BERLIN. (hpd) “Ebola”, das steht synonym für “schreckliche, tödliche Erkrankung”. Man denkt an Steven King und achtziger Jahre Horrorfilme, in denen die Menschen blutspuckend auf der Strasse zusammenbrechen, um schnellstmöglich zu verenden. “Ebola” stand immer für etwas, womit wir in Europa real nicht wirklich zu tun haben, etwas, das weit weg ist, irgendwo im Busch in Afrika.
Seit 1976 ist das Virus bekannt und tatsächlich wurden bei sporadisch in Zentralafrika auftretenden Ausbrüchen maximal dreistellige Erkrankungs- und Todesfälle registriert: Ein paar Dörfer im Kongo oder in Uganda, die von Ebola heimgesucht wurden, wie von einer Rebellenarmee, die einige Menschen dahinraffte, und dann schnell wieder verschwand.
Offensichtlich hat Ebola eine neue Qualität erreicht, denn in Westafrika hat es erstmals Landesgrenzen überwunden und grassiert nun in fünf Staaten – Guinea, Liberia, Sierra Leone, Nigeria und Senegal. Über 3600 Erkrankte, davon etwa 50 Prozent Todesfälle, sind aktuell bekannt (Robert Koch Institut, 05.09.14). Und die Zahlen steigen weiter an. Die Erkrankung nähert sich gefährlich den internationalen Flughäfen und damit dem Rest der Welt.
Bisher sind zwar nur kontrolliert westliche Erkrankte ausgeflogen worden, um in ihren Heimatländern besser behandelt werden zu können, aber die Gefahr, dass das Virus nicht eingedämmt werden kann und sich damit zu einer Pandemie ausweitet, besteht. So warnten medizinische Experten von “Ärzte ohne Grenzen”, dem “Center of Disease Control” und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bei einer Konferenz, die letzte Woche in Genf stattfand, die Bedrohung durch Ebola eskaliere und könne leicht ausser Kontrolle geraten.
Die Epidemie offenbart das katastrophale Gesundheitssystem in Afrikanischen Ländern
Wenn uns dieses Virus eines wirklich vor Augen führt, dann ist es die katastrophale Situation der Afrikanischen Gesundheitssysteme.
Ebola ist ein dermassen tödliches Virus, dass der Erkrankte in der Vergangenheit nicht weit gekommen ist und die Anzahl von Kontaktpersonen daher gering blieb. Eine verbesserte Mobilität heutzutage macht es zwar möglich, dass selbst der Bewohner eines abgelegenen Dorfes mit irgendeinem Vehikel eine Medizinstation erreicht, auf dem Weg noch viele Menschen anstecken kann, aber dort ist man nicht vorbereitet auf ihn.
Krankenhäuser wurden zwar mit Entwicklungsgeldern gebaut, aber Geld für qualifiziertes Personal, Gerätschaften und Medikamente fehlt oder ist versickert. In vielen Krankenhäusern kann man weder richtig diagnostizieren noch behandeln.
Hinzu kommt noch, dass viele Menschen wegen nicht funktionierender Krankenhäuser, aber auch aus Aberglauben, traditionelle Heiler bevorzugen. So ist das Begräbnis eines solchen Heilers in Guinea der Herd der Epidemie gewesen. Vierzehn Frauen waren nach der Beerdigung erkrankt, weil sie, wie es Tradition ist, den Leichnam berührt hatten. Bei diesem und bei den Frauen konnte per Sequenzanalyse der ursprüngliche Ebolastamm nachgewiesen werden, von dem die weiteren Infektionen ausgingen.
In Nigeria - interessanterweise - einem Afrikanischen Land, das wegen seiner Öl-Ressourcen finanziell etwas besser da steht und daher auch eine bessere Gesundheitsausstattung hat, konnte die Krankheit bisher besser unter Kontrolle gehalten werden. Dort sind bisher nur 18 Fälle aufgetreten. Dabei sind gerade hier die Befürchtungen groß, dass es wegen der hohen Bevölkerungsdichte und -zahl zu einer massenhaften Verbreitung kommt.
Es ist durchaus möglich, die Epidemie in den Griff zu bekommen, wenn die Erkrankten und ihre Kontaktpersonen schnell isoliert werden. Aber dazu braucht es Räumlichkeiten, Material und qualifiziertes Personal. 600 Millionen US-Dollar, so der Chef Koordinator für die Ebola Epidemie der UN, Dr. Nabarro, seien notwendig, um das notwendige Material und ausgebildete Teams zur Eindämmung der Epidemie bereitzustellen.
Unwissen macht Angst
Nicolas Aschoff beschreibt in einem Artikel der Zeit eindrücklich, dass die halbe Belegschaft des Krankenhauses in Sierra Leone, in dem er seine Famulatur machte, inklusive des leitenden Arztes, sich aus dem Staub machte, sobald die ersten Fälle auftraten. “…die Angst wächst, diese riesengroße Furcht, die sich noch viel schneller verbreitet als die eigentliche Seuche.” So erzählt er.
Ebola ist zwar ein tödliches Virus, aber kein Dämon, gegen den man sich nicht wehren kann. Die Übertragung geschieht durch Körperkontakt und -flüssigkeiten. Durch strikte Verhaltensregeln kann man eine Übertragung verhindern und indem man mindestens Mundschutz und Handschuhe trägt bei der Behandlung. Mit relativ einfachen Mitteln kann man eine primitive Isolierstation aufbauen. Warum lernen Krankenpfleger und anscheinend sogar Ärzte in einem Land mit solch hoch infektiösen Krankheiten das nicht routinemäßig während der Ausbildung?
Wenn selbst klinisches Personal von Angst getrieben die Flucht ergreift, hat das Virus leichtes Spiel. Erkrankte bekommen keine Hilfe, das mutigere Personal weiß nicht, wie es sich selbst schützen kann bzw. die Krankheit effektiv im Krankenhaus eindämmen kann. So wird das Krankenhaus selbst zum Krankheitsherd. Die Zahl von 120 Gesundheitsarbeitern, die bereits an Ebola gestorben sind, belegt das.
Dass schon einfache Massnahmen einen großen Effekt haben, zeigen Menschen wie der medizinische Helfer, Thomas Tengbe, der im SWR von dem Einsatz in seinem Dorf in Liberia berichtet. Er habe die Menschen dort aufklären können über Verhaltensregeln und Hygieneschutz. Bei ihnen sei bisher kein Ebola aufgetreten, anders als in den umliegenden Dörfern. Er sei nun von morgens bis abends im Einsatz, um die benachbarten Dörfer aufzusuchen und den Menschen dort Unterricht zu erteilen. Inzwischen haben in Liberia auch Radiosender die Aufklärungskampagne mittels Rap-Songs begonnen.
Die Epidemie aus den Augen des Virus betrachtet
Ebola ist ein sehr unangepasster Menschen-Pathogen. Der Mensch ist auch eher ein Fehlwirt und gar nicht das natürliche Ziel von Ebola. Endemisch lebt das Virus in Wildtieren, wahrscheinlich in Flughunden, die keine Krankheits-Symptome zeigen und so als Reservoir dienen. Von dort gelangt es zu anderen Tierarten – Antilopen, Affen - durch Verzehr, Kontakt mit dem Kot oder Bisswunden - und erreicht so auch den Menschen, der das Tier erbeutet und isst oder gebissen wird. Gleichzeitig mit einem Ausbruch beim Menschen sind auch immer Ausbrüche unter den Wildtieren der Gegend verzeichnet worden.
Wenn man die Epidemie einmal von der Seite des Virus aus betrachtet, das wie alle biologischen Wesen einfach nur danach trachtet, sich möglichst effektiv zu reproduzieren, kann man verstehen, dass es gar kein Interesse daran hat, seinen Wirt zu töten und erst recht nicht so schnell. Die Viren, die sich am besten etabliert haben sind angepasste Viren. Die meisten kennen wir gar nicht, so angepasst sind sie. Sie leben in unseren Körpern, vermehren sich mit unseren Zellen und führen zu keinen schmerzhaften Symptomen. Ganz nach dem Motto: Geht es dem Menschen gut, dann geht es auch seinem Virus gut. Inwieweit die mit uns ko-habitierenden Viren unseren Körper beeinflussen, ist ein spannendes und noch sehr unerforschtes Feld. Manche Viren kennen wir besser, weil sie eventuell spontan zu Krankheiten führen können: Herpes simplex zum Beispiel oder ein Verwandter von HIV, der HTL Virus, der bei einem sehr geringen Prozentsatz der Infizierten im späteren Leben Leukämie auslösen kann.
HIV und Ebola hingegen sind eben nicht angepasst. Sie sind erst kürzlich zur menschlichen Population gewechselt und eher aus Versehen. In diesem Wirt richten sie verheerende Schäden an, die ihnen selbst keinen Nutzen bringen. Im Falle von HIV allerdings haben wir es seit den achtziger Jahren mit einer Pandemie zu tun, da die Epidemie sich global ausbreiten konnte und nicht mehr kontrolliert werden kann. Die HIV Pandemie in diesem Stadium wird man erst mit der Entwicklung eines wirksamen Medikamentes oder Impfstoffes unter Kontrolle bringen können und muss sich bis dahin darauf verlassen, sie mittels Verhaltensregeln einzudämmen.
Die Ebola Epidemie hingegen könnte jetzt noch durch rigorose Isolation der Patienten und deren Kontaktpersonen gestoppt werden. Zynischerweise hilfreich ist dabei die kurze Inkubationszeit und der auffällige und schnelle Krankheitsverlauf von Ebola. Denn während HIV sehr lange unerkannt im Menschen leben kann, der während der ganze Zeit als Überträger fungiert, hat Ebola nur eine kurze Zeitspanne, um sich weiter von Mensch zu Mensch zu übertragen. Daher wird das epidemiologische Risiko für Europa auch nicht sehr hoch eingeschätzt. In Afrika jedoch könnte Ebola sich durchaus im Menschen etablieren und zu sehr hohen Todeszahlen führen. Und dann gibt es auf längere Sicht kein Medikament und keinen Impfstoff, der helfen kann.
Diskussion um Einsatz nicht getesteter Medikamente
Das Medikament ZMapp, das viel Hoffnung und Diskussion auslöste, die sich darum rankten, ob es unethisch sei, dieses Präparat an armen Afrikanern auszuprobieren oder noch unmoralischer, es nur reichen Industriestaatlern zu geben, ist bisher noch nicht klinisch getestet. Das heißt, es kann sich immer noch herausstellen, dass seine Nebenwirkungen gravierend sind und seine Wirksamkeit gering. Interessanterweise ist die Entwicklung dieses Medikamentes vom US Verteidigungsministerium finanziert worden. Um sich vor Biowaffen-Terror zu schützen hatte es ein Jahr nach 9/11 sechs Milliarden US-Dollar für die Erforschung potentiell gefährlicher Viren und Bakterien an verschiedene Unternehmen verteilt. Die Pharmaindustrie hingegen hat an der Bekämpfung einer Krankheit, die nur vergleichsweise wenige und meist arme Menschen betrifft, kein Interesse.
Dr. Schmidt-Chanasit vom Bernhard Nocht Institut für Tropenmedizin wunderte sich in der Tagesschau darüber, dass nicht andere Medikamente zur Debatte stünden, die bereits gegen Virenerkrankungen im Einsatz seien und in Tests gezeigt hätten, dass sie auch gegen Ebola wirken könnten. Sie hätten den Vorteil, dass sie bereits klinisch getestet seien und man Erfahrungen mit ihren Nebenwirkungen gesammelt habe. Er vermutete Lobbyarbeit bei der Beschränkung der Diskussion auf ZMapp, aber auch zu große Hektik der unter öffentlichem Druck stehenden Entscheidungsträger.
Trotz allem ist jedoch bei all diesen Mitteln die Wirksamkeit fraglich und auch die Verfügbarkeit sehr eingeschränkt.
Große Hoffnung setzt man auch auf einen Impfstoff, der von einer Kanadischen Firma entwickelt wird. Aber auch hier sind Risiken nicht bekannt, Verfügbarkeit erst in vielen Monaten ausreichend und die Wirksamkeit ungewiss. So hat eine Studie, die die Sequenzen von Ebolaviren aus 99 Erkrankten dieser Epidemie untersucht hat, festgestellt, dass das Virus sehr schnell mutiert. Während der momentanen Epidemie kann man bereits von der Entstehung eines neuen Ebola Stammes reden. Ähnlich wie beim Grippevirus, gegen den man wegen seiner hohen Varianz jedes Jahr einen neuen Impfstoff benötigt, kann dies zu einem weiteren Problem bei der längerfristigen Bekämpfung werden.
Wirtschaftliche Folgen
Die WHO befürchtet, dass in den nächsten sechs bis neun Monaten die Zahl der Infizierten auf 20.000 ansteigen könnte. Auch jetzt schon beginnt die Seuche sich stark auf die Wirtschaft auszuwirken.
Größere Quarantänegebiete wurden abgegrenzt, in Liberia zum Beispiel eine Stadt mit 75.000 Einwohnern. Viele Bauern kommen deswegen nicht mehr auf ihre Felder und ein Engpass in der Nahrungsversorgung bahnt sich an, wie die UN Organisation für Nahrung und Landwirtschaft warnt. Auch sind viele Länder vom Tourismus abhängig, der möglicherweise zum Erliegen kommt. Zusätzlich meiden Fluglinien und Schiffe die betroffenen Länder und benachbarte Staaten haben ihre Grenzen geschlossen, so dass Im- und Export zum Erliegen kommen.
Die einzige Hoffnung momentan ist ein massives Aufstocken der verfügbaren Gesundheitsressourcen, personell und materiell, welches nur mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft möglich ist. Und so könnte die Seuche doch auch noch eine positive Folge haben, nämlich eine Verbesserung der generellen Gesundheitsversorgung in Afrika.