BERLIN. (hpd) Die Berliner Biologin Johanna Heuveling konnte für einige Zeit am Technion Institute im israelischen Haifa arbeiten. Sie ist durch Palästina und Israel gereist und hat ihre Eindrücke aus diesem zerrissenen Stück Land niedergeschrieben.
In der Schule haben wir gelernt, dass wir gute Noten in einer Erörterung nur bekommen, wenn wir unnachgiebig einen Standpunkt vertreten und alle Gegenargumente widerlegen. Meine ursprüngliche Neigung, Dinge von allen Seiten betrachten zu wollen, Verständnis für jegliche Einstellung zu entwickeln und mehrere Wahrheiten gelten zu lassen, wurde immer mit schlechten Noten geahndet.
Spätestens in Israel-Palästina merke ich, dass sie es uns falsch gelehrt haben. Hier haben viel zu viele Menschen ihren ehernen, in Stein gemeißelten Standpunkt, der besagt, dass die anderen, wer immer sie sein mögen – Juden, Araber, Israelis, Palästinenser – falsch liegen, die falsche Kultur haben, eine gewalttätige Religion und Tradition und daraus resultierend, unvereinbare Gegensätze zu einem selbst, die sich nie und niemals auf einen Nenner bringen lassen. "Das absolute Minimum, das sie gewillt wären, uns zu zugestehen, ist weit entfernt von dem Maximum, das wir gewillt wären zu geben."
Ich habe aber gelernt, dass den anderen zu verstehen versuchen die Grundlage ist, um einen menschlichen Kontakt aufzubauen und die Grundlage für Versöhnung mit all den schrecklichen Dingen, die beide Seiten sich angetan haben. Persönliches Gespräch ist auch einfach die basalste Form einer menschlichen Annäherung.
"Ich lerne keine Israelis kennen"
Doch gerade die Möglichkeit der Annäherung wurde in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer schwieriger gemacht. "Ich lerne keine Israelis kennen", sagt mir Rana aus Bethlehem. "Sie kommen hier nicht her und ich darf nicht rüber."
Bethlehem liegt einen Steinwurf von Jerusalem entfernt, aber ist davon getrennt, für die meisten Bethlehemer unüberwindbar, durch die Mauer zwischen Westbank und Israel und einen Checkpoint, der nur diejenigen mit einer speziellen Genehmigung passieren lässt. Doch diese bekommen nur wenige.
Ranas Vater hatte sein halbes Leben in Jerusalem als Koch gearbeitet. Nach Schließung der Grenze hatte er keine Erlaubnis bekommen, nach Jerusalem zu pendeln, und war in der Folge jahrelang ohne feste Arbeit. Israelis ihrerseits kommen nur in Gestalt von Soldaten nach Bethlehem "Den Israelis wird von ihrer Regierung Angst gemacht, hierherzukommen. Dabei hätten sie nichts zu befürchten" behauptet Rana.
Diese Mauer, die mich als Berlinerin ganz besonders berührt, wurde in Bethlehem im Jahr 2005 errichtet. Ziemlich über Nacht, denn Rana erzählt mir, sie habe damals kaum die Bauarbeiten mitbekommen. "Es war schon lange vorher geplant und eine sehr schnelle Aktion." Die meisten und sogar links eingestellte Israelis, wie zum Beispiel der Schriftsteller Amos Oz, der Mitglied von Peace Now ist, befürworten diese Absperranlagen, denn sie haben Angst.
Gewaltlose internationale Freiwillige helfen, die schlimmsten Auswirkungen zu mildern
Das Hauptproblem ist, dass die Absperrung nicht entlang der Grünen Linie – der vereinbarten Grenzlinie zwischen Israel und Westbank – verläuft, sondern teilweise tief in palästinensisches Gebiet einschneidet und oft einen verrückt verschlungenen Verlauf aufweist.
In Bethlehem trennt sie den Bereich um das Grab Rachels, welches als jüdisches Heiligtum gilt, von dem Rest der Stadt ab, so dass die frühere Hauptgeschäftsstraße zu einer Geisterstadt wurde. Sie umzingelt Häuser, deren Bewohnern verboten wird, die Rollläden hochzuziehen oder auf das Dach zu steigen, denn die israelischen Wachleute befürchten Scharfschützen. Zwei Tage vor meinem Besuch wurde ein 18-jähriger niedergeschossen, der morgens auf einem Dach nahe der Mauer stand.
Andere Häuser wurden abgerissen, weil es hieß, sie stünden zu nah an der Mauer. Einige Felder können nicht mehr erreicht werden und daher nicht mehr bestellt werden. "Es gibt ein Gesetz, das besagt, dass Land, welches mehrere Jahre nicht genutzt wird, in staatlichen Besitz übergeht. Indem sie den Zugang zu Feldern verhindern, eignen sich die Israelis das Land an" sagt mir Rana.
Die kleine, agile Rana engagiert sich in gewaltlosen Projekten, die Bauern und Familien, die von solchen Maßnahmen betroffen sind, unterstützen. Sie organisiert den Einsatz von internationalen Freiwilligengruppen, die bei der Olivenernte eines solchen Feldes helfen oder abgerissene Häuser wieder aufbauen. "Die Präsenz der internationalen Helfer hilft uns, zu den Feldern zu gelangen oder die Rohbauten der Häuser fertigzustellen."
Bethlehem bemüht sich sehr, die Auswirkungen der Mauer auf die Wirtschaft der vom Tourismus abhängigen Stadt gering zu halten. "So lange es friedlich ist, geht es uns gut." sagt Rana. Denn dann kämen die Touristen.
Die Stadt unterstützt Ladenbesitzer in der Altstadt, damit sie ihre Läden weiter offen halten können. Seit Bau der Mauer gibt es einen jährlichen Marathon "Right to Movement", der auch als Protest gedacht ist.
2 Kommentare
Kommentare
Hans Trutnau am Permanenter Link
"[...] den anderen zu verstehen versuchen die Grundlage ist, um einen menschlichen Kontakt aufzubauen und die Grundlage für Versöhnung mit all den schrecklichen Dingen, die beide Seiten sich angetan haben.
Solange dies von ranghöchsten Personen auf beiden Seiten, wie jüngst der wiedergewählte N. in Israel, torpediert wird, sehe ich schwarz.
Ich war noch nicht in der Gegend. Aber der ähnlich gelagerte Bericht von Andreas Altmann ("Verdammtes Land") hat mich äußerst pessimistisch zurückgelassen.
Walter Müller am Permanenter Link
Es ist ja alles so einfach: Die Menschen müssen nur lieb zueinander sein, dann herrscht eitel Friede und Sonnenschein. Mit solchen naiven Vorstellungen kommen leider viele aus Palästina zurück.