Der Humanistische Pressedienst hat Ende Juli einen Artikel von Matthias Freyberg veröffentlicht: "Lebenssinn und der Mut zu sich selbst". Dem Buchautor Uwe Lehnert genügten die darin geäußerten Gedanken darüber, dass wir einer mitleidlosen Natur ausgeliefert sind, nicht. Er versucht aufzuzeigen, wie ein Humanist denkt und lebt.
Martin Freyberg liefert eine aspektreiche Beschreibung unserer Situation als "ins Dasein geworfene Wesen", wie eine bekannte philosophisch-theologische Wendung gern formuliert. Er stellt zu Recht fest, dass die Natur uns gegenüber mitleidlos ist und uns keinen Hinweis liefert, was der Sinn unserer Existenz hier sein könnte. Er fragt deshalb: Wo stehe ich mit meinen Bedürfnissen und Wünschen? Was treibt mich an, worauf hoffe ich, was ist mir wichtig?
Freyberg rührt damit an jene grundlegenden weltanschaulichen Fragen, die den nachdenkenden Menschen umtreiben, solange er schon über sich und die Welt reflektiert: "Was ist die Welt, was ist der Mensch? Was ist gut, was ist böse? Was darf ich erwarten, was soll ich tun?" Gefragt ist gewissermaßen nach einer "Storyline" für unser Leben, für die Gestaltung unseres zwischen Geburt und Tod eingefügten Daseins. Ich versuche mal aus ganz subjektiver Sicht, darauf eine Antwort zu geben.
Die Säulen einer naturalistisch-humanistischen Weltanschauung
Ich kennzeichne meine Weltanschauung schlagwortartig durch drei Säulen: Ein naturalistisches Weltbild, ein säkulares Wertesystem und eine strikte Diesseitsorientierung. Diese drei Säulen einer naturalistisch-humanistischen Weltanschauung bilden in groben Zügen das, was wir heute den "Neuen Humanismus" nennen. Für mich persönlich würde ich mein humanistisches Bekenntnis so beschreiben:
Erstens: Ich betrachte das, was die heutigen Naturwissenschaften, die Wissenschaften von der Wirklichkeit, als derzeit gesicherte Erkenntnis ansehen, für mich zunächst einmal als maßgebend für alle weiteren Überlegungen. Vor allem ist es die rationale, logische und systematische Denkweise der heutigen Naturwissenschaften und ihre empirische Verankerung, die ich mir zum Vorbild genommen habe. Nach meiner Überzeugung bilden rational-logisches Denken und naturwissenschaftlich erarbeitetes Wissen die sicherste und intellektuell befriedigendste Basis für unser Denken und Handeln.
Denn worüber man nichts Begründetes sagen kann, kann man allenfalls spekulieren. Sich seines Denkvermögens zu bedienen, heißt deshalb für mich, nichts zu "glauben", was dem Verstand und wissenschaftlicher Erkenntnis eindeutig widerspricht. Ich bin höchst skeptisch allem gegenüber, was für sich Gültigkeit, ja Wahrheit beansprucht, ohne dafür wenigstens plausible Gründe angeben zu können. Dennoch ist nicht zu bestreiten, dass Wissenschaft heute noch vieles nicht erklären kann, und dass unser Wissen vielleicht niemals vollständig sein wird. Insofern gilt es offenzubleiben für neue und überraschende Entwicklungen und Einsichten, die geeignet sind, bisher nicht Angezweifeltes in Frage zu stellen.
Zweitens: Ein säkulares Wertesystem kennt statt einer göttlich gestifteten Moral eine vernunftbasierte Ethik. Die Jahrtausende alte Regel "Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu" stellt eigentlich schon ein umfassendes Gebot friedlichen Zusammenlebens dar. Und es gilt vor allem deswegen Gutes zu tun, weil es gut ist, nicht weil eine Gottheit ganz hoch oben Belohnung verspricht.
Ein säkulares Wertesystem orientiert seine Normen und Regeln an den fundamentalen Bedürfnissen und Interessen der Menschen. Der Mensch setzt also die Norm, nicht eine unsichtbare Gottheit über uns. Dieses säkulare Wertesystem hat evolutionär entstandene Wurzeln und artikuliert sich heute in humanistischen Grundsätzen und allgemein anerkannten Menschenrechten wie Selbstbestimmung, Gleichberechtigung, Solidarität, soziale Gerechtigkeit, wohlüberlegte Toleranz, zum Beispiel gegenüber einem privat gelebten Glauben.
Im Zentrum meines humanistischen Konzepts steht jedenfalls die Aussage – die in den Ohren gottgläubiger Menschen wie eine Provokation klingen mag –, dass letztlich Menschen vereinbaren und festlegen, was gut oder schlecht, was erstrebenswert oder abzulehnen sei. Da Menschen naturgemäß unterschiedliche Bedürfnisse und Interessen haben, sollte in diesem Zusammenhang das Prinzip des fairen Interessenausgleichs gelten. Das bedeutet, dass man sich um der Gerechtigkeit und des sozialen Friedens willen immer zu fragen hat: Was ist gleichermaßen gut und akzeptabel für alle Betroffenen?
Und drittens: Meine strikte Diesseitsorientierung basiert auf der Einsicht, dass ich höchstwahrscheinlich nur dieses eine Leben habe. Folglich sollte ich versuchen, das Bestmögliche aus meinem Leben zu machen. Dieses Streben nach Erfüllung meines Lebens muss aber immer auch den Mitmenschen im Blick haben, der ebenso glücklich werden will. Deshalb gelingt ein erfülltes Leben vermutlich am besten dadurch, dass man sich gesellschaftlich engagiert, sei es im politischen, im humanitären, vielleicht im künstlerischen Bereich. Die ganz generelle Frage lautet daher: Was kann ich tun, um anderen Menschen zu mehr "Glück" – in welcher Form auch immer – zu verhelfen, was kann ich tun, um "Leid" zu mindern?
Der Philosoph Peter Singer hat das mal so formuliert: "Je mehr wir für andere leben, desto zufriedener leben wir. (…) Wir können die Welt ein klein wenig besser hinterlassen, als sie es gewesen wäre, wenn wir nie existiert hätten. Wir können dies erreichen, indem wir die Schmerzen und Leiden der Geschöpfe in der Welt verringern; oder umgekehrt, indem wir ihnen zu mehr Glück und Freude verhelfen." Und schließlich: Wer sich bemüht hat und wem es gelungen ist, auf ein erfülltes, glückliches Leben zurückblicken zu können, dem wird es leichter fallen, von dieser Lebensbühne wieder abzutreten.
Wenn man so will, kann man mich einen "bekennenden, undogmatischen Atheisten" nennen. Ich selbst verwende für mich den Begriff Atheist kaum, obwohl von meiner Auffassung her eine solche Bezeichnung zutreffend wäre. Den Begriff Humanist halte ich für angemessener und aussagekräftiger. Ich definiere meine Weltanschauung weniger durch Negation einer Auffassung als vielmehr positiv durch Charakterisierung der Komponenten, die meine Weltanschauung beschreiben: ein naturalistisches Weltbild, ein säkular begründetes Wertesystem und eine strikte Diesseitsorientierung. Sie sind das Ergebnis meines "vernunftgeleiteten" Nachdenkens und das vieler anderer Menschen über die Welt und unsere Rolle darin. Ein persönlicher Gott und barmherziger Weltenlenker kommt in meinem Weltbild nicht vor, denn ich kann beim besten Willen die Grundlagen zu einem solchen Glauben nicht erkennen.
Metaphysische Fragen, die jenseits der rationalen Bewältigung des Alltags liegen
Einer naturalistischen Weltanschauung wird gern "emotionale Armut" vorgeworfen, eine "reduzierte Wirklichkeitswahrnehmung" oder "Blindheit gegenüber den seelischen Bedürfnissen eines Menschen, der sich in existenzieller Not befindet". Diese Vorwürfe sind nicht ganz unberechtigt. Wer Religionen ablehnend gegenübersteht, auch die Idee eines Jenseits verwirft, meidet eher das Nachdenken über Themen, die den Alltag "transzendieren", Fragen, die sozusagen die "letzten Dinge" betreffen. Denn Nichtgläubige haben die Sorge, wie gehabt, wieder in irrationales oder esoterisches Fahrwasser zu geraten.
Dennoch befassen sich auch Nichtreligiöse mit Fragen, die jenseits der rationalen Bewältigung des Alltags liegen. Auch Nichtgläubige denken über den Urgrund allen Seins nach, über die Unbegreiflichkeit der Realität, kennen Gefühle des Einssein mit der Natur, bedenken das eigene Ende. Solche Themen sprechen – wie man sagen könnte – eine Art "spirituelle" Dimension an – oder wie man es auch bezeichnen mag – und werden von vielen Nichtreligiösen inzwischen, wenn auch mit großer Zurückhaltung, als eine den Blick auf das Dasein erweiternde, wenn nicht bereichernde Dimension wahrgenommen. Dies umso mehr, je weniger solche Vorstellungen und Gedanken heutiger Philosophie und Wissenschaft widersprechen.
Bei dem Gedanken an die Endlichkeit der eigenen Existenz allerdings bietet die Verheißung auf ein Weiterleben im Jenseits einem Nichtgläubigen keinen Trost. Zu offenkundig ist dieses religiöse Versprechen für ihn bloßes Wunschdenken. Ein Humanist im oben beschriebenen Sinne wird ohne das Versprechen eines ewigen Lebens daher mehr Mut und Kraft aufbringen müssen. Dies wird ihm leichter gelingen, wenn er mit Einsicht und Gelassenheit akzeptiert hat, dass die Natur uns Menschen nur einen einmaligen und im kosmischen Maßstab gesehen flüchtigen Auftritt auf diesem Planeten gewährt.
Der Christ wird auf das ihm versprochene ewige Leben verweisen und darin am Lebensende seinen Trost finden, jedenfalls ist dieses Versprechen essenzieller Teil seines Glaubensbekenntnisses. Ich kann jedoch diese Verheißung nur als Illusion ansehen, geboren aus dem brennenden Wunsch nach Weiterleben.
Ist es wirklich so, dass ein Christ am Ende seines Lebens tatsächlich Trost im Glauben findet, besonders wenn er noch vergleichsweise jung sterben muss? Die Angehörigen sind zutiefst erschüttert, viele hadern mit Gott und zweifeln an dessen Güte. Warum diese unendliche Trauer, wenn doch bei christlicher Lebensführung das Paradies winkt? Zumindest ein alter, aber gottesfürchtiger Mensch müsste bei seinem Ableben eigentlich von seinen Verwandten und Freunden beneidet werden. Geht er doch Gott entgegen. Warum diese tiefe, oft verzweifelte Trauer, wenn man ihn doch wiedersehen wird?
Trost nicht durch göttliche Verheißung
Mein Denken ist deshalb ein anderes als das eines gläubigen Christen, der auf Gott setzt und auf ein ewiges Leben hofft. Ein Mensch, der schon als Kind behutsam zu der Einsicht geführt wird, dass der Tod zum Leben gehört, dass der Tod das natürliche Ende eines Lebens ist, dass es wohl keinen gütigen Gott über ihm gibt, dass er aber auch nicht vor den Zufälligkeiten des Lebens geschützt ist, wie Krankheiten oder Unfällen etwa; ein Mensch, dem frühzeitig bewusst wird, dass er nur dieses eine Leben hat und dass er den Sinn seines Lebens nur hier auf Erden finden kann, wird ein anderes Leben führen als ein Christ.
Er wird sich bemühen, viel konsequenter sein Leben so zu gestalten, dass er positive Spuren hinterlässt: Kinder und Enkel, ein Haus für die Nachkommen, eine politische Leistung, die vielen Menschen Frieden und Wohlstand brachte, ein die Zeit überdauerndes künstlerisches Werk, ein berühmtes Bauwerk, eine das Leben erleichternde Erfindung – irgendeine persönliche Leistung, auf die er mit Genugtuung oder gar Stolz schauen kann. Besonders dann, wenn ihm so etwas gelungen ist und er vielleicht dank Medizin ein langes Leben hatte, kann er ruhig und gefasst von dieser Lebensbühne abtreten.
Viele glaubensfreie Menschen haben an ihrem Lebensende gezeigt, welche Stärke und Gelassenheit sie aus einer so gereiften Einstellung zum Leben und dessen Ende beziehen, welcher innere Friede sie erfasst hat, wenn sie – ja, so möchte ich es formulieren – keine falsche Hoffnung mehr hegen. Ich denke, "wer sein Feld bestellt hat", wird am Ende auch loslassen können, ohne Verzweiflung und ohne Angst vor dem Tod.
Was aber sage ich einem noch jungen Menschen, dem eine tückische Krankheit das Leben nimmt? Es fällt mir nicht leicht, hierauf eine tröstende Antwort zu finden. Aber was kann ein gläubiger Christ dazu sagen? Überzeugt und tröstet sein Hinweis auf Auferstehung und ewiges Leben einen Menschen von heute noch? Das gern verdrängte, unheilschwangere Wort vom Schicksal erinnert daran, dass wir eben nicht alles in der Hand haben. Philosophie, Soziologie, auch die Evolutionstheorie, bezeichnen diese prinzipielle Offenheit der Zukunft, dieses nicht plan- und vorhersehbare Geschehen und die damit verbundene Ungewissheit mit dem abstrakten Begriff Kontingenz. Diese hat mit Zufall und Unberechenbarkeit zu tun.
Die Theologen verweisen hier auf Gottes unerforschlichen Ratschluss, seinen souveränen Willen, trösten mit Verheißungen und verweisen auf das Paradies. Die Naturwissenschaften und die aus ihr hervorgegangenen Technologien bieten insofern realen Trost und begründete Hoffnung, als sie inzwischen wesentliche, Not wendende Beiträge zur Bekämpfung von Hunger, von Schmerzen, von Krankheiten und zur Bändigung von Naturkatastrophen vorweisen können und zukünftig wohl auch für derzeit noch nicht beherrschbares Leid. Von den Früchten der Wissenschaften und den daraus entstandenen Technologien haben inzwischen Abermillionen von Menschen profitieren und zumindest länger leben können. Dort, wo die Religionen noch die Lebensverhältnisse bestimmen, lebt die weit überwiegende Zahl der Menschen hinsichtlich ihrer Lebensqualität noch im Mittelalter.
Uwe Lehnert ist Autor des religionskritischen Buches "Warum ich kein Christ sein will – Mein Weg vom christlichen Glauben zu einer naturalistisch-humanistischen Weltanschauung", Tectum Wissenschaftsverlag (Nomos Verlagsgruppe), 2018, 7., vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage, Hardcover, 489 Seiten, 19,95 Euro.
45 Kommentare
Kommentare
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Ein vortrefflicher Artikel von Uwe Lehnert, So habe ich in 74 Jahren meines Lebens gelernt,
Peter Mersch am Permanenter Link
Ein sehr guter Beitrag, wie ich finde. Anbei einige Anmerkungen zum Text:
"Er stellt zu Recht fest, dass die Natur uns gegenüber mitleidlos ist und uns keinen Hinweis liefert, was der Sinn unserer Existenz hier sein könnte."
Folgt man den Naturgesetzen, dann ist der Sinn unserer Existenz durch den allgemeinen energetischen Zerfall (2. Hauptsatz der Thermodynamik, der quantenphysikalisch begründbar ist) bedingt. Bevor sich Leben per Evolution an irgendeine Umweltbedingung anpassen kann, muss es sich bereits an diese allgemeinste aller Umweltbedingungen angepasst haben. Es muss sich - wie man zeigen kann - kompetenzverlustavers verhalten. Für den Menschen wurde ein solches Verhalten auch empirisch nachgewiesen (Kahneman/Tversky).
"Die Jahrtausende alte Regel 'Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu' stellt eigentlich schon ein umfassendes Gebot friedlichen Zusammenlebens dar. Und es gilt vor allem deswegen Gutes zu tun, weil es gut ist, nicht weil eine Gottheit ganz hoch oben Belohnung verspricht."
Diese Goldene Regel der praktischen Ethik folgt bereits aus der allgemeinen Kompetenzverlustaversion des Lebens. Wenn man verstanden und akzeptiert hat, dass sich alles Leben kompetenzverlustavers verhält (und verhalten muss) und dies anderen Menschen in gleicher Weise zugesteht, dann folgt die Regel unmittelbar. Wie auch ein Großteil der 10 Gebote, die interessanterweise gleichfalls kompetenzverlustavers formuliert sind. Gutes muss man in dem Zusammenhang eigentlich nicht unbedingt tun. Man muss sich auch nicht zwingend am sozialen Leben beteiligen. Man könnte das Leben eines Einsiedlers führen.
"Dieses säkulare Wertesystem hat evolutionär entstandene Wurzeln und artikuliert sich heute in humanistischen Grundsätzen und allgemein anerkannten Menschenrechten wie Selbstbestimmung, Gleichberechtigung, Solidarität, soziale Gerechtigkeit, wohlüberlegte Toleranz, zum Beispiel gegenüber einem privat gelebten Glauben."
Diese angeblichen evolutionären Gründe überzeugen mich nicht. Vielmehr scheint mir all das bereits quantenphysikalisch begründbar zu sein.
"Das bedeutet, dass man sich um der Gerechtigkeit und des sozialen Friedens willen immer zu fragen hat: Was ist gleichermaßen gut und akzeptabel für alle Betroffenen?"
Und für die Betroffenen der nächsten Generationen, die vielleicht noch gar nicht auf der Welt sind!! Und damit komme ich zu einer Schwachstelle des humanistischen Denkens. Anders als die Religionen kennt der Humanismus kein Leben nach dem Tod. Dies führt oftmals dazu, die Gedanken auf das eigene Leben und die eigene Selbstentfaltung zu beschränken. Unsere Taten wirken aber gegebenenfalls nach. Gegebenenfalls haben sie schwerste Auswirkungen für die Folgegenerationen. Das erkennt man bereits an der Familienthematik, die für viele Humanisten gar kein Thema zu sein scheint.
"Deshalb gelingt ein erfülltes Leben vermutlich am besten dadurch, dass man sich gesellschaftlich engagiert, sei es im politischen, im humanitären, vielleicht im künstlerischen Bereich. Die ganz generelle Frage lautet daher: Was kann ich tun, um anderen Menschen zu mehr 'Glück' – in welcher Form auch immer – zu verhelfen, was kann ich tun, um 'Leid' zu mindern?"
Individuell gesehen, mag dies eine sinnvolle Maxime sein. Sie reicht nur leider nicht. Ich möchte dies kurz am Beispiel der Familienfrage erläutern (das Schwarze Loch des Humanisten). Vor nicht allzu langer Zeit gingen primär die Männer einer Erwerbsarbeit nach (um Geld zu verdienen), während die Frauen in erster Linie die Kinder in die Welt setzten und großzogen (sexuelle Arbeitsteilung). Im Rahmen der Emanzipation der Frauen wurde dieses Modell aufgekündigt. Begründet wurde all das mit den bereits genannten Prinzipien. U. a. sollte für mehr Gleichheit und Gerechtigkeit für Frauen gesorgt werden. Die können seitdem ein eigenes Erwerbseinkommen erzielen. Bis dahin ist noch alles wunderbar. Alles entspricht den humanistischen Grundgedanken. Leider wurden hierdurch Kinder vor allem für diejenigen unattraktiv, die besonders viel Bildung erlangten und hierdurch besonders viele Chancen besaßen, "sich gesellschaftlich zu engagieren, sei es im politischen, im humanitären, vielleicht im künstlerischen Bereich". Die Folgen kennen wir: Die Familienarbeit wurde anteilsmäßig immer stärker zu den Transferleistungsbeziehern verlagert. Obwohl im Vergleich zu den 1960er Jahren nur wenige Kinder geboren werden, ist der Armutsanteil unter den Kindern erschreckend hoch. Und ein Großteil dieser Kinder hat gering gebildete Eltern. Die im Jahr 2018 veröffentlichte DAK-Studie kam sogar zu dem Ergebnis, dass Kinder von gering gebildeten Eltern fast 3x so häufig unter Karies und Übergewicht litten wie Kinder von akademisch ausgebildete Eltern, und auch sonst waren Letztere viel häufiger krank (inkl. viel häufigeren Krankenhausaufenthalten). Das Familieneinkommen hatte nur einen vergleichsweisen geringen Einfluss auf die Gesundheit der Kinder (anders gesagt: auch die Kinder von akademisch ausgebildeten, von H4 lebenden armen Alleinerziehenden waren gesünder).
Und diese Auswirkungen sind - ich muss es leider so drastisch sagen - auch die Folgen eines Humanismus, der kein Morgen zu kennen scheint. Obwohl sich vielleicht tatsächlich alle Seiten darum bemühen, niemand anderem zu schaden und anderen möglichst viel Gutes zu tun, kommt am Ende genau das heraus. Und was das für die Folgegeneration bedeuten wird, wenn diese erst einmal erwachsen ist, wage ich kaum auszusprechen. Ich denke, dass man uns hassen wird.
Wir haben es mit einer klassischen Allmendenproblematik zu tun. Doch leider verschließen die meisten Humanisten die Augen davor und beschwören, dass sie selbst sich redlich darum bemühen, Gutes für andere zu tun und folglich keine Schuld an dem beschriebenen Desaster tragen.
"Dennoch befassen sich auch Nichtreligiöse mit Fragen, die jenseits der rationalen Bewältigung des Alltags liegen. Auch Nichtgläubige denken über den Urgrund allen Seins nach, über die Unbegreiflichkeit der Realität, kennen Gefühle des Einssein mit der Natur, bedenken das eigene Ende."
Ehrlich gesagt kenne ich nur Nichtreligiöse, die sich darüber ernsthafte Gedanken machen. Für Religiöse stellt sich so manche Frage nicht einmal.
"Er wird sich bemühen, viel konsequenter sein Leben so zu gestalten, dass er positive Spuren hinterlässt: Kinder und Enkel, ein Haus für die Nachkommen, eine politische Leistung, die vielen Menschen Frieden und Wohlstand brachte, ein die Zeit überdauerndes künstlerisches Werk, ein berühmtes Bauwerk, eine das Leben erleichternde Erfindung – irgendeine persönliche Leistung, auf die er mit Genugtuung oder gar Stolz schauen kann. "
Welche Kinder, Enkel, Nachkommen? Die Vorstellung, man könne als Wissenschaftlerin einen entscheidenden Beitrag bei der Entwicklung eines wirksamen Krebsmittels oder eines Impfstoffes gegen das Coronavirus geleistet haben, ist zweifellos eine sehr attraktive. Vielleicht schafft man es damit sogar in eine TV-Talkshow. Und ganz sicher in die Wikipedia. Millionen Schüler werden ihn selbst in hundert Jahren noch aufrufen, um ihre Hausaufgaben über den erfolgreich geführten Kampf gegen das Coronavirus zu machen, ganz besonders an der Schule, deren Name an die eigene (längst vergangene) Existenz erinnert. Das scheint mir das humanistische Pendant zum religiösen "in den Himmel kommen" zu sein.
Leider genügt all das nicht. Man stelle sich eine Gesellschaft vor, in der alle Frauen und Männer exakt nach den genannten humanistischen Prinzipien leben. Es spricht einiges dafür, dass eine solche Gesellschaft nicht dauerhaft überlebensfähig wäre. Wir bekommen es gerade vorgeführt.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Hallo Herr Mersch, meiner Ansicht nach hat jeder humanistisch eingestellter Mensch seine eigenen Motive und seine eigene Anschauung von Humanismus, man kann also nicht Pauschal von Humanisten sprechen und diesen damit
Jeder Mensch hat seine eigene Meinung und das ist Gut so.
Peter Mersch am Permanenter Link
Ich habe Humanisten kein negatives Verhalten unterstellt, im Gegenteil.
Ansonsten: Das Grundverhalten von Lebewesen wird bereits durch die Gesetze unseres Universums festgelegt. Genauer: Lebewesen verhalten sich kompetenzverlustavers, der allgemeine energetische Zerfall in Chaos zwingt sie dazu. Das Verhalten ist auch die Voraussetzung für Evolution (und keineswegs die natürliche Selektion). Darwins Vorstellungen von Evolution sind nur auf die Wildnis anwendbar.
Gregor Weißenborn am Permanenter Link
"Ist es wirklich so, dass ein Christ am Ende seines Lebens tatsächlich Trost im Glauben findet ...?"
Die meisten heutigen Christen in unserem Kulturkreis, folgen ja der Glaubenslehre, wie sie die Kongregation für die Glaubenslehre vorsieht, gar nicht mehr. Ob Erschaffung der Welt 6000 Jahre vZr, die Arche Noah Saga, die Jungfrauengeburt, Adam und Eva, ... - sie interpretieren ihren Glauben selbst, so wie er ihnen genehm ist. Sie zweifeln, halbwegs vernünftigerweise, durchaus an daran, dass eine wörtliche Auslegung der Bibel noch zeitgemäß ist. So muss man annehmen, dass die meisten Christen heute auch, und sei es im Stillen und unausgesprochen, Zweifel an einem Weiterleben nach dem Tod, - einem leben im "Jenseits" -, haben. Sie mögen sich dies dann vielleicht einzureden versuchen, doch wird es ihnen wohl kaum wirklich gelingen. Daher bezweifele ich, dass Christen heute, die bereits distanziert zu ihrem Glauben stehen, darin noch einen echten Trost finden. Diesen Trost finden vermutlich nur noch wenige Menschen, deren Realitätssinn fernab jeglicher Vernunft liegt und eher Ähnlichkeit mit behandlungsbedürftigen Persönlichkeitsstörungen hat. Sosehr man diese auch mit dem abgewandelten Spruch "Selig sind die geistig Armen!", beneiden kann.
Uwe Lehnert am Permanenter Link
Sie haben ja Recht, Herr Weißenborn. Deswegen frage ich ja auch, warum diese Trauer am Ende eines Lebens.
Gregor Weißenborn am Permanenter Link
Ich habe Ihnen nicht widersprochen. Ich habe, dem von Ihnen vorgetragenen, lediglich weitere Argument hinzugefügt, die Ihre Annahmen bekräftigen.
Ich gehe auch davon aus, dass der religiöse Glaube, dem Menschen an seinem Lebensende, in Bezug auf einen angstfreien Tod, im Weg steht, sofern er nicht geistig völlig entrückt mit höchster Begeisterung und Erwartung auf das Paradies im Jenseits und seine Wiedergeburt bzw. sein wie auch immer geartetes Fortbestehen von der diesseitigen Bühne abtritt.
Denn die von Zweifeln erfüllte Bindung an den religiösen Glauben, ist dennoch eine Bindung im Sinne einer Blockade für alles was vernünftig und potenziell hilfreich ist. Er wird einerseits Zweifel an seinem Glauben und den Glaubensinhalten, ins Besondere was ein Leben nach dem Tod angeht, haben und anderseits die Vorzüge einer naturwissenschaftlichen, befreienden Sicht nicht nutzen können, weil die tief sitzende Indoktrinierung mit seinem Glauben ihn daran zu zweifeln ebenfalls zwingt.
Uwe Lehnert am Permanenter Link
Herr Weißenborn, Sie haben völlig Recht. Die beiden Alternativen in Reinkultur wird es selten geben.
Roland Weber am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Lehnert,
In Abwandlung Ihres Buchtitels möchte ich formulieren: Warum ich kein Christ sein kann. Man kann es meiner Meinung nach nicht, weil die Grundlage eine Fiktion ist.
Es sind nicht nur kleinere (..Nägel statt Seilen; Titulus absurd; Volkszählung etc) oder gar größere Fehler (..noch in dieser Generation ..), sondern der Verdacht, den ich zu begründen suche, dass die Vorlage für das Christentum bewusste und manipulierende römische Reichspropaganda war. Ein friedlicher Messias für Juden? Ein obrigkeitsgläubiger und steuerzahlender dazu? Ein Jesus, der aber geheim bleiben möchte, der sich selbst nicht als kommender Menschensohn sieht?
Es würde mich freuen, wenn sich Christentumskritiker auch einmal der Basis des Glaubens zuwenden würden. Da konnte man doch das Pendel einmal zwischen "historischem Wissen" und "Glauben" schwingen lassen. Wahrscheinlichkeiten und Logik sollte man auch nicht außer Acht lassen. Der Prozess Jesu ist Unsinn, der folgenschwere Verrat eines Judas ebenso; ein Paulus gewiss nie auf dem Weg nach Damaskus etc. etc.
Die Motivation zur Schaffung dieser Religion war eine ganz andere. Was wäre, wenn nachvollziehbar deutlich wird, dass so gut wie nichts "stimmt", was an Glaubensgrundlagen verkündet wird?
Dem von Ihnen auf S.63 (4./5.Auflage) zitierte Satz von Galilei:
"Ich fühle mich nicht zu dem Glauben verpflichtet, dass derselbe Gott, der uns mit Sinnen, Vernunft und Verstand ausgestattet hat, von uns verlangt, dieselben nicht zu benutzen"
hätte ich nur hinzuzufügen: Dies gilt auch für denjenigen, der beim Denken ganz ohne einen Gott auskommt.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Hallo Herr Weber, alles was Sie in Ihrem Kommentar fordern, können Sie in dem Buch von Christopher Hitchens nachlesen, Der Titel < DER HERR IST KEIN HIRTE > mit dem Untertitel
Roland Weber am Permanenter Link
Ich bedanke mich für literarische Hinweise.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Hallo Herr Weber, gerne werde ich mir Ihre Bücher anschauen und lesen, wenn Sie im Gegenzug auch die meinigen lesen möchten, kämen wir ev. auf einen Nenner.
Roland Weber am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Baierlein,
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Weber, ich hoffe ihre Rezession wird sich nur auf den Inhalt meiner Bücher beschränken und nicht in Stil oder Rechtschreibung ergehen.
Bitte das zu berücksichtigen.
Alexander von d... am Permanenter Link
Es ist schon traurig lesen zu müssen, dass Menschen, die ernst genommen werden möchten, letztlich doch nur ihre Eitelkeiten pflegen. Was lernen wir daraus?
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Is alles Auslegungssache, wenn man das so sehen will, dann erhebt man sich eben über andere und belehrt sie, damit ist man dann selbst Eitel. Willkommen im Reigen.
Alexander von d... am Permanenter Link
Diese "Antwort" möchte ich nicht weiter kommentieren.
Erwin K. am Permanenter Link
Finden Sie es nicht ein klein wenig anmaßend, einem Autoren öffentlich mitzuteilen, wie er sein Buch zu schreiben hat?
Roland Weber am Permanenter Link
Da verstehen Sie etwas gewaltig miss! Gewiss kann jeder Autor schreiben, was er will. Meine Anerkennung dafür habe ich ausgedrückt. Aber mich bedrückt eben etwas Grundsätzlicheres.
Auch ich habe geschrieben, was ich will! Ich möchte nur darauf aufmerksam machen, dass schon der erste Ansatz - die Evangelien - manipulierte römische Texte sind. Warum, dass könnten Sie eben in meinen Büchern nachlesen. Die Kritik ist viel zu selten radikal (dazu Detering), sondern eben nur auf sicherlich wichtige, aber nachrangige Aspekte gerichtet. Am schlimmsten sind gar die Christentumskritiker (so wie etwa Peter de Rosa, aber auch Frau Ranke-Heinemann), die endlos Widersprüche und Unlogisches aufzählen, um am Ende doch noch an einem Christentum festhalten wollen.
Ich möchte nur darauf hinweisen, dass die meisten Autoren sich leider davor drücken zu schreiben, was Sie über den Kern des Glaubens denken, wissen oder zu wissen glauben.
Der Fehler ist, das Christentum losgelöst von seinen historischen Wurzeln sehen zu wollen.
Ein Gläubiger, der aus der Kirche austritt, weil er seinen Blick auf den historischen Hintergrund der Entstehung oder der Kirchengeschichte gerichtet hat, verdient meiner Meinung nach mehr Hochachtung als der, der aus Steuergründen, Finanzskandalen oder Kindermissbrauch austritt.
Uwe Lehnert am Permanenter Link
Herr Weber, die Variante des Buchtitels "Warum ich kein Christ sein kann" war auch ernsthaft erwogen worden, weil er ebenso gut meine Auffassung wiedergibt.
Roland Weber am Permanenter Link
Herr Lehnert, vielen Dank für Ihren Einwurf!
Mein Ansatz ist die historische Situation und die belegbare Interessenlage der römischen Besatzungsmacht nach 70 und damit dem Ersten Jüdischen Krieg (Aufstand). Mein Ausgangspunkt geht im Kern auf das Werk Joseph Atwills, "Das Messias-Rätsel", zurück, dessen Faktensammlung erst den richtigen theologisch-historischen Dreh bringt, den bis dahin alle anderen Christentumskritiker nicht erfasst haben.
In Sache trennt uns wohl wenig! Nicht die unterschiedlichen Aspekte und ihre Gewichtungen sind die Gefahr für Kirchen und Gläubige oder berechtigter Grund für Disputen zwischen Kritikern, sondern die Verbreitung jeglichen Wissens über Kirche und Glauben.
Dass die Kirchen keine lobenswerte Bereicherung für die menschliche Gesellschaft sind, drängt sich jedenfalls für jeden Humanisten und Säkularen und jeden faktenorientierten und denkwilligen Menschen auf! Und da liegt das eigentliche Problem.
Wenn Sie einmal die Rezensionen (z.B. Amazon) zu meinen Büchern lesen, werden Sie schnell verstehen, warum ich dieser Meinung bin! Herrn Harald Specht ("Jesus?") und Herrn Lechelt ("Christentum hinterfragt"; Internet-Seiten) bin ich dabei dankbar.
A.S. am Permanenter Link
Entschuldigung, aber ist das nicht ein Nebenkriegsschauplatz beim Thema Religion? Der Schauplatz, den uns die religiösen Führer vorgeben?
Geht es bei Religionskritik nicht darum aufzuzeigen, wo die religiösen Führer die Gläubigen verar...?
Beispiel Krieg:
Die religiösen Führer versprechen tapferen, gehorsamen Kriegern (gehorsam im Sinne der Priester) ewiges Leben im Paradies, mal ohne, mal mit Jungfrauen.
Das ist in meinem Augen Verar...erei.
Hätte Hitler seinen Krieg ohne das OK der Kirche führen können?
Wie oft hat der Papst irgendwelche Fürsten aufgefordert, Krieg gegen andere Fürsten zu führen, die dem Papst gegenüber unbotsam waren?
Konnte sich ein Fürst dem Krieg entziehen, wenn die religiösen Führer von den Kanzeln riefen, der Krieg gegen Heiden, Ketzer, Ungläubige sei der "Wille Gottes"?
Krieg findet oft, nicht immer, im Auftrag und Interesse der religiösen Führer statt. DAS müssen Humanisten den Menschen aufzeigen.
Hinter den Kriegen der Taliban, hinter den Kriegen vom IS und Boko Haram, hinter den Kriegen der Hisbollah und der Hamas stehen die Interessen der religiösen Kommandeure. Und hinter dem jüdischen Siedlungsbau im Westjordanland stehen die Interessen der orthodox-jüdischen Religionsführer.
Religiöse Führer sind die Anstifter zu sehr vielen Kriegen. Führen müssen diese dann die Militärs, ob sie wollen oder nicht. Wenn's der Ober-Pfaff befahl, zogen die Fürsten notgedrungen in den Krieg gegen Fürsten-Kollegen.
Ich erinnere daran, dass Joachim Gauck, damals Bundespräsident und im Normalberuf Pfaffe, die Deutschen aufrief, mehr militärische Verantwortung in der Welt zu übernehmen. Zum Glück ist das deutsche Volk dem - bisher - nicht gefolgt.
Beispiel Politik:
Wie war das nochmal mit dem "Gottesgnadentum"? Auch hier haben religiöse Führer die Menschen an der Nase herum geführt.
Ebenso bei den altägyptischen Gott-Königen, den Pharaonen, und den römischen Gott-Kaisern.
Mit Religion werden seit der Antike die Menchen an der Nase herum in Kriege geführt, weil "die Götter" es wollen.
Immer noch nichts kapiert?
Religion ist zum Krieg führen da. Wenn der Ober-Zampano angeblich es so will, ziehen die Menschen selbst mit vollgeschissenen Hosen in den Krieg.
Roland Weber am Permanenter Link
Lieber A.S.,
aufgrund Ihrer Wortwahl nehme ich an, dass Sie ein Mann sind ...
Natürlich haben Sie mit allem durchaus Recht, was Sie so auflisten. Wie Recht Sie haben, erkennen Sie offenbar noch gar nicht. - Wie wäre es aber, wenn die Evangelien "tatsächlich als Friedensreligion konzipiert" geworden wären? Es fällt doch jedem auf, dass die "Praxis" geradezu elementar der religiösen "Theorie" widerspricht. Stimmt etwas mit der Theorie nicht oder mit der Praxis? Oder sogar mit beiden? Die Theorie war Ideologie und die Praxis ist menschliche Realität. Und für die Theorie findet sich auch ein überzeugendes Motiv!
Was Sie als "Nebenkriegsschauplatz" ansehen, ist der tatsächliche "Haupt(kriegs)schauplatz"! Denn: Die Vorlagen sind literarische Fiktionen!
A.S. am Permanenter Link
Lieber Herr Weber,
ich denke nicht, dass die Religionen als "Friedensreligionen" konzipiert waren. Ich denke auch nicht, dass Religion als "Friedensstifter" Sinn macht.
Wie z.B. Franz Wuketis darlegt, dürften die Religionen im Zuge der Menschheitsevolution als psycho-biologisches Hilfsmittel im Überlebenskampf entstanden sein. Wieviel davon Biologie ist, wieviel "Kultur", sei dahin gestellt. Jedenfalls liefern die Religionen allerlei Legitimation für Grausamkeiten gegenüber Nicht-Gemeinschaftsangehörigen.
Die Wirkung von Religion war immer, den Zusammenhalt in der jeweiligen Gruppe zu stärken zum Zwecke der besseren Durchsetzungsfähigkeit gegenüber anderen Gruppen. Wobei der Zusammenhalt auf Kosten der Gruppenindividuen geht, die ihre persönlichen Bedürfnisse hintan stellen müssen - ggf. bis zum eigenen Tod. Hierbei bedienen sich de Religionen verschiedener Tricks aus dem Reich der Fantasie: dem allmächtigen Führer (Gott), dem unbedingter Gehorsam geleistet werden muss (die Parallelen zum Faschismus sind eigentlich nicht zu übersehen) und die Fiktion von der Auferstehung von den Toten, die das Sterben im Krieg (und allgemein) leichter macht.
Ich sehe in den Religionen jede Menge Gottes-Faschismus: Die Anbetung der absoluten Macht und die Forderung nach totalem Gehorsam. Gottesdienst ist nichts anderes als Führer-Kult.
In meinen Augen ist die Idee von der "Friedensreligion" ein Irrtum mit gigantischen, fatalen Folgen. Denn der religiöse Frieden ist nichts anderes als die "Plicht zum Kameradschaft" innerhalb der Gottes-Armee.
Die Frage, warum das alles so kam wirft uns auf unsere menschliche Natur zurück: Das unvollständige "Abbild der Welt" in unseren Köpfen und unsere Instinkte.
Ich betrachte die reale Welt als viel zu komplex für das menschliche Gehirn. Unser Verstand schafft sich ein vereinfachtes Modell der realen Welt, das "Weltbild". Dieses Weltmodell dient uns als Navi durch die reale Welt. Enthält die Navi-Programmierung Fehler, baut Mensch einen oft tödlichen Unfall.
Leiden nur einzelen Menschen an fehlerhaft programmierten Navis, sind die Folgen nur für sie selber schlimm, für die Gesellschaft insgesamt aber nicht. Leiden Menschengruppen an gleich falsch programmierten Navis, werden die Fehler entsprechend große Auswirkungen haben.
Über die religiöse Erziehung werden die "Navis" junger Menschen programmiert und gleichgeschaltet.
Eine der falschen Gleichschaltungen in unserer Werte-Erziehung/Navi-Programmierung ist die Vorstellung von den "friedenstiftenden Religionen".
Ähnliche Problemem haben wir bei Ideologien und selbst in der Schulbildung.
Was uns Menschen fehlt ist ein Verständnis für die vielen fiktionalen Anteile in den uns indoktrinierten "Weltbildern", die uns als "Wahrheit" vorgesetzt werden.
Was wir uns auch nicht eingestehen wollen, sind unserer Horden-Instinkte. Wir Menschen sind biologisch dazu ausgerüstet, uns zu geführten Horden zusammen schließen zu können, um gemeinsam zu jagen, um gemeinsam Probleme lösen zu können, um gemeinsam zu töten. Sinnvoll für das Individuum ist immer, sich möglichst mächtigen Führern anzuschließen, und seinen diese auch nur Fiktion (vulgo: Gott). u deren Wohlwollen und damit deren Schutz zu erlangen, muss amn sich den Befehlen des Alpha-Menschen/Hordenführers/Gottes unterordnen.
Die hochgezüchtete bzw. auf die Spitze getriebene Form dieses Horden-Prinzips sind Faschismus (als rein weltliches Phänomen) oder Religion (mit transzendiertem, allmächtigen und ewigem Führer).
Religion ist in meinen Augen eine Mischung aus völlig unwissenschaftlichen Weltbildern, die uns indoktriniert werden, und Gottes-Faschismus.
Mit Frieden hat all das nichts zu tun.
Roland Weber am Permanenter Link
Lieber Herr A.S.,
Ihre Einschätzung ist natürlich absolut "meanstream-gerecht"!
Einen radikal anderen Blick auf das Thema "Christentum" könnten Sie eventuell gewinnen, wenn Sie eines meiner beiden Bücher gelesen hätten ... (bzw. kostenfreier Blick in Amazon genügt!)
A.S. am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Weber,
glauben Sie mir: Wenn meine Ansichten "mainstream" wären, würde ich nicht soviel Zeit in hpd.de investieren.
Sie beschäftigen sich intensiv mit der christlichen Religion. Soweit ein "Blick in Ihre Bücher" auf amazon reicht, würde ich zumindest in der Grundtendenz Ihnen zustimmen: Die christliche Religion ist ein Instrument der Politik, zunächst im Dienst der römischen Kaiser, später der Politik des Papstes selbst.
Religion ist aber wesentlich älter. Religion gab es schon in vorhistorischer Zeit und wurde z.T. erst später verschriftlicht. Mit Franz Wuketis und anderen bin ich der Ansicht, dass Religion einen evolutionären Nutzen für die Gläubigen haben muss/gehabt haben muss, sonst gäbe es sie nicht.
Eine andere Frage ist, warum selbst heute noch so viele Menschen auf den Gottes-Bluff hereinfallen. Für mich am erschreckensten ist, wie schnell viele überzeugte Demokraten vergessen, wie arg über viele Jahrhunderte die Kirchen die Menschen mit dem Gottesgnadentum verarscht und Leibeigenschaft (=Sklaverei) gutgeheißen haben. Personen, die mit den Kirchen kungeln, sollte eigentlich kein demokratisch gesinnter Mensch in politische Ämter wählen können.
Politisch interessierte Personen sollten auch zur Kenntnis nehmen, was andere Religionen (nicht-christliche) in anderen Weltgegenden anrichten.
Eine Diskussion über das Christentum ist notwendig für unseren Kulturkreis. Ein Verständnis für das "Phänomen Religion" wird daraus allein nicht erwachsen.
Matthias Freyberg am Permanenter Link
Lieber A.S.
Ihre Ausführungen haben mir gut gefallen und ich halte sie für sehr realistisch.
Matthias Freyberg
A.S. am Permanenter Link
Danke für die Blumen! ch stelle Sie in eine besonders schöne Vase ;)
Axel Stier am Permanenter Link
Können Gläubige einer Religion Humanisten sein? Ja
Sollten Humanisten Kirchensteuer bezahlen? Nein
Sollten Humanisten einen Eid mit Glaubenszusatz (so wahr mir Gott helfe) leisten? Nein
Sollten Humanisten einen Volksvertreter wählen, der den Amtseid mit Glaubenszusatz leistet? Nein
Kennen Sie Abgeordnete, die säkulare Interessen vertreten? Namentlich? ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie diese Personen benennen würden.
Ich rechne damit, dass dieser Kommentar von hpd zensiert wird.
Sascha Larch am Permanenter Link
Warum sollte Ihr Kommentar "zensiert" werden?
Grundsätzlich zensiert der HPD überhaupt nicht, das wäre auch gegen die Verfassung!
Axel Stier am Permanenter Link
Zitat aus der "Nettiquette":
Jeder Kommentar wird vor Veröffentlichung durch die Moderation geprüft. Wir hoffen, dadurch ein für alle Beteiligten weitgehend angenehmes Diskussionsklima zu wahren,
Die meisten meiner Kommentare der letzten Jahre waren dem "angenehmen Dikussionsklima" nicht förderlich und wurden zensiert.
Als Quelle valider Info und Werte sehe ich als langjähriges gbs-Mtglied weder hpd noch HVD an, sondern als Beipiel und Ergänzung zu "Das Lob der Torheit" von Erasmus von Rotterdam oder "Warum schweigen die Lämmer?" von Rainer Mausfeld und einigen anderen.
Zum Wohlsein!
Frank Nicolai am Permanenter Link
„Die meisten meiner Kommentare der letzten Jahre waren dem "angenehmen Dikussionsklima" nicht förderlich und wurden zensiert.“
Herr Stier, noch einmal für Sie (und alle Anderen, die immer wieder von Zensur reden): Es gibt keine Zensur beim hpd! Die Redaktion macht einzig von ihrem Recht Gebrauch, zu entscheiden, was veröffentlicht wird und was nicht. Zensur bedeutet: Staatlicher Eingriff in die Meinungsfreiheit.
Sie sollten eher mal ihre eigenen Nase betrachten und darüber sinnieren, ob manche Ihrer Kommentare tatsächlich in Ton und Aussage angemessen sind. In den letzten Tagen hat die Redaktion etliche Ihrer Kommentare freigegeben, obwohl diese der Auffassung der Redaktion absolut entgegenstehen. Hier also von „Zensur“ zu reden ist - mit Verlaub - einfach nur lächerlich.
Marianne Schweizer am Permanenter Link
Zensur kann nicht nur durch Staaten ausgeübt werden, vgl. Wikipedia. Auch die Meinungsfreihiet kann nicht nur durch staatliche Eingriffe behindert werden.
Ich selbst habe auch die Erfahrung gemacht, dass ein Kommentar von mir nicht veröffentlicht wurde. Ich ging und gehe davon aus, dass er von der Redaktion falsch verstanden wurde, habe auch hierauf hingewiesen, aber keine Antwort bekommen. Keine Antwort zu bekommen ist demütigend und weckt Ohmachtsgefühle.
Nun sehe ich ja ein, dass die Kapazitäten der Redaktion begrenzt sind und sie sich nicht in einen uferlosen Austausch über die Berechtigung von getroffenen Entscheidungen einlassen kann. Aber sie könnte vielleicht etwas sensibler und selbstkritischer mit dem vorbehaltenen Recht zur Zensur umgehen und die Folgen bedenken. Vielleicht könnten ja auch manche der getroffenen Entscheidungen zur Dikussion gestellt werden, vor allem dann, wenn die Betroffenen ihre Ausführungen noch erklären ...
Roland Fakler am Permanenter Link
Das Buch von Uwe Lehnert ist ein sehr schönes Manifest für den säkularen Humanismus. Es dokumentiert quasi den Stand der Zeit. Was kommt nach dem Christentum?
Wie Roland Weber und Gerhard Baierlein habe ich mich Jahrzehnte damit beschäftigt, den Wahrheitsgehalt des Christentums zu widerlegen, weil ich mein Leben nicht auf Märchen, sondern auf Wahrheiten gründen wollte. Wie Gregor Weißenborn lasse ich aber gerne denen den Trost, die noch daran glauben können. Sie dürfen aber keine führende Rolle spielen, denn dieses falsche, wirklichkeitsferne Denken muss verhängnisvolle Folgen haben. (Überbevölkerung, undemokratische Herrschaft, Rechtfertigung menschenrechsfeindlicher Werte durch modrige Texte)
Mit A.S. bin ich der Ansicht, dass Religion vor allem deswegen gefährlich ist, weil damit ungerechte und ungerechtfertigte Herrschaft mit all ihren schlimmen Folgen: Kriege, Verfolgung, Terror gerechtfertigt werden.
Roland Weber am Permanenter Link
Lieber Roland,
mal Dank für die "Stütze".
Aber Warnung: Mit deinem Hinweis auf "Überbevölkerung" betrittst du ein hochexplosives Gelände! An diesen Thema traut sich niemand dran! Wer da zuerst Thesen formuliert oder gar wagt, Vorschläge zu machen, wird seines Lebens nicht mehr froh werden. Das Thema ist religiös kontaminiert ("Macht euch die Erde untertan"). Nicht umsonst waren allen Religionen schon immer das Elend der Bevölkerung egal, Hauptsache man hat eine wachsende Zahl an Anhängern.
China war schon das Reich des Teufels, da es sich um die Beschränkung der Kinderzahl bemühte. Aber wo stünde die Welt, wenn nicht dort wenigstens einmal ein Versuch unternommen worden wäre? Dass dann Mädchen abgetrieben werden, weil Jungs als "wertvoller" angesehen werden, rächt sich allerdings. Doch dieser Maßstab dürfe auch in China nicht ganz ohne religiöse Grundlagen entstanden sein. Man kann es drehen wie man will - am eigentlichen Problem kommt die Menschheit nicht vorbei: Wann fliegt der Menschheit (spätestens) die Welt um die Ohren, bei 10 Milliarden, bei 20 Menschen? Wann geht jegliche Steuerungsmöglichkeit verloren?
Gegen dieses Problem ist die "Klimakatastrophe" peanuts ...!
Das wirklichkeitsferne Nicht-Denken und Nicht-Denken dürfen wird Folgen haben ... - auch wenn es uns selbst nicht betrifft! Beim Waldzustand haben wir es geschafft, 50 bis 100 Jahre vorauszudenken, bei den Zukunftsaussichten der Menschheit: Globale Fehlanzeige!
Roland Fakler am Permanenter Link
Lieber Roland,
Wer everybodies Darling sein will, sollte im Zirkus auftreten, nicht bei den Aufklärern, denn Aufklärung tut weh.
Roland Weber am Permanenter Link
Mit den schriftlichen Kommentaren ist es immer so eine Sache ... Leicht wird der Kern oder ein Akzent vom Leser doch anders gedeutet.
Zur Klarstellung deshalb: Gerade weil (!) ich das Thema Überbevölkerung eigentlich für das ganz entscheidende erachte, habe ich auf die drohenden Gefahren bei der Betretung dieses Geländes hingewiesen. Eben ein zu gewaltiges Problem.
Welche Brisanz hätte z.B. das Thema "Klimakatastrophe" wenn auf der Erde nur 4 Milliarden Menschen leben würde? Gäbe es dann überhaupt etwas, was man - zu recht oder zu unrecht - als "menschengemacht" an den Pranger stellen könnte oder müsste? Gäbe es diese Kriege, diese Kämpfe um Ressourcen usw.? - Ich sage: Nein - oder sehr wahrscheinlich nicht!
Auch deshalb stehen bei mir alle Religionen in der Kritik, weil sie die Letzten sein werden, die hier einen Zusammenhang eingestehen werden.
Statt die Herunterdrosselung der Wirtschaft in einigen wenigen Staaten, mit Drangsalierungen ohne Ende (am meisten: BRD rettet allein das Weltklima!), aber andererseits Abholzungen (Brasilien), Brandrodungen (rund ums Mittelmeer), (Privatisierung von Wasser), Bau von Kohlekraftwerken (Polen), Luftverschmutzung (China) etc. und nicht zuletzt Kriege sind keine Wege, die zu einer geeigneten Lösung des Klima-Problems führen.
Also nochmals: Wer traut sich, das Thema "Überbevölkerung" auf die politische Agenda zu setzen????
A.S. am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Fakler, sehr geehrter Herr Weber,
Sie haben beide Recht: "Überbevölkerung" ist vermintes Terrain, aber die Quelle allen Übels. Wobei "Überbevölkerung" durch die wirtschaftlichen Möglichkeiten relativiert wird.
Man kann die Sache aber auch kleiner angehen:
"Wenn die Bevölkerung eines Landes ständig wächst, sind Expansionskriege (Kampf um Lebensraum) nur eine Frage der Zeit. Und Expansion geht immer zu Lasten der Nachbarn."
Für die europäischen Staaten hat sich die Zwangsläufigkeit von Expansionskriegen erledigt, seit die Geburtenraten unter zwei je Frau gefallen sind. Wir sollten froh darum sein.
Die vorgenannte Argumentation ist m.E. leicht vermittelbar und schwer zu bekämpfen.
Roland Fakler am Permanenter Link
Lieber A.S. Das ist ein sehr interessanter Aspekt. Als die Europäer im 17.-19.
Mit überlegenen Waffen. Die Leidtragenden waren die indigenen Völker, vor allem die Indianer Amerikas, die nicht nur ihr Land, sondern auch ihre Kultur verloren.
Wir bekommen auch hier längst den Bevölkerungsüberschuss in den afrikanischen und arabischen Ländern zu spüren. Sie werden nach Europa kommen, wenn sie in ihren Ländern nicht überleben können. Auch wir sind in Gefahr, unsere freiheitlichen Werte durch die Einwanderung von Menschen aus weniger aufgeklärten Ländern zu verlieren. In meinen Nachbargemeinden gibt es inzwischen vielerorts katholische Priester aus Polen, Afrika und Indien, die ein sehr konservatives Christentum in unser Land bringen. Sie sind nun die geistigen Lehrer derjenigen, die zum Verdruss der Kirche angefangen haben, freier zu denken.
A.S. am Permanenter Link
Ja, Herr Fakler, man muss den durch Bevölkerungswachstum in Gang gesetzten Teufelskreis erkennen und thematisieren:
Bevölkerung (A) wächst -> Ernährungsgrundlage verknappt sich -> Lebensraum wird erweitert durch Verdrängungs- und Expansionskriege -> die Nachbarn(B, C, D) wehrnen sich und vermehren sich ihrerseits -> mehr Soldaten werden gebraucht -> die politische Führung (A, B, C, D) fordern zu vielen Kindern auf -> da capo
Dieser Teufelskreis wird auch durch natürliche Veränderungen angetrieben, z.B. Trocken- oder Kaltzeiten.
Durchbrechen lässt sich der Teufelskreis aus Bevölkerungswachstum und Krieg nur durch Geburtenkontrolle - und genau die sabotieren ALLE religiösen Führungen. Allein schon dadurch treiben uns die Religiösen Führer in den nächsten Krieg.
HFRudolph am Permanenter Link
Grundsätzlich teile ich das Weltbild von Uwe Lehnert (und auch von Matthias Freyberg - er heißt Matthias (!) nicht Martin...).
Die Darstellung hier entspricht fast 1:1 dem, was wir in den 0er-Jahren als Definition eines naturalistischen Weltbildes der Brights wiedergegeben haben. „Diesseitiges Leben“ ist allerdigs nur eines von vielen Merkmalen, die selbstverständlicher Bestandteil eines naturalistischen Weltbildes sind.
Auch kann der dort vorgeschlagen Lebenssinn/die Erfüllung im Altruistischer Tätigkeit und dem Streben nach Eudämonie nur ein Vorschlag sein, nie aber universell - wie Freyberg richtig hervorhebt. Es hängt vom Menschen und seiner Lebenssituation ab. Vielleicht liegt für den einen Erfüllung darin, mit seinen Kindern zu spielen oder Geschäfte zu machen oder schlicht Sport zu treiben? Warum muss es Kunst sein, warum, weil das in einem bürgerlichen Wertekontext geachtet wird, weil wir so erzogen wurden? Warum nicht einfach m Strand liegen und Sandburgen bauen?
Einen universellen Sinn aus einer persönlichen Ethik ableiten zu wollen, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt, ist Ideologie.
-> Neben Naturalismus und Ethik gibt es einen weiteren wesentlichen Bereich, der vielleicht sogar bedeutender ist, als die genannten Bereiche, die Emotion, Empfindung, der angeborene Instinkt, der Geschmack, die Liebe, die Zuneigung - die Frage, ob wir im Einklang sind mit dem Schicksal, ob das gut so ist, wie es ist, ob wir wir selbst sein können. Keine noch so abstrakte und mathematisch konzipierte Ideologie kann jemals an gegen Instinkt und die Voraussetzungen evolutionär gewachsener Anforderungen der Psyche des Menschen, zumindest nicht dauerhaft. Wie hilft uns der Lehnertsche Sinn beim Einklang von Disziplin und Entspannung, von Rationalität und Emotion, sich selbst zu finden, während man eine Funktion erfüllt?
Alexander von d... am Permanenter Link
Endlich einmal eine gute, ausgewogene Würdigung der beiden Artikel von Matthias Freyberg und Uwe Lehnert!
Der Artikel von UL dagegen hat das Thema auf die humanistische / antireligiöse Schiene gezogen, was auch völlig in Ordnung ist, hat aber damit leider keine Diskussion über MFs Artikel hergestellt.
Man sieht auch an den Kommentaren auf MFs Artikel, das dieser teils völlig missverstanden wurde, teils Zweifel daran aufkommen ließen, ob er denn überhaupt gelesen wurde oder (wieder) nur als Projektionsfläche für allerlei Unnötiges hergenommen wurde.
Die Kommentare zu ULs Artikel zeigen dagegen die "typische" Haltung von PC-Humanisten, teils durch Empörialismus geprägt, teils aber auch nur das bestätigend, was man so gut kennt und was einem das Verbleiben in der Echokammer ermöglicht.
Herrn Rudolph noch einmal ein Dankeschön.
Uwe Lehnert am Permanenter Link
Zum "Sinn des Lebens" sind meine Ausführungen im vorliegenden Beitrag in der Tat sehr knapp gehalten. Sie sind eigentlich nur beispielhaft zu verstehen. Ich wollte den Beitrag nicht zu lang werden lassen.
Was den nicht korrekten Vornamen von Herrn Freyberg angeht, so war er in meinem eingereichten Text richtig angegeben. Da meine Anmoderation von der Redaktion modifiziert wurde, ist ihr dieser Flüchtigkeitsfehler unterlaufen. Wir bitten Herrn Freyberg um Nachsicht.
Matthias Freyberg am Permanenter Link
Lieber Herr Lehnert,
Vorweg: aufgrund eines Missgeschicks ist der Abschluss meines Artikels verloren gegangen:
„All diesen Überlegungen liegt das Ja zur Individualität zugrunde. Und das Ja zur Entfaltung und zum Einsatz der eigenen Potentiale für sich und Andere als Quelle der Befriedigung, der Lebensfreude“.
Ich kann nur bedauern, dass Sie nicht auf meine Überlegungen und Anregungen eingegangen sind, wie wir - auf individuelle Weise - in dieser Welt heimisch werden und zu uns selbst finden können.
Die zentrale Frage scheint mir zu sein, wie wir unsere Potentiale von Intellekt/Rationalität/wissenschaftlich-technischem Vermögen zusammen bringen mit unserer unvermeidlichen und nicht hintergehbaren subjektiv-emotionalen Betroffenheit. Hierfür plädiert grundsätzlich schon die Formel von der „Einheit des Wissens“. Wo sollte es auch hinführen, wenn angesichts der Tatsache, dass wir soziale Wesen sind und in hochkomplexen Großgesellschaften leben lediglich die Naturwissenschaften Geltung erfahren?
Die Emotionen in Gestalt der persönlichen Betroffenheit sind ein funktionales Element der Selbststeuerung und Lebensbewältigung in Verbindung mit der selbstkritischen Reflexion. Es ist sehr bemerkenswert und erstaunlich, dass etwas, dass Teil unserer selbst, unserer eigenen Ausstattung und Dynamik ist, uns so schwer fassbar ist. Unklug erscheint mir, dass es praktisch und theoretisch keine angemessene Berücksichtigung erfährt. Holger Rudolph hat die Relevanz dieses Aspektes in seinem Kommentar nochmals deutlich gemacht.
Alexander von der Nahmer stellt richtig fest, dass Sie das Thema des Lebenssinns auf den Aspekt der Religion gezogen haben. Ich hatte in meinem Artikel geschrieben, und das ist ja nun nicht neu, dass Religion lediglich auf den Menschen zurückverweist. Meines Erachtens springt der Humanismus zu kurz und gewinnt keine allgemeine Überzeugungskraft, wenn er sich in einer Dauerschleife kritisch an der Religion festbeißt - Alexander von der Nahmer hat diesen Aspekt deutlich gemacht - und sich andererseits der Spiritualität aus Angst vor Esoterik- und Religionsverdacht nicht zu nähern wagt. Gerade von der säkular-humanistischen Szene würde ich in dieser Hinsicht mehr Mut und fruchtbare Impulse erwarten. Davon erhoffe ich mir, dass andere wichtige gesellschaftliche Einflussfaktoren in den Blick kommen und die Dynamik, wie konstruktiver Einfluss möglich ist, klarer und handlungsleitend wird.
Kurz zum Sterbeprozess: ich wage keine Spekulation darüber, wer wie den Sterbeprozess tatsächlich erlebt, wenn es soweit ist. Hingewiesen sei hier auch noch auf die Phasen des Sterbeprozesses, wie sie von Kübler-Ross herausgearbeitet wurden.
Was das Thema der Wirkung des eigenen Handelns in der Gegenwart, der Erfüllung für sich selbst und die „Hinterlassenschaft“ für die Nachwelt angeht würde ich mit Holger Rudolph für eine Weitung des Blickwinkels und der Optionen plädieren.
Matthias Freyberg
Uwe Lehnert am Permanenter Link
Einige der Leserbriefe haben mich irritiert, weil sie meinen Beitrag offenbar als eine religionskritische Abhandlung missverstehen. Das war überhaupt nicht meine Absicht.
Und ein weiteres Missverständnis möchte ich richtigstellen, dass nämlich mein Beitrag eine Kritik an Matthias Freybergs Ausführungen darstellen würde. Ich leite meinen Beitrag im Gegenteil ein mit der Feststellung, dass es sich um sehr aspektreiche weltanschaulich-philosophische Überlegungen über unsere Existenz handelt und dass Freyberg Fragen stellt, die nach einer – wie er selbst formuliert – „storyline“, nach einer Art Drehbuch für die Gestaltung des eigenen Leben verlangen, eines Lebens, das bewusst auf Religion und Glauben verzichtet. Das war für mich Anlass, diese mir oft gestellte Frage in Form der drei Säulen einer betont nichtreligiösen Weltanschauung näher zu betrachten: Was sind die leitenden Prinzipien und Werte einer gelebten naturalistisch-humanistischen Weltanschauung? Eine Storyline allerdings verlässt die Ebene der Beschreibung und Reflexion und sagt, was zu tun und beispielsweise bei einer weltanschaulichen Diskussion so konkret wie möglich zu antworten wäre. Mein Beitrag, lieber Herr Freyberg, war somit nicht als Diskussionsbeitrag zu Ihrem Artikel gedacht.
Darüber hinaus habe ich mir Gedanken gemacht über jene Fragen, die ich mangels eines besseren Begriffs mit aller Vorsicht „spirituelle“ genannt habe, Themen, die auch jene einschließen können, die nach Ansicht von HFRudolph in meiner Aufzählung fehlen würden. Herr Rudolph, Sie fragen: „Wie hilft uns der Lehnertsche Sinn beim Einklang von Disziplin und Entspannung, von Rationalität und Emotion, sich selbst zu finden, während man eine Funktion erfüllt?“ Mein Versuch einer Antwort steht deshalb ausdrücklich unter der Überschrift „Metaphysische Fragen, die j e n s e i t s der rationalen Bewältigung des Alltags liegen“. Und dass die Möglichkeiten, einem innerweltlichen Lebenssinn zu folgen, bedeutend vielfältiger sein dürften als von mir aus Platzgründen angedeutet, habe ich oben in einem anderen Kommentar schon erwähnt.
So hoffe ich, dass ich Einiges klarstellen konnte und mein Beitrag nicht den ohnehin nicht sehr großen und nicht sehr einflussreichen Kreis der säkularen Humanisten weiter entzweit, sondern eher das betont, was uns verbindet.
Wer etwas über mein Buch erfahren möchte, zum Beispiel einen Blick auf das detaillierte Inhaltsverzeichnis werfen möchte, hier ist der Link auf die entsprechende Netzseite:
https://warum-ich-kein-christ-sein-will.de/