die in der Gesellschaft verankerten Vorbehalte und Fehlurteile gegenüber Darwin (Claus Leggewie, Bernhard Verbeek und Franz M. Wuketits).
Prof. V. Sommer und Prof. F. Schrenk Mit Volker Sommer vom University College in London und dem Paläoanthropologen Friedemann Schrenk aus Frankfurt waren zwei ausgewiesene Praktiker zu Gast in Dortmund. Volker Sommer berichtete ausführlich von seiner mittlerweile zehnjährigen Arbeit mit Schimpansen in den Bergwäldern Nigerias. Er veranschaulichte die überaus zahlreichen Gemeinsamkeiten zwischen dem Menschen und seinen nächsten Verwandten. Friedemann Schrenk berichtete ebenfalls von seiner Arbeit in Afrika. Hierbei standen Ausgrabungen zur Menschheitsgeschichte im Mittelpunkt. Im letzten Vortrag war es dem Soziobiologen Eckart Voland vorbehalten eine Lanze zu brechen. Er thematisierte die evolutionäre Entwicklung der Frömmigkeit und damit die Bedeutung der Religiosität für die Entwicklung des Menschen.
Bei aller Freude muss (Selbst)Kritik erlaubt sein. Den Veranstaltern ist es leider nicht gelungen auch nur eine Forscherin aus dem Wissenschaftsbetrieb nach Dortmund einzuladen. Das lag weniger an dem nicht-wollen der Fachgruppe, sondern eher an dem nicht-können der eingeladenen Wissenschaftlerinnen und der bedauerlicherweise zu überschaubaren Zahl an Forscherinnen auf diesem Gebiet. Die Ausstellung zu Hermann Müller hat erneut gezeigt mit welchen Herausforderungen die Didaktik in den nächsten Jahren zu kämpfen hat. Das Gästebuch zur Ausstellung war voll von Beschimpfungen mit obskuren Vergleichen, die in dem Ausmaß nicht erwartet waren und von der Pressestelle der Universitätsbibliothek ausdrücklich bedauert wurden. Dass die örtliche Presse nur bedingt an den Referenten und dem Kolloquium Interesse zeigte, mag der Vielzahl an Berichten und Kommentaren zum Darwin-Jahr geschuldet sein. Tatsache ist aber auch, dass solche berühmten Forscher nicht jedes Jahr nach Dortmund kommen werden.
Das Kolloquium Biologie und Gesellschaft ist mittlerweile zu einer festen Institution an der TU Dortmund geworden und bietet eine gute Gelegenheit zum Brückenschlag zwischen Natur- und Geisteswissenschaften. Dass sich die Fachgruppe auf dem Erfolg nicht ausruhen will, zeigen die Planungen für das kommende Wintersemester 2009/2010. Bereits jetzt konnten wieder namhafte Forscher/innen eingeladen werden. Mehr zum Programm gibt es im Laufe des Sommers auf der Internetseite www.biologieundgesellschaft.de, wo sich Interessierte über den Newsletter informieren lassen können.
Christopher Lammers