Österreich 2010 - ein Zustand

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Rudolf Gehring / Foto: politwatch.at

WIEN. (pw/fdb/hpd) Die Bundespräsidentschaftswahl 2010 in Österreich lässt tief blicken. Oder vielmehr die sich selbst als oppositionell verstehende Konkurrenz zu Heinz Fischer. Christlicher Fundi vs. Kellernazi. Beide Opponenten versuchen, die gleiche Wählerschaft anzusprechen.

Protestwählen ist in Österreich de facto eine rechtsradikale Domäne. Selten wurde das so deutlich wie bei dieser bevorstehenden Wahl am 25. April. Nur ein christlicher Fundi und eine Kandidatin der FPÖ mit besten Verbindungen nach noch weiter rechts haben es neben dem amtierenden Bundespräsidenten Heinz Fischer geschafft, mehr als 6.000 Unterstützungsunterschriften zu sammeln, die für ein Antreten notwendig sind.

Was vor allem bei Rudolf Gehring überrascht, dem Vorsitzenden der fundamentalistischen "Christen Partei Österreichs". Zwei Tage vor Ende der Einreichfrist hatte er nur 4.500 Unterstützer mobilisieren können, wie Mails seines Wahlkampfleiters bewegen. In einem letzten Mobilisierungsschub sammelte er in der verbleibenden Zeit 3.500 Unterschriften.

Links von der SPÖ, aus der der amtierende Bundespräsident kommt, hatte man es gar nicht erst versucht. Zum Teil will man Fischer nicht durch Gegenkandidaturen Stimmen kosten - auch wenn seine Wiederwahl eine mehr als ausgemachte Sache ist. Zum Teil trauen sich auch die, die ankündigen, Fischer nicht zu wählen, nicht zu, genügend Anhänger für eine Kandidatur zu mobilisieren. Und natürlich fehlt es an Geld.

Diese Sorge hat man bei FPÖ und CPÖ offenbar nicht. Was in beiden Fällen etwas überrascht. Die vergleichsweise größere FPÖ führt in Wien seit einem Jahr Dauerwahlkampf für die Gemeinderatswahlen am 10. Oktober. Und die CPÖ fällt eher durch zweifelhafte Aussagen zu Fristenlösung und Kinderbetreuung auf als durch Wahlerfolge. Bei der Nationalratswahl 2008 erreichte sie nicht einmal ein Prozent der Stimmen. An Werbematerial schien es freilich nicht zu mangeln, wie eine Reportage in der Wochenzeitung akin zeigt.

Gleiche Wählerschaft

Gehring und FPÖ-Kandidatin Barbara Rosenkranz buhlen im Wesentlichen um die gleiche Wählerschaft. Beide sind EU-skeptisch. Rosenkranz hat gegen die EU-Erweiterung 2004 gestimmt, aus Gehrings Umfeld kursieren E-mails, in denen behauptet wird, der EU-Vertrag von Lissabon habe die Todesstrafe wiedereingeführt.

Und es fragt sich, wer reaktionäre Familienideale wie die "natürliche Rolle" der Frau als Mutter am Herd höher hält: Gehring, der ein "Müttergehalt" einführen möchte, damit Frauen ja zuhause bleiben oder die zehnfache Mutter Rosenkranz. Finanziert werden soll Gehrings Vorschlag übrigens mit Einsparungen bei Kindergärten und anderen Kinderbetreuungseinrichtungen.

Beide wurden als "Alternative für christliche Wähler" präsentiert. Was bei Rosenkranz, deren zehn Kinder nicht getauft sind und die selbst aus der katholischen Kirche ausgetreten ist, eher kurios anmutet. Andererseits versucht ihre Partei mit der "christlichen Identität" Europas Stimmung gegen Migration zu machen. Da fallen schon Slogans wie "Daham statt Islam", "Abendland in Christenhand", da läuft der Bundesvorsitzende schon mal Kreuze schwingend durch die Gegend. In punkto Authentizität hat Gehring hier die Nase vorn. Er wäre mit Sicherheit auch angetreten, wenn der amtierende Bundespräsident kein Agnostiker wäre, wie es Fischer ist. Die ÖVP ist ihm zu lasch. Die "christliche Identität" Europas steht für ihn außer Zweifel.

Bei der Migrationspolitik unterscheiden sich die beiden eher in der Rhetorik als im Inhalt. Gehring tritt gegen die von Menschenrechtsgruppen als unmenschlich beschriebene Asylgesetze in Österreich auf - wenn es gegen Migranten aus muslimischen Ländern geht, finden sich seine Partei und die FPÖ jedoch schnell wieder. Im Forum der CPÖ wimmelt es nur so von Verschwörungstheorien, die man de facto wortident auch bei Schulungen der FPÖ zu hören bekommt. In beiden Fällen bestehen Verbindungen zu mittlerweile wegen rechtslastiger Aussagen ins Gerede gekommen Wiener Akademikerbunds, einer Vorfeldorganisation der ÖVP.

Kellernazitum und Abtreibung

Nicht ganz so eindeutig ist die Übereinstimmung bei der Fristenregelung. Rosenkranz vermeidet es, sich in der Frage eindeutig zu positionieren. Dass die radikalen Abtreibungsgegner von Human Life International (HLI) zur Solidarität mit Rosenkranz aufrufen, lässt allerdings nicht vermuten, dass sie eine entschiedene Verfechterin des Rechts der Frau auf den eigenen Körper ist.

Die offene HLI-Unterstützung für Rosenkranz könnte Gehring Stimmen kosten. Bisher war HLI einer der wichtigsten Unterstützer seiner Fundi-Truppe. Und in Sachen Abtreibung ist man ohnehin einer Meinung. Über den "Lebensschutz", die radikale Ablehnung des Schwangerschaftsabbruchs, weiß die CPÖ auf ihrer Homepage Seiten zu schreiben. Der Bereich "Wissenschaft" ist den Christen genau den Menüpunkt wert. Text findet sich dort keiner. Und Gehring hat im Vorjahr auch eine Demo gegen die Fristenlösung vor dem Wiener Rathaus organisiert.

Der deutlichste Unterschied zwischen den beiden ist die Positionierung zum Nationalsozialismus. Rosenkranz kam erst Wochen nach der Ankündigung der Kandidatur eine reichlich dürre "eidesstattliche Erklärung" über die Lippen, in der sie sich vom NS-Regime distanzierte und das NS-Verbotsgesetz außer Streit stellte. Zurückgeführt wird das auf den Druck durch Österreichs größte Tageszeitung, die "Krone", die sie deutlich unterstützt hatte. Selbst deren Herausgeber Hans Dichand waren die Äußerungen seiner Lieblingskandidatin zu heftig geworden. Rosenkranz fühlte sich später missverstanden. Angesichts der von ihr selbst getätigten Aussagen zum Verbotsgesetz erstaunlich. Sie gilt als bestens vernetzt in der rechten Szene, nach wie vor trommeln eindeutig nationalsozialistische Internetseiten Unterstützungsbotschaften. Und Rosenkranz darf offiziell als „Kellernazi“ bezeichnet werden.

Das Problem hat Gehring nicht - trotz des eher gespaltenen Verhältnisses seiner Partei zu den Freiheiten, die eine moderne Demokratie gewährt. Allerdings finden sich die beiden wieder in ihrer Ablehnung der eingetragenen Partnerschaft für Homosexuelle.

Chancenlos

Rosenkranz kann auf Stimmen aus dem nationalistisch bis nationalsozialistisch gefärbten rechtsextremen Eck hoffen, Gehring auf die Stimmen von Fundis, die Rosenkranz wegen ihres Kirchenaustritts nicht wählen können.

Chancenlos sind beide. Da mag Gehring noch so oft träumen, Rosenkranz zu überholen und eine Stichwahl gegen Heinz Fischer zu erzwingen. Dennoch dürfte der gemeinsame Stimmenanteil aus diesem Eck laut jüngsten Umfragen um die 15 Prozent liegen. Wobei Rosenkranz auf etwa 13 Prozent der Stimmen hoffen kann. Nicht wenig für eine Kandidatin, die man offiziell Kellernazi nennen darf. Und deutlich mehr als sich ein linker Gegenkandidat zu Heinz Fischer erhoffen könnte.

Christoph Baumgarten

 

Diese Analyse ist auch auf freidenkerbund.at erschienen.