ITALIEN. (hpd) Die Unione degli Atei e degli Agnostici Razionalisti (UAAR) ist die einzige Vereinigung, die in Italien die Interessen von Nichtgläubigen vertritt und für ein säkulares Weltbild einsteht. Sie wurde 1986 gegründet, um den konfessionslosen Bürgern im Land zu ihren Rechten zu verhelfen und die Laizität des Staates zu fördern.
Nachdem die Lateranverträge, die die Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der italienischen Republik regeln, 1984 revidiert wurden ist der Katholizismus nicht mehr Staatsreligion im Stiefel. Trotzdem wird die katholische Glaubenslehre unverändert an öffentlichen Schulen unterrichtet und der liturgische Festtagskalender weiterhin landesweit eingehalten.
Raffaele Carcano "Italien ist offiziell ein säkularer Staat, jedoch wird eine bestimmte Religion systematisch privilegiert, stellt der Vorsitzende der UAAR Raffaele Carcano fest. "Inhalte und Anliegen der katholischen Kirche geniessen in den Medien einen Sonderstatus: Im Fernsehen und Radio, aber auch in den Zeitungen werden die Auftritte und Verlautbarungen des Papstes mit Nachdruck verbreitet, während die Ansichten von Atheisten und Agnostikern entweder totgeschwiegen oder als kulturell minderwertig dargestellt werden.
Die UAAR organisiert regelmässig Kirchenaustrittstage für Getaufte, die sich rechtsgültig von der katholischen Kirche trennen wollen. Mit Veranstaltungen im Rahmen der Darwin-Days sollen sodann Wissenschaft und Vernunft gefördert werden.
Die Vereinigung engagierte sich stark für die Entfernung der Kreuze aus öffentlichen Schulen – mit Erfolg: im November 2009 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass das Kruzifix in staatlichen Schulen das Recht auf Religionsfreiheit und auf weltanschaulich neutrale Bildung der Kinder verletzt.
In Italien wächst die Zahl jener, die sich öffentlich zu ihrem Unglauben bekennen. Gleichzeitig lässt sich aber ein Erstarken traditionalistischer Strömungen feststellen. Nach dem Strassburger Urteil hat sich die politische Führung um Premierminister Silvio Berlusconi und den Verteidigungsminister aus dem rechten Lager Ignazio La Russa vehement gegen eine konsequentere Trennung von Kirche und Staat ausgesprochen.
Benedict XVI wird nicht müde, die Ungläubigen abzustrafen. Er sieht im Abfall vom Glauben ein Übel, das zum Verlust der Würde und zur Entfremdung des Menschen führe. In einem inzwischen auf youtube gelöschten Video bezeichnete der britische Kardinal Cormac Murphy-O'Connor Atheisten gar als „not fully human“ (nicht ganz menschlich).
In Italien haben es Andersdenkende schwer
2009 plante die UAAR in Genua eine Buskampagne mit dem Slogan: "La cattiva notizia è che Dio non esiste. Quella buona è che non ne hai bisogno." (Auf Deutsch: „Die schlechte Nachricht ist, dass es keinen Gott gibt. Die gute Nachricht ist, dass du ihn nicht brauchst“.) Man wollte damit eine Aktion übernehmen, die bereits mit großem Erfolg in Großbritannien und Spanien von säkularen Organisationen lanciert worden war.
Kardinal Angelo Bagnasco Der Genueser Erzbischof und Präsident des katholischen Kirchenrates, Kardinal Angelo Bagnasco warnte prompt davor, dass die Botschaft „religiöse Gefühle“ beleidigen könnte. Kurz danach zog die zuständige städtische Behörde ihre bereits erteilte Bewilligung zurück.
Die UAAR entschärfte darauf den Wortlaut der Botschaft: „La buona notizia è che anche Zeus non esiste. Quella cattiva, è che solo di Zeus puoi dirlo" ("Die gute Nachricht ist, dass es auch Zeus nicht gibt. Die schlechte Nachricht ist, dass man das nur von Zeus sagen darf”). Diese Version wurde ebenfalls abgelehnt, weil sie den Hinweis enthielt: “UAAR – die Freiheit, nicht an Gott zu glauben.
”Im Mai schaltete die UAAR schliesslich Inserate in führenden italienischen Tageszeitungen, und zwar mit dem Original-Slogan: Es gibt keinen Gott. Als Reaktion darauf pflasterten katholische Gruppierungen halb Rom mit Postern zu, auf denen zu lesen war: „Es gibt einen Gott. Sogar Atheisten wissen es”.
"In Italien gilt die religiöse Geringschätzung als Delikt, nicht aber ihr Gegenstück, die religiöse Propaganda,“ gibt Carcano zu Bedenken. "Die gleiche Agentur, die mit “Es gibt Gott” wirbt, weigert sich, Plakate mit dem Spruch “Gott gibt es nicht” zu drucken.“
Wieso sollen die Kreuze in Italien aus den öffentlichen Schulen verbannt werden? Welchen Schaden richten sie denn an?
Sie richten zwar keinen Schaden an, doch Kreuze haben nichts in öffentlichen Klassenräumen zu suchen. Genauso wenig wie die Kennzeichen politischer Parteien. Öffentliche Gebäude gehören allen. Hier ist kein Platz für Symbole, mit denen sich nur ein Teil der Bevölkerung identifiziert. An den Wänden öffentlicher Schulen sollen Landkarten, geschichtliche Übersichten, Unterrichtsmaterial hängen.
Wie sollte das Kruzifix den Schülern denn beim Lernen helfen? Wenn die Religion tatsächlich wie vom Vatikan behauptet ein wesentlicher Bestandteil der italienischen Kultur ist, drückt sie sich ja automatisch in den kreativen Leistungen der Schüler aus.
Aber viele halten das Kreuz für ein Symbol der Akzeptanz und nicht der Diskriminierung.
Es ist legitim, dass Katholiken ihrem Symbol eine positive Bedeutung beimessen. Sie sollten aber nicht davon ausgehen, dass Nichtkatholiken es genauso sehen. Deshalb operiert das Rote Kreuz zum Beispiel in muslimischen Ländern unter dem Roten Halbmond. Der Kristall wäre seinerseits ein breit einsetzbares, konfessionsübergreifendes Symbol. Das Kreuz aber ist negativ belegt, es wird mit Ereignissen wie die Kreuzzüge, die Religionskriege, die Inquisition, den Kolonialismus, etc. in Verbindung gebracht. Es gibt andere universellere Symbole wie das Herz.