„Wer nicht wirbt, stirbt“

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Tagungseinladung (Ausschnitt) / www.bestatter.de

BERLIN. (hpd) Erstmalig trafen sich das Bestattergewerbe und die Werbeexperten des Deutschen Marketing-Verbands zu einer gemeinsamen Tagung „Wer nicht wirbt, stirbt – Werbung in der Bestattungsbranche“.

Ungewöhnliches ist so, wie es heißt, ungewöhnlich. Über die Werbekampagne eines kommerziellen Berufsverbandes zu berichten ist so etwas, denn wenn die Firmen bezahlte Anzeigen in den Medien schalten, ist der eigentliche Zeck doch erreicht. Warum also noch darüber berichten? Weil es ungewöhnlich ist. Und weil es einen Einblick in einen Kulturbereich gibt, der gerne übersehen wird: den Umgang einer Gesellschaft mit dem Tod.

Beispielbild
R. Michal, Dr. K. Gernig / Foto: Evelin Frerk
Der Slogan „Wer nicht wirbt, stirbt“ hat genau jenes Bisschen eines provokativen Elements, dass sich die Geschäftsführerin des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur,
Dr. Kerstin Gernig, gewünscht hat. Zusammen mit dem Bestattermeister Ralf Michal aus Schweinfurt, Mitglied im Vorstand des Kuratoriums, hat sie die interessierte Öffentlichkeit am Vortag der erstmaligen Fachtagung von Bestattungsunternehmern und Werbefachleuten des Deutschen Marketing-Verbands in Berlin eingeladen. Der Leser bezieht es spontan auf sich, variiert vielleicht „Wer wirbt, stirbt auch“, doch es bezieht sich ausschließlich auf die Bestatterbranche, mehr nicht, denn die Branche muss schauen, wie sie mit neuen Trends wirtschaftlich umgeht. Verschiedene Komponenten treffen aufeinander.

Einerseits stagniert die Zahl der Gestorbenen. Waren es 1970 noch 975.664 Gestorbene, eine Größenordnung, die sich bis 1990 schon auf 921.445 verringerte, sind ab 2000 jährlich nur noch um die 830.000 Gestorbene zu verzeichnen. Andererseits nimmt seitdem die Zahl der Anonymen Bestattungen deutlich zu, so dass beispielsweise in Berliner Stadtbezirken bis zu 50 Prozent der Verstorbenen anonym bestattet werden.

Mit dem „Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung“ vom November 2003 sollten zudem Kosten gesenkt werden und das bis dahin bezahlte Sterbegeld (525 Euro für einen Versicherten, 262,50 für einen Familienangehörigen) wurde ab 2004 nicht mehr ausbezahlt.

Bestattungskosten

Bereits eine übliche Erd- oder Feuerbestattung kostet etwa 3.400 Euro. Die einzelnen Leistungen einer durchschnittlichen Bestattung sind bei einer Feuerbestattung: Kiefernsarg, Einbettung am Sterbeort und Überführung zum Friedhof, Sterbewäsche und Deckengarnitur, Zierurne, offene Aufbahrung, Aufbahrung in der Friedhofskapelle und Leitung der Trauerfeier, Dekoration und Kerzenbeleuchtung, Trauerdrucksachen, Überführung zum Krematorium, Beurkundung auf dem Standesamt, Einholung der Genehmigung zur Feuerbestattung, Blumenschmuck auf dem Sarg, Schleifenkranz, Organist, Grabkreuz. Dabei sind Grabstelle und Grabstein noch nicht mit eingerechnet.

Es geht auch preiswerter, ab 1.088 Euro: Feuerbestattung ohne Trauerfeier, Hauptfriedhof Ohlsdorf in Hamburg: Beisetzung der Aschenkapsel im Urnenhain, einfacher Sarg, Einkleidung, Erledigung der Formalitäten, Überführung in Hamburg, hygienische Grundversorgung, Bearbeitung sämtlicher Versicherungsunterlagen, (zzgl. staatlicher / kirchlicher Gebühren).

Auf jeden Fall entstehen aber ungewöhnliche Kosten.

Die Bestatter stellen zudem fest, dass die Pfarrer und Pastoren der christlichen Kirchen immer weniger ihren herkömmlichen Teil der Dienstleistungen übernehmen können, die „Trauerarbeit“, so dass die Bestatter gefordert sind. Dauerte ein Bestattungserstgespräch früher etwa eine halbe Stunde, dabei ging es vorrangig um die handwerklichen Dienstleistungen des Bestatters, so sind es heute mehrere Stunden, in der die Bestatter auch den Part der Seelsorge zu übernehmen haben.

Fehlendes „Momento Mori“

Ralf Michal berichtet, dass viele Trauernde nicht mehr über einen gelernten Vorrat von Traditionselementen einer Trauerfeier und Beerdigung verfügen würden. Vieles sei möglich und der Bestatter werde zu einem Eventmanager, einer Art Zeremonienmeister, der versuche, die Wünsche der Hinterbliebenen zu realisieren.

Dafür braucht es schlicht auch einen finanziellen Einsatz. Zeitaufwand, Dekorationen, Musik, Blumen und Kerzen, Trauerredner, der Sarg besonderer Wahl,... - alles will und soll bezahlt sein. Schon um ihrer eigenen Existenz willen sind die Bestatter an einer Trauerkultur interessiert, die ihrer Fachdienste bedarf. Es gehört zu ihrer kulturellen Existenz, der stärker werdenden „Entsorgungsmentalität“, den „Discount-Beerdigungen“ - möglichst einfach, möglichst billig - entgegen zu wirken und den Menschen deutlich zu machen, dass sie für eine würdige Beerdigung vorsorgen sollten. Denn sterben werden wir alle.

Sensible Dienstleistung

Allerdings, so betont Kerstin Gernig als Geschäftführerin des Kuratoriums, ist es eine sehr sensible Dienstleistung. Wie sah früher das Schaufenster eines Bestattungsunternehmers aus? „Lammellen im Fenster, davor stand eine staubige Urne, auf der eine tote Fliege lag.“ Jedoch: Was dürfen Bestatter werblich wagen? Also schrieb das Kuratorium einen Wettbewerb aus, um zu schauen, was die jungen Kreativen dazu meinten.

321 Plakatentwürfe wurden eingereicht. Nun hatte das Kuratorium die Idee, dass jedes der sieben Mitglieder der Jury zehn Plakate aussuchen sollte und damit würde man eine kleine Überschneidungsmenge der Übereinstimmungen bekommen. Nichts war so. Er gab kaum bzw. keine Überschneidungen, die Auseinandersetzung mit Tod und Beerdigung ist offensichtlich sehr individuell, und so kamen fast siebzig Plakate in die engere Auswahl.

 

Erster Preis: „Finale“ mit vier Motiven, Zweiter Preis: „Weil es oft schneller geht, als uns lieb ist“, Dritter Preis: „Du gibst den Löffel ab“.

Diese prämierten Plakate wurden in einer Auflage von 3.400 Exemplaren gedruckt und an die Mitgliedsfirmen des Kuratoriums versandt. Tags darauf begannen im Kuratorium die Telefone zu klingeln, „Was soll denn das?“ – die Diskussionen sind in Gang gekommen und man darf gespannt sein, welche der Plakate bei einem Bestatter im Schaufenster zu sehen sein werden.

In einem zweiten Wettbewerb „Best Practice“ - zur aktuellen Werbung von Bestattern -, bekam in der Kategorie Plakat das „Vorsorge“-Plakat den ersten Preis.

Alle weiteren Preise auf den Seiten des Kuratoriums Bestattungskultur.
 

C.F.