Politische Ökologie – Vom Strippenziehen

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Titel (Ausschnitt) politische ökologie 117

(hpd) In politische ökologie (117) sind spannende und kritische Artikel zu Lobbyismus und Korruption vor allem in Deutschland zu lesen. Eine konstruktive und detaillierte Kritik wird an Justiz, politischer Öffentlichkeit, Wirtschaft, Politik und an den Medien geübt, auch wenn es zu romantischen Ausrutschern kommt. So dürfte auch der Artikel zu islamisch-motivierten Umweltschutz von den Lesern und Leserinnen des hpd als kitschig empfunden werden.

Das Thema der vorliegenden Ausgabe 117 der Zeitschrift politische ökologie lautet „Vom Strippenziehen. Die Folgen von Lobbying und Korruption für Umwelt und Gesellschaft“. Behandelt werden Lobbyismus und Korruption vor allem in Deutschland, auf EU- und internationaler Ebene. Ein lockerer Einstieg gelingt mit Fragen wie: „Hätten Sie gedacht, dass man um 1300 v. Chr. im alten Ägypten die Todesstrafe für Priester verhängte, die sich bei der Ausübung des Richteramtes bestechen ließen?“. Schon auf der darauf folgenden Seite wird Korruption jedoch in einem herausgehobenen Zitat als „gottlos“ bezeichnet. Es folgen ein satirischer Lobbyismus-Knigge und Vokabeln für die Reise in die Bananenrepublik, wobei einem am Ende der Lektüre des Heftes auch Deutschland wie eine Bananenrepublik vorkommt, da sich die Begriffe auch auf die Situation in Deutschland anwenden lassen.

 

Thomas Leif: Die Politikflüsterer. Lobbyismus und Demokratie

„Niemand ist irritiert, wenn die Zigarettenindustrie für die CDU und SPD die Entscheidungsvorlagen schreibt und definiert, wie ein sinnvoller Nichtraucherschutz aussehen soll.“

Leif thematisiert den seiner Meinung nach besonders starken Lobbyismus in Deutschland, der so weit gehe, dass Großkonzernkanzleien für die Ministerien Gesetzesentwürfe verfassen. Leif spricht sogar von einer „deutsche[n] Lebenslüge“, wonach Gesetze angeblich von den dafür gewählten Abgeordneten entworfen, beraten und bestimmt würden, der Einfluss der Abgeordneten auf die Gesetzgebung faktisch aber schwinden würde. Zudem würden aus Bundestagsabgeordneten nach dem Ausscheiden aus dem Parlament oft LobbyistInnen und diese verkauften so ihr Insiderwissen an Großkonzerne. So hatte Tony Blair zur Investmentbank JP Morgan gewechselt, der Bank, die bei der Stimulierung extrem risikoreicher Finanztransaktionen bei gleichzeitiger Reduzierung politischer Kontrollen federführend gewesen sei.

Unter die Definition der Korruption von Transparency International (TI) (in Deutschland) falle Lobbyismus nicht. Eine international gültige Definition von Korruption fehle den meisten Rechtssystemen, sodass sich Lobbyisten oft in der Grauzone zur Korruption bewegen. Neben anderen Beispielen nennt Leif die Medizinlobby, die PolitikerInnen besonders vor Wahlterminen mit Arbeitsplatzverlusten und der Verlagerung der Forschung ins Ausland sowie mit den Mitteln des negativen Campaignings droht, welche bis hin zu persönlichen Diffamierungen von Spitzenpolitikerinnen gehen. Durch die Beeinflussbarkeit leide das Ansehen der Politik. Als Gegenmaßnahme fordert Leif für ausgeschiedene Politiker eine Karenzzeit von vier Jahren, damit sie nicht noch während ihrer Amtszeit für die Interessen ihrer zukünftigern ArbeitgeberInnen tätig werden können. Abschließend schlägt er weitere Regulierungsmöglichkeiten vor.

Ulrich Müller: Willkommen im Lobbydschungel. Methoden der Wirtschaft

„Etwa 5.000 Lobbyisten tummeln sich im Berliner Regierungsviertel. Sie vertreten auch Umweltorganisationen, größtenteils jedoch die Interessen von Unternehmen.“

Generell würden LobbyistInnen und teilweise auch PolitikwissenschaftlerInnen fälschlicherweise behaupten, dass Lobbying eine wichtige Informationsquelle darstelle und durch den Wettstreit verschiedener Interessen zur demokratischen Willensbildung beitrage. Lobbyismus sei jedoch von gesellschaftlichen Machtasymmetrien und Ressourcenunterschieden geprägt. So seien Verbraucher- und Umweltschutz wie auch die Interessen benachteiligter Bevölkerungsgruppen unterrepräsentiert. Zwei Trends würden sich abzeichnen: 1. Die Methoden der Beeinflussung würden immer professioneller und problematischer. 2. Wirtschaftliche Interessen hätten häufig einen besonderen Zugang zu Entscheidungsverfahren. Unternehmen würden beobachten, wie NGOs das Image von Firmen schädigen, um entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Auch imitieren sie oft die Arbeit der NGOs. Sie würden ihre eigenen Mitarbeiterinnen und Kunden für die Lobbyarbeit einspannen. In den USA hieße dies längst „Grassroots Lobbying“, das bedeutet „Einflussnahme von unten“, von der ‚Grasswurzelebene’ aus. Die Grenzen zum Astroturf (Kunstrasen – Begriff aus der Bananenrepublik) sind dabei fließend, also zu künstlich inszeniertem Bürgerengagement und zu Scheininitiativen. Vermeintlich glaubwürdige Dritte würden für finanzielle Unterstützung die eigenen Interessen vermitteln. Ausführlich geht Müller auf die Deutsche Bahn ein. Neben der Karenzzeit für PolitikerInnen fordert Müller ein transparentes Lobbyismus-Register, in dem Lobbyisten ihre Auftraggeber und Budgets offen legen müssten. Auch demokratische Gegengewichte zu finanzstarken Lobbygruppen seien notwendig sowie ein gesamtgesellschaftliches Engagement für eine lebendigen Demokratie.

Jens Ivo Engels: Von der Unmöglichkeit sauber zu bleiben. Die Geschichte der Korruption

„Seit jeher ließen sich Richter bestechen und Gefälligkeiten prägten politische Systeme. Was frühere Generationen öffentlich zelebrierten, findet heute im Verborgenen statt.“

Engels bemüht zunächst viele historische Beispiele und formuliert dann eine Definition der Korruption. Über lange Zeiträume hinweg seien in Europa private Sphäre und öffentlichen Ämter nicht getrennt gewesen. Ämter hätten sich in privatem „Besitz“ befunden, zahlreiche Richterämter hätten ge- und verkauft werden können. Näher geht Engels auf den Vatikan im 17. Jahrhundert ein, in dem Päpste nahe Verwandte in hohe Ämter gehoben hätten. Diese Praxis hätte in der Moral, für die eigene Familie zu sorgen, ihre Rechtfertigung gehabt. Zur Familie gehörten aber auch Klienten, die in einer Gesellschaft ohne soziale Sicherungen auf die Protektion der Päpste abgewiesen gewesen seien. Inzwischen sei Korruption öffentlich verpönt, aber verdeckt alltäglich. Universal sei aber nicht die Korruption, sondern die ihr zugrunde liegenden Phänomene der Verflechtung und des Gabentausches, die von Gesellschaft zu Gesellschaft sowie von Epoche zu Epoche unterschiedlich bewertet würden. Anders als in der Neuzeit würden Netzwerke, die über folgende Eigenschaften verfügten, als korrupt angesehen: 1. Große Menschengruppen werden dauerhaft ausgeschlossen. 2. Diese Großgruppen wollen dem Netzwerk seine Berechtigung entziehen. Dabei hätten aber auch niedere Motive eine Rolle gespielt: Im frühen 20. Jahrhundert war die Kritik am angeblich korrupten Parlamentarismus und an korrupten und angeblich jüdischen Unternehmen ein Markenzeichen rechter und faschistischer Gegner(innen) parlamentarischer Demokratie. Der Gabentausch habe durch die Globalisierung seine Volumina und Reichweiten vergrößert. Dies sei an ELF Aquitaine und Siemens ersichtlich. Gegenwärtig setzen sich TI und LobbyControl gegen Korruption ein.

Irina Michalowitz: Eher Bittsteller denn Strippenzieher? Lobbyisten auf EU-Ebene

„In Brüssel bemüht sich eine imposante Anzahl von Lobbyisten, alle möglichen Anliegen bei der Politik zu Gehör zu bringen. Je nach Forderung und Vorgehen haben es mal die Vertreter der Wirtschaft, mal diejenigen öffentlicher Interessen leichter. Insgesamt ist ihn Einfluss auf die EU-Politik weit geringer als angenommen.“

WirtschaftslobbyistInnen hätten trotz ihrer größeren Anzahl keinen größeren Einfluss auf die Gesetzgebung als andere LobbyistInnen, da sie im Gegensatz zu den Vertreterinnen öffentlicher Interessen nicht alle an einem Strang ziehen würden. Zudem unterstützten die PolitikerInnen wirtschaftliche Interessen seltener als andere, da sie sich damit keine Wiederwahl sichern könnten. Erhebliche Unterschiede gäbe es in der Arbeitsweise der NGOs und der Wirtschaftsverbände, aber in allen Lagern betrüge die Anzahl der LobbyistInnen durchschnittlich drei Personen pro Büro. Michalowitz behauptet, dass die NGOs ihr gesamtes Kapital in Lobbying stecken könnten, während Unternehmen nur einen Teil ihres Geldes dafür auszugeben vermögen. Was für ein Vielfaches an finanziellen Mitteln Großkonzernen im Vergleich spendenfinanzierten Organisationen zur Verfügung steht, verschweigt sie jedoch. Weiter behauptet sie, dass Lobbyarbeit lediglich zwischen Politik und Unternehmen vermittle und damit eine wichtige Funktion erfülle, da die Belange von Firmen wichtig seien. Auch sei der Einfluss diverser Interessengruppen auf die Gesetzgebung ausgeglichen. Sie bemängelt die unklare Datenlage, die sich aus dem Fehlen eine verpflichtenden Lobbyregisters ergebe, für dessen Einführung sie plädiert.

Der Beitrag von Michalowitz steht in einem unversöhnlichen Kontrast zu den Beiträgen aller anderen AutorInnen. Die Tatsache des Lobbyismus wird als nahezu unproblematisch beschrieben. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass Michalowitz als einzige tatsächlich über europäische Lobbyingstrategien promovierte und auch weiterforscht. Fast als einzige ist sie außerdem bei einem Unternehmen tätig, während mit einer Ausnahme alle anderen AutorInnen für NGOs arbeiten oder an Universitäten angestellt sind. Den anderen Beiträgen folgend könnte sie entweder eine Lobbyistin sein oder die einzige, die Durchblick hat.

Gabriele C. Klug: Steter Tropfen höhlt das System. Korruption im Wassersektor

„Der weltweite Kampf gegen Armut und Klimawandel wird nicht gewonnen, solange Korruption den Wasserbereich beherrscht.“

1,1 Milliarden Menschen hätten keinen ausreichenden Zugang zu Wasser und 2,6 Milliarden Menschen fehle der grundlegende Sanitätszugang. Der Global Corruption Report 2008 von TI zeige, dass Korruption ein Kernproblem in der Wasserversorgung sei und sowohl in reichen als auch in armen Ländern vorkomme. Die Korruption in der Wasserversorgung habe vier Subsektionen: 1. Wassermanagement, 2. Dienstleistungen im Wasser- und Abwasserbereich, 3. Bewässerung und Landwirtschaft 4. Landwirtschaft und Wasserkraftinfrastrukturprojekte. In der unrechtmäßigen Aneignung von Wasser liege ein Potential für Konflikte in mehr als 50 Staaten. In Entwicklungsländern erhöhe die Korruption den Preis für den Anschluss eines Haushaltes an die Wasserversorgung um ein Drittel. Aber auch die Komplexität der Strukturen der Wasserversorgung bei Planung, Leistungen, Leitung und Finanzierung biete auch in Deutschland eine Angriffsfläche für Korruption. So würden technische Neuerungen blockiert, um den Bau großer Anlagen zu sichern. Neben mehreren Empfehlungen spricht sich Klug für die von TI empfohlenen Maßnahmen aus: Integritätsakte, in denen sich die Unternehmen vertraglich zur Einhaltung von Integritätsstandards verpflichten, so zum Verzicht auf korruptes Handeln. Bei Verstoß müssten Strafen und Vertragskündigungen die Folgen sein.

Axel Mayer: Radikal aktiv. Die Strategien der Atomlobby

„Um die Bevölkerung für ihre Interessen zu begeistern, ist AKW-Betreibern wie EnBW oder E.ON kein Preis zu hoch und keine Methode zuwider. In geschickt inszenierten Kampagnen verbreiten sie Halbwahrheiten, verschleiern Tatsachen oder rühmen Selbstverständlichkeiten.“

Der Einführung der Atomkraft in Deutschland gingen zwar Tschernobyl sowie Hiroschima und Nagasaki voraus, aber dennoch hätte es kaum Proteste gegeben. In Kinos, Fernsehen und Schule sei zuvor der Film „Unser Freund das Atom“ von Walt Disney gelaufen, um das Image der Kernenergie zu verbessern. Meinungsforschungsinstitute wie das Battelle-Institute in den USA hätten den Widerstand gegen die Atomlobby analysiert und Durchsetzungsstrategien entwickelt. Sie würden darauf abzielen, Ängste der Gegenwart durch die Ängste der Zukunft zu überdecken: die Angst vor der Atomkraft werde von der Angst vor dem Klimawandel überdeckt. Um die Gefahren der Atomkraft „klein zu reden“ sei die Firma Burson-Marsteller beauftragt worden, eine Firma, die sowohl seriöse als auch unseriöse Großkonzerne berät, aber auch für Diktaturen und Militärmachthaber arbeitet. Der Slogan: „Es gibt keine menschengemachte Klimaveränderung“ stamme von diesem Unternehmen. In die sozialen Bewegungen, Verbände und Bürgerinitiativen würden Spitzel eingeschleust, industriegelenkte Schein-Bürgerinitiativen entstünden, Manipulation von Wikipedia-Einträgen finde statt und organisierte Leserbrief-Kampagnen würden geführt. Es handele sich um PR, bei der der Auftraggeber nicht eindeutig erkennbar sei. Hinzu komme geschickte sprachliche Manipulation, außerdem aber auch Greenwashing: Ein Atomkraftwerk erhalte ein Umweltzertifikat für recyceltes Papier und geringen Ausstoß von Kohlenstoffdioxid. Wo Werke für erneuerbare Energie entstehen sollen, würden Biotope eröffnet.

Klaus Schenck: Motorsägen sind keine Waldschützer. Korruption in der Holzindustrie

„Im ecuadorianischen Regenwald hacken Holzfirmen den Lebensraum von Indianern und einer immensen Zahl von Tier- und Pflanzenarten kurz und klein. … Und die Lobbyisten der Holzindustrie geben die Schuld am Verschwinden der Holzindustrie den Kleinbauern.“

In Ecuador kaufen geschulte Funktionäre den ahnungslosen KleinbäuerInnen die Wälder weit unter Preis ab. Der Staat sei zur Überwachung der Einhaltung von Gesetzen zu schwach. In der Praxis würden die Bäume meist illegal umgelegt und mit gefälschten Papieren abtransportiert. Es gäbe gefälschte Holzschlaglizenzen und verschleppte Gerichtsverfahren. Die Nationale Holzfällervereinigung CO-MAFORS habe getreu ihrem Motto „Holzunternehmen erschaffen und erhalten die Wälder Ecuadors“ die SiedlerInnen und die Indigenen als die Schuldigen am Verschwinden den Regenwälder ausgemacht.

Rudolf Speth: Drahtzieher unbekannt. Lobbying in Zeiten der Mediengesellschaft

„Hinter Thinktanks oder Gemeinwohlinitiativen stecken nicht selten finanzstarke, wirtschaftliche Organisationen. Sie treiben wirtschaftsliberale Reformen an oder propagieren das „Unternehmen Hochschule“ – scheinbar zum Wohle der Bürger(innen).“

Damit sich die Politik mit einem Thema beschäftige, müsse es auch in der Bevölkerung besprochen werden. Seit zwei Jahrzehnten würden Interessengruppen daher strategische Öffentlichkeitsarbeit und politisches Marketing betreiben. Thinktanks entstünden, um Deutungsrahmen für politische Konzepte zu schaffen. Finanziert würden sie von Stiftungen und Unternehmen. Z.B. verfüge das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), das sich als Reformwerkstatt des deutschen Hochschulwesens verstehe, über ein Gesamtbudget von 1,6 Milliarden Euro im Jahr, welches von der Bertelsmann Stiftung gestellt würde. Erst das CHE hätte 1994 in Deutschland Hochschulrankings bekannt gemacht. Schon früh habe das CHE das Konzept „Unternehmen Hochschule“ und die Einführung von Studiengebühren propagiert. Neben anderen Akteuren habe es zur Einführung der Exzellenzinitiative beigetragen.
Die Initiative Soziale Marktwirtschaft sei 2000 gegründet worden, um die Bereitschaft zu wirtschaftsliberalen Reformen innerhalb der Bevölkerung zu erhöhen. Dieses Vorhaben werde auch von der Bertelsmann Stiftung und von INSM (Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft) gefördert, die jährlich 10.000.000 Euro beitrage. INSM nenne diese Verbindung nicht öffentlich, ein Verweis sei aber auf der Homepage der Initiative zu finden. Sie gäbe beeinflusste wissenschaftliche Studien in verwandten Einrichtungen in Auftrag. INSM kooperiere u.a. mit zahlreichen vor allem konservativen Zeitungen wie: Die Welt, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Focus, Wirtschaftswoche, Financial Times Deutschland und Handelsblatt.

Sina Poppe: Bestrafung ist gut, Prävention ist besser. Bekämpfung der Korruption

„Wie illegitimen Praktiken das Handwerk zu legen ist und warum Politik und Wirtschaft den Kampf gegen Korruption nicht allein entscheiden.“

Korruption verursache Schäden von „alarmierendem Ausmaß“. Durch mangelnde Kontrolle würden Baumaßnahmen um bis zu 30% teuerer. Nach Angaben der Weltbank müsse jeder Mensch im Laufe seines Lebens sieben Prozent seiner Arbeitsleistung für Korruption aufbringen. Da Korruption aber auch PolitikerInnen nutze, seien die bestehenden Gesetze zu ungenau und zu lasch. Nur das Bundesverfassungsgericht könne Gesetze kontrollieren, werde aber von der Politik eingesetzt. Anders als in Deutschland seien in den skandinavischen Ländern öffentliche Datenbanken allgemein zugänglich, sodass jeder erfahren könne, welche Firma sich in einem öffentlichen Ausschreiben für welchen Auftrag beworben hat. Darum seien Länder wie Finnland, Dänemark und Island im internationalen Vergleich am wenigsten von Korruption betroffen. Poppe stellt weitere gesetzliche Regelungen vor.

Dieter Plehwe: Alle Register ziehen. Forderungen der Zivilgesellschaft

„Die Politik sträubt sich hartnäckig, den Lobbyisten wirkungsvoll auf die Finger zu klopfen. Deshalb muss die Zivilgesellschaft auf Kontrolle und Überwachung drängen.“

In der deutschen Bevölkerung herrsche im Hinblick auf die Korruption eine resignierte Haltung. Es werde zwar oft von der „Amerikanisierung“ des Lobbyismus gesprochen, doch werde dabei vergessen, dass es in den USA im Gegensatz zu Deutschland ein verpflichtendes und detailliertes Lobbyregister gäbe. Zudem sei ein stärkeres öffentliches Unrechtsbewusstsein vorhanden. Plehwe führt mehrere Beispiele dafür auf, welche Informationen auf diese Weise an die Öffentlichkeit gelangten. Es hätte sich u.a. zeigen lassen, wie viel Geld und von wem in klimawandelskeptische Studien und Artikel investiert worden sei. Für Deutschland prangert er Lücken bei der Kontrolle der Einkünfte von Bundestagsabgeordneten an. Außer der Befürwortung eines Lobbyregisters, spricht sich der Autor für eine Karenzzeit nicht nur für scheidende Bundestagsabgeordnete, sondern auch für scheidende Manager aus.

Andreas von Bernstorff: Erfolgsgeschichte ohne Happy End. Korruption im Giftmüllsektor

„Auf Druck der Zivilgesellschaft sind heute immerhin die schlimmsten Giftmüllexporte unterbunden. Dafür tauchen neue Probleme mit dem gefährlichen Abfall auf.“

Der Autor schildert die UN-Konvention „Basel 89“ und ihre Nachwirkungen. 1970-1990 habe die Grüne Bewegung in nahezu allen Industrieländern eine umfassende Regulierungsdichte bewirkt, wodurch die Entsorgungskosten gestiegen seien und die Verlagerung von Giftmüll in ärmere Länder begonnen hätte. Dabei hätte die Korruption eine entscheidende Rolle gespielt, z.B. sei in Mauretanien die halbe Regierung von einer Stuttgarter Firma bestochen worden, die dadurch ihren Giftmüll nach Mauretanien hätte verlagern können. Von Bernstoff schildert außerdem andere Fälle, wobei er Material zur Quantität des Giftmülls nicht nur in Mauretanien liefert. Inzwischen habe sich die Lage geändert und Deutschland importiere sogar Giftmüll, um ihn zu entsorgen. Dieses Vorgehen sei ökonomisch motiviert, da die Müllentsorgung inzwischen preiswerter geworden sei. Dennoch gäbe es immer noch Müllhandel.

Fazit: Hauptsache Umweltschutz

Den Haupttexten folgen ein Interview und die Kurzbeschreibungen von diversen Anti-Korruptionsinitiativen. Auf drei Seiten werden Bücher und Internetseiten vorgestellt. Darauf folgen Beiträge des Spektrum Nachhaltigkeit, wobei den LeserInnen des hpd der Artikel „Mit Allah für die Umwelt. Der Islam als Quelle für Umweltbewusstsein“ von Sigrid Nökel unangenehm aufstoßen dürfte. Zwar beginnt die Autorin mit sachlichen, wenn auch unkritischen Schilderungen des religiös motivierten Umweltschutzes, aber besser wird der pseudo-philosophische und pseudo-wissenschaftliche Charakter der Begründungen dadurch nicht. Ähnlich wie in christlichen Kontexten soll die Schöpfung bewahrt werden, wobei die Autorin die Bewahrung der Schöpfung als Konkurrenznorm zum Glauben an ein Jüngstes Gericht trotz ihrer Forschungen zum Islam nicht thematisiert. Stattdessen pflegt sie einen optimistischen Duktus und schließt tatsächlich mit den Worten „inscha’allah“ ab. Damit drängt sich die Vermutung auf, dass die politische ökologie ALLE Bestrebungen gutheißt, solange sie den Umweltschutz gutheißen und darüber hinaus nicht weiter differenziert. Eine typisch linke Verteidigung aller außer der wirtschaftlichen Stand-punkte scheint durch. Wen dies allerdings nicht stört und wer sich mit der Thematik noch nicht auskennt, der kann sich auf eine spannende Lektüre freuen, zumal solche Artikel wie der von Nökel den Informationsgehalt der anderen Beiträge nicht mindern.

Katharina Eichler

politische ökologie117: Vom Strippenziehen. Die Folgen von Lobbying & Korruption für Umwelt und Gesell-schaft. Mit Beiträgen von T. Leif, U. Müller, G. Klug, D. Plehwe, A. v. Bernstorff, B. Bannenberg u.v.m., 72 S., 14,90 Euro/26,90 sFr., ISBN 978-3-86581-185-1