„Der verschleierte Völkermord“

(hpd) Glaubt man den Aussagen moderner Moslems, ist der Islam ein Hort der Toleranz: „Islam bedeutet Frieden! Mohammed hat die Sklaverei abgeschafft, Ungläubige mussten nur Kopfsteuer zahlen und konnten ihre Religion ausüben.“ Tidiane N’Diaye weiß es besser. Als Anthropologe, Ökonom und Kulturgeschichtler des schwarzen Kontinents untersuchte er die Geschichte des arabomuslimischen Sklavenhandels in Afrika.

N’Diaye beruft sich dabei auf die Zahlen des amerikanischen Historikers Ralph A. Austen, der die Zahl der Opfer mit 17 Millionen beziffert, aber es sind auch viel höhere Zahlen denkbar. Die Tragödie begann im Jahr 652, als der Emir Abdullah ben Said den nubischen König mit einer Art „Schutzgeld“ erpresste: 360 Sklaven sollte er den arabischen Eroberern pro Jahr ausliefern. Aber es blieb nicht dabei. Die arabischen Eroberer drangen 13 Jahrhunderte lang tiefer in das Land vor und wenn sie die Landstriche verließen, lebte oftmals kaum mehr als ein Prozent der Bevölkerung. Die Überlebenden wurden verschleppt, starben in Todesmärschen in der Sahara und wurden vor der Verschiffung nach Arabien kastriert. Das ist der Grund, warum es - anders als in den USA - in den arabischen Ländern keine farbige Minderheit gibt. Tidiane N'Diaye spricht hier von einer geplanten, ethnischen Auslöschung: Die Männer wurden kastriert, die Kinder von Sklavinnen wurden getötet und Aufstände blutig niedergeschlagen.

N’Diayes Buch „Der verschleierte Völkermord“ ist verstörend. Es berichtet von bestialischen Eroberungszügen gegen „Gläubige“ und „Ungläubige“ und Verbrechen, deren Dimension kaum begreifbar sind und die die Entwicklung des afrikanischen Kontinents nachhaltiger beeinflusst haben dürften, als wir es bisher angenommen haben. Die Dschihadisten versklavten nicht nur die arbeitsfähige Bevölkerung, sondern zettelten Stammeskriege an und ermordeten die Überlebenden. Viele derjenigen, die überlebten, starben in Hungerskatastrophen. Und wie bei monotheistischen Religionen so üblich, wurde jede Handlung religiös gerechtfertigt. Vieles kommt hierbei bekannt vor: Der Bibel-Mythos des Ham wurde von schon von traditionellen Mormonen verwendet, um die angebliche Minderwertigkeit der „schwarzen Rasse“ zu beweisen.

„Der verschleierte Völkermord“ konfrontiert uns mit vielen denkwürdigen Thesen: Die Sklaverei sei nicht Folge des Rassismus, sondern dieser sei Folge der Sklaverei. N’Diaye, selber ein Muslim aus dem Senegal, spricht vom „Stockholm-Syndrom“, das es verhindere, dass die afrikanischen Staaten die Geschichte historisch korrekt aufarbeiteten, sondern stattdessen aus religiöser Solidarität lieber Resolutionen gegen Israel verabschiedeten. N'Diaye berichtet von afrikanischer Mittäterschaft und wirft auch den westlichen Mächten vor, nach Abschaffung der Sklaverei den muslimischen Sklavenhandel toleriert zu haben.

Kritiker des Buches bemängeln, dass es zu wenig Verweise auf Quellen besitze, sich zudem auf unwissenschaftliche Quellen berufe und stattdessen in einigen Fällen auf Überlieferungen. Ob diese Kritik gerechtfertigt ist, muss die Wissenschaft beurteilen. Es ist aber jetzt schon abzusehen, dass die westliche Öffentlichkeit nicht einmal annähernd die Grausamkeit und Bestialität verinnerlicht hat, die den afrikanischen Kontinent so verheerend heimsuchte, die sich zerstörerisch auf die bestehende Kultur und jede kulturelle Entwicklung auswirkte und die von der Wissenschaft weiter untersucht werden muss. Und es ist ein weiteres Beispiel für die Destruktivität religiöser Ideen und Ideologien.
 

Tobias Trapp

Tidiane N'Diaye: Der verschleierte Völkermord - Die Geschichte des muslimischen Sklavenhandels in Afrika. Aus dem Französischen übersetzt von Christine und Radouane Belakhdar, Rowohlt Verlag Reinbek 2010, 256 Seiten, 19,95 Euro.