Unverständlicher Lehrmeister

Beispielbild
Nach dem Eintrag ins Goldene Buch
Mittlerweile ist es 10.25 Uhr geworden. Im Fürstensaal kommt Unruhe auf. Die drei Kamerateams und das Heer der anwesenden Fotografen richten ihre Objektive auf den Eingang. Mehrere Magistratsmitglieder und der Marburger Bundestagsabgeordnete Sören Bartol betreten den Raum.

Der Dalai Lama hat sich also bereits ins Goldene Buch der Stadt Marburg eingetragen. Die Magistratsmitglieder haben dieser Zeremonie als Vertreter der Stadt beigewohnt, während die Festgäste im Fürstensaal gewartet haben.

Kurz vor 10.30 Uhr betritt der Dalai Lama endlich den Saal. Ein wahres Blitzlichtgewitter bricht über ihn herein. Das Klicken der Kameras will kaum ein Ende nehmen.

Pünktlich um 10.30 Uhr beginnt die Feierstunde. Universitätspräsident Prof. Dr. Volker Nienhaus eröffnet die Veranstaltung.

Nienhaus begrüßt den Dalai Lama und die Festgäste. Er verweist auf die Geschichte der Philipps-Universität als älteste protestantische Universität der Welt.

Im Jahr 1527 gründete Landgraf Philipp der Großmütige die nach ihm benannte Universität. Nachdem Hessen sich im Jahr 1525 der Reformation angeschlossen hatte, benötigte das Land eine eigene Universität zur Ausbildung von Juristen, Theologen und Ärzten.

Ihre Geschichte verdeutliche die besondere Verbindung der Philipps-Universität mit dem Thema Religion, erklärt der Präsident. Die Zeremonie in genau dem Saal, wo 1529 das "Marburger Religionsgespräch" stattgefunden hatte, sei überaus passend, meint Nienhaus.

Nach dem Präsidenten begrüßt Prof. Dr. Sonja Fielitz das Publikum im Fürstensaal. Sie ist die Dekanin des Fachbereichs "Fremdsprachige Philologien" der Philipps-Universität, der dem Dalai Lama die Doktorwürde ehrenhalber verleiht.

Die Dekanin berichtet von der Vorgeschichte dieser Ehrenpromotion. Die Entscheidung sei bereits im Jahr 2006 gefallen. Allerdings habe es bis jetzt gedauert, bis die Ehrenpromotion auch wirklich stattfinden könne.

Als ersten Teil der Laudatio auf den Preisträger ergreift anschließend Prof. Dr. Jürgen Hahneder das Wort. Er vertritt das Fachgebiet "Indologie und Tibetologie" der Philipps-Universität. Er war es auch, der den Vorschlag für die Ehrenpromotion des Dalai Lama gemacht hatte.

Hahneder berichtet von der Arbeit seines Fachgebiets. Insbesondere verweist er auch auf die Schwierigkeiten, die Arbeit in diesem Bereich mit Hilfe von Drittmitteln zu finanzieren. Allerdings belege die große öffentliche Aufmerksamkeit für die aktuelle Zeremonie die Bedeutung der Arbeit seines Fachgebiets.

Anschließend hält Prof. Dr. Eckhard Bangert die eigentliche Laudatio auf den Dalai Lama. Der emeritierte Tibetologe ist mittlerweile selbst buddhistischer Mönch. Seit 40 Jahren ist er mit dem Dalai Lama befreundet.

Bangert hebt vor allem die Verdienste des Religionsführers für die Pflege der tibetischen Kultur hervor. So habe er bereits 1971 eine Bibliothek für tibetische Schriften initiiert.

Neben diesem Archiv hat der Dalai Lama auch die Gründung einer eigenen tibetischen Universität "Central Institute of Higher Tibetan Studies" (CIHTS) in Sarnath im indischen Bundesstaat Varanasi veranlasst. Dort studieren junge Menschen sowohl die traditionellen buddhistischen Lehren als auch moderne westliche Methoden wissenschaftlichen Arbeitens.

"Seine Heiligkeit" habe sich damit um die Wissenschaften verdient gemacht, betont Bangert. Auch seine Publikationen hätten Wissenschaftlern vor allem in westlichen Ländern weitergeholfen, den Buddhismus und seine kulturellen Grundlagen zu verstehen. Das sei umso wichtiger, als die Tradition des Buddhismus zuvor ausschließlich auf mündlicher Überlieferung beruht habe.

Bangerts Aussagen finden sich fast wortgleich auch in der Begründung der Philipps-Universität für die Ehrenpromotion wieder: "In zahlreichen Buchveröffentlichungen hat der Dalai Lama das Wesen des tibetischen Buddhismus in authentischer - aber doch in einer für ein breiteres Publikum verständlichen - Form dargelegt. Zudem hat er viele westliche Wissenschaftler und Studierende auf den Gebieten der buddhistischen Philosophie und der esoterischen Lehren des tibetischen Buddhismus, die prinzipiell nur mündlich tradiert werden, belehrt, so dass sich sein Wissen maßgeblich auch in deren Veröffentlichungen niedergeschlagen hat."

Nach einem musikalischen Intermezzo des Pianisten Albert Kaul mit einem Stück von Arvo Perth ergreift nun der Dalai Lama das Wort. In seiner Dankesrede empfiehlt er den Zuhörern "Mitgefühl statt Egoismus" als Weg zu einem glücklichen Leben. Sein Englisch hebt sich stark von dem seiner Vorredner ab. Der Tibeter ist kaum zu verstehen. Oft müssen die Zuhörer raten, was er gerade gesagt hat.

Zuwendung und Mitgefühl seien lebensnotwendig, erklärt der Dalai Lama. Ohne die Zuwendung der Mutter sei wohl keiner der Anwesenden hier.

Immer wieder lacht der 14. Dalai Lama zwischendurch. In seinem schauderhaften Englisch strapaziert er die Aufmerksamkeit der wohlwollenden Gäste sehr stark.