Tödlicher Beschneidungslobbyismus in Sambia

hiv_warnschild.jpg

Warnschild an einem Ortseingang in Sambia
Warnschild an einem Ortseingang in Sambia

BERLIN. (hpd) In der aktuellen Ausgabe des Magazins GEO beschreibt Michael Olbert, wie eine Beschneidungslobby die Unwissenheit der Bevölkerung dazu nutzt, die männliche Beschneidung (Zirkumzision) fast flächendeckend durchzusetzen. Als Grund dafür muss eine zweifelhafte Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) herhalten, nach der die Zirkumzision vor Aids schützen soll.

"Die Weltgesundheitsorganisation will 20 Millionen Männer im südlichen und östlichen Afrika beschneiden lassen" heißt es gleich eingangs in dem GEO-Artikel. Gleichzeitig wird den Männern versprochen, sich durch diese Operation vor Aids dauerhaft zu schützen; ein möglicherweise tödliches Versprechen.

Das Programm von WHO und Vereinten Nationen sieht vor, in 14 afrikanischen Ländern bis zum Jahr 2016 mehr als 20 Millionen Männer im Alter zwischen 15 und 49 Jahren zu beschneiden. Das Ganze soll rund zwei Milliarden Dollar kosten. Nicht nur, dass es sich zum Teil (bei den Jugendlichen) um unnötige Operationen an Minderjährigen handelt; schlimmer wiegt jedoch, dass die Studien, auf die die WHO sich stützt, mehr als fragwürdig sind. Bereits im Jahr 2006 wurde aus ethischen Gründen eine Studie gestoppt, die den Nachweis erbringen sollte, dass es einen signifikanten Zusammenhang zwischen Zirkumzision und AIDS-Prophylaxe gäbe. Damals sprach der Direktor der Aids-Abteilung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Kevin De Cock, "diplomatisch vom 'Potential', in der Zukunft Zehntausende, Hundertausende oder vielleicht Millionen von Infektionen zu verhindern."

Allerdings - und darauf weist der Artikel der GEO explizit hin - kann die Zirkumzision nur ein Baustein sein. Eine umfassende gesundheitliche Aufklärung und die Nutzung von Kondomen könnte die Ansteckungsgefahr deutlicher mindern. Doch dann wäre die geplante Massenbeschneidung nicht mehr zu begründen. Den Sprecher des Berufsverbands der Deutschen Urologen, Wolfgang Bühmann, zitiert der Artikel mit der Aussage: "Kondome bieten einen fast vollständigen Schutz gegen HIV. Wozu dann ein chirurgischer Eingriff?"

Die Männer werden über die "Nebenwirkungen", die eine Zirkumzision mit sich bringt, nicht informiert. Im Gegenteil wird die Beschneidung "verkauft" wie ein Wundermittel: "Beschneidungsagenten" wie Margret Nkunika ziehen durch das afrikanische Sambia und werben "Beschneidung schützt euch zu 60 Prozent vor HIV! 60 Prozent, Leute! 60 Prozent!" - das könnte kein Versicherungsvertreter besser. Und möglicherweise weiß es auch Frau Nkunika nicht besser. Die GEO schreibt: "Es ist wie Stille Post: Forscher haben Zusammenhänge gefunden zwischen Vorhaut und Infektion. Die WHO erzählt das den Hilfsorganisationen. Die ihren Mitarbeitern. Die wiederum überzeugen Patienten im Land. Unterwegs wird die Botschaft immer simpler. Und falsch: Auf dem Markt … erzählen sich die Männer, dass man nach dem Besuch in der Beschneidungsklinik nie mehr Kondome braucht." (Heft 7/2015, Seite 119)

Welch ein Irrsinn in dieser großangelegten Kampagne steckt, zeigt auch die Tatsache, dass sich auch bereits mit dem HIV-Virus infizierte Männer beschneiden lassen können. "Auch bereits HIV-infizierten Männern sollte eine Beschneidung nicht vorenthalten werden, um eine Stigmatisierung in der Bevölkerung zu verhindern" informierte der Spiegel bereits 2009, als die Kampagne geplant wurde.

"Diese Beschneidungen in Afrika sind nicht nur sinnlos, sondern potentiell tödlich" warnt der oben bereits zitierte Fachmann Wolfgang Bühmann. "Um Menschen in Gebieten mit hoher HIV-Rate zu helfen, muss man ihnen klarmachen: Sex ohne Kondom ist lebensgefährlich, Sex mit Kondom hingegen ist sicher, egal ob die Vorhaut noch dran ist oder nicht." Diese Warnung erfolgt nicht umsonst. Denn jüngste Studien - unter anderem in Uganda - haben festgestellt, dass beschnittene Männer sexuell viel risikofreudiger sind als Unbeschnittene. Und "risikofreudiger" in diesem Zusammenhang bedeutet: Sex ohne Kondom.

Im Artikel wird auch das Schicksal von Kito erzählt, einem ehemaligen Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums. Ihm wurde gekündigt, weil er sich mit Aids angesteckt hatte; weil er glaubte, dass die Zirkumzision vor Aids schützt. "Tausenden geht es wie mir. Die Beschneidungskampagne ist ein tödlicher Betrug." Im Nachbarland Simbawe wurde inzwischen bekannt, dass mehr beschnittene als unbeschnittene Männer HIV-positiv sind. Das gleiche gilt für Malawi, wo die Anzahl der beschnittenen HIV-Patienten etwas 30 Prozent höher ist als die der Unbeschnittenen.

Eine Gefahr besteht auch für Frauen: unter denen, die mit beschnittenen Männern sexuell verkehren, hat die HIV-Rate innerhalb von nur sechs Monaten nach der Beschneidung (des Mannes) um 61 Prozent zugenommen.

Da stellt sich die Frage: wenn das alles bekannt ist, weshalb forcieren WHO und UN weiterhin die Kampagne? Für die Regierungen der betroffenen Länder stellt sich die Situation einfach dar: "Die Hilfsindustrie, die rund um die Aids-Epidemie entstanden ist, ist nach der Regierung der zweitgrößte Arbeitgeber." Warum, fragt auch der GEO-Artikel, "warum riskieren WHO und die Vereinten Nationen eine Katastrophe? Warum setzen sie ihre gewaltigen Budgets nicht ein, um Kondome populärer zu machen?" Antwort auf diese Fragen bekam der Autor des Artikel jedoch trotz mehrfacher Nachfragen von der Weltgesundheitsorganisation nicht.

Sambische Politiker jedoch bieten eine Erklärung an: Veränderungen des menschlichen Verhaltens wie die Aufklärung über und die Nutzung von Kondomen lasse sich nicht so gut abrechnen, "Beschneidung hingegen liefert beeindruckende Zahlen..."