BERLIN. (hpd) Am Freitag, den 20. März 2015, fand zum ersten Mal ein Gespräch zwischen dem Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestags und NROs (Nichtregierungsorganisationen) aus Südkorea und Deutschland statt. Eine Delegation aus Vertretern der International Coalition to Stop Crimes against Humanity in North Korea (ICNK) und Saram e.V. hatte die Gelegenheit, den Mitgliedern des Ausschusses ihre Positionen darzulegen und über mögliche Lösungsansätze für die Dauer-Krise auf der koreanischen Halbinsel zu diskutieren.
Seit im Februar 2014 durch einen Bericht der UN Commission of Inquiry (COI) das unglaubliche Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen öffentlich gemacht wurde, ist allgemein bekannt, dass momentan in keinem anderen Land der Welt Menschenrechte so drastisch und systematisch verletzt werden wie in der DVRK.
Der Vorsitzende des Ausschusses, Michael Brand, MdB, begrüßte die Gelegenheit die Perspektive und Strategien von NROs gemeinsam zu diskutieren. Kurz nach der Veröffentlichung des UN COI-Berichts hatte der Ausschuss bereits eine Erklärung veröffentlicht, in der die schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen verurteilt wurden sowie die ausdrückliche Unterstützung zur Umsetzung der Empfehlungen des Menschenrechts-Berichts durch den Ausschuss zugesagt wurde.
Gleich zu Beginn des Gespräches einigte man sich, dass beidseitig kein Bedarf mehr bestehe, über die Menschenrechtsverletzungen bzw. deren Ausmaß zu diskutieren. Diese seien durch den UN Bericht ausreichend bekannt. Stattdessen waren die Mitglieder des Ausschusses daran interessiert, über mögliche Lösungsstrategien zu diskutieren und Einzelheiten über die Arbeit der anwesenden NROs zu erfahren. Einigkeit bestand ebenfalls darin, dass die Menschenrechtsverletzungen des nordkoreanischen Regimes von der internationalen Staatengemeinschaft nicht länger hingenommen werden dürfen, es aber wohlüberlegten Handelns bedürfe um verheerende Folgen gerade für diejenigen Menschen zu vermeiden, die man zu schützen suche. Die komplexe politische und diplomatische Situation der koreanischen Halbinsel sowie die Schwierigkeit, an zuverlässige Informationen zu gelangen, macht es sehr schwer, Lösungsansätze zu entwickeln, die, zwar gut gemeint, nicht womöglich das Gegenteil der beabsichtigen Verbesserung der Situation der Menschenrechte in Nordkorea erreichen.
Frau Eunkyoung Kwon, die gerade erst, vom UN-Menschenrechtsrat in Genf kommend, angereist war, vertrat in diesem Gespräch die International Coalition to Stop Crimes against Humanity in North Korea (ICNK), einem Dachverband von mehr als 50 NROs aus zahlreichen Ländern. Der deutsche Verein Saram e.V. wurde vertreten durch die Vorstandsmitglieder Yvonne Yung Hee Bormann, Nicolai Sprekels und Oliver-Martin Rapsch.
Die besondere Rolle der Bundesrepublik Deutschland
Die Bundesrepublik Deutschland ist eines der wenigen Länder, die nicht nur gute Beziehungen zu Südkorea unterhalten, sondern auch, so weit möglich, zur DVRK (Nordkorea). Dies ist historisch begründet: während Deutschland selbst geteilt war, unterhielt die DDR eine enge Partnerschaft und regen Austausch mit der DVRK, Westdeutschland dagegen baute eine enge Beziehung zu Südkorea auf. Hinzu kommt, wie Frau Eunkyoung Kwon erläuterte, dass Deutschland generell ein hohes Ansehen in der koreanischen Bevölkerung genießt und wegen der überwundenen eigenen Teilung auf besonderes Interesse stieße. Viele Koreaner sähen Chancen darin, aus der Geschichte der deutschen Wiedervereinigung zu lernen, auch wenn Situationen und Voraussetzungen der Teilung Deutschlands und Koreas in vielen Aspekten sehr unterschiedlich seien.
Herausforderungen an die Diplomatie
Nordkorea steht seit Jahrzehnten auf der Weltbühne außenpolitisch isoliert da. Selbst die Sechs-Parteien-Gespräche zwischen Nord- und Südkorea, der Volksrepublik China, Russland, Japan und den Vereinigten Staaten, die eigentlich eine friedliche Lösung der Sicherheitsbedenken des nordkoreanischen Nuklearwaffenprogramms herbeiführen sollten, werden bereits seit 2009 von Nordkorea boykottiert. Das letzte “Take 2” Gespräch zwischen Vertretern der USA und Nordkoreas im Januar dieses Jahres über eine mögliche Abrüstung Nordkoreas blieb anscheinend ohne Ergebnisse.
Die Delegation von Saram e.V. legte in aller Ausführlichkeit dar, dass es hilfreich sei, sich in die Perspektive der potentiellen nordkoreanischen Verhandlungspartner hineinzuversetzen um ein tieferes Verständnis für deren Haltung zu gewinnen, wofür es notwendig sei, sich auch intensiv mit der politischen Ideologie Nordkoreas (“Juche”) zu befassen. Zwar seien diplomatische Kontakte in der Vergangenheit, jedenfalls seit Ende der Sonnenschein-Politik, meist ergebnislos geblieben, allerdings habe die Bundesrepublik Deutschland eine weltweit einzigartige Sonderstellung, die bisher kaum genutzt werde.
Aufgrund dieser besonderen Situation hätte Deutschland womöglich eine Chance, in die stagnierenden diplomatischen Beziehungen der an diesem Konflikt beteiligten Länder als Mediator wieder Schwung zu bringen. Bisher wurde diese Rolle häufig von den USA eingenommen, die allerdings kaum als neutral gelten können, waren sie doch aktiv in den Koreakrieg involviert und werden vom Regime Nordkoreas als feindlich gesinnt eingestuft.
Die größte Schwierigkeiten für solche Bemühungen sind und bleiben aber selbstverständlich die Menschenrechtsverletzungen, die nicht länger hingenommen werden dürfen. Darin stimmten die Anwesenden des Ausschusses sowie die Vertreter von Saram e.V. und ICNK überein.
Europäische Lösungen?
Der Verein Saram e.V. bemüht sich unter anderem darum, Aufmerksamkeit für die Menschenrechtslage in Nordkorea zu schaffen, eine Grundvoraussetzung für bürgerliches Engagement. Hierzu wurde eine Kooperation mit der in Großbritannien ansässigen European Alliance for Human Rights in North Korea (EAHRNK) begründet um dieses Ziel auf eine europäischee Ebene zu heben. Bestreben dieser Kooperation ist auch, den Aufbau weiterer NROs in verschiedenen Europäischen Staaten zu unterstützen und diese ebenfalls in das Bündnis zu integrieren.
Eine solche Allianz aus NGOs verschiedener Europäischer Staaten wäre sehr viel effizienter in seiner politischer Arbeit und könnte Ressourcen sinnvoll koordinieren. Auch und vor allem deshalb, da jede der Organisationen für sich über Kontakte zu verschiedenen Netzwerke verfügt und diese nutzen kann, um an wissenschaftlich recherchierte Informationen zu gelangen und Strategien auszuarbeiten. Als Beispiel hierfür wurde die Kooperation zwischen Saram e.V. und Crime Prevention Solutions (CPS) kurz beschrieben. CPS forscht und berät im Bereich “transitional justice” wobei Saram e.V. über sein Kontaktnetzwerk Möglichkeiten zur Datenerhebung vermitteln kann.
Die Arbeit am Aufbau dieser Allianz und der mögliche Output an wissenschaftlich recherchierten Daten stießen auf reges Interesse der Abgeordneten. Bürgerliches Engagement sei, so die Mitglieder des Ausschusses, ein guter Weg, um Informationen zu sammeln und Strategien zu entwickeln. Daher begrüße man ausdrücklich die Möglichkeit den begonnen Dialog mit Frau Eunkyoung Kwon (ICNK) und Saram e.V. fortzuführen.
Weitere Kooperationsmöglichkeiten zwischen Südkorea und Berlin.
Frau Eunkyoung Kwon und Saram e.V. nutzten die folgenden Tage in Berlin für eine weitere Verbesserung des bereits guten Verhältnisses zwischen dem südkoreanischen Dachverband und der deutschen NRO. In mehreren strategischen Gesprächen wurde erörtert, wie sich die Kooperation noch effizienter gestalten ließe. Insbesondere wird der Beitritt des Vereins zur ICNK als kurzfristiger Schritt ins Auge gefasst, über einen entsprechenden Antrag wird anlässlich eines Mitgliedertreffens der ICNK am 1. April entschieden.
Weiterhin wird Saram e.V. in Kooperation mit der ICNK noch im Jahr 2015 zeitgleich mit dem jährlich in Seoul stattfindenden Menschrechtsfilmfestival eine entsprechende Veranstaltung in Berlin ausrichten. Eine gute Gelegenheit, einem der Ziele des Vereins, das er sich gesetzt hat, etwas näher zu kommen, nämlich in der deutschen Bevölkerung ein Bewusstsein für die Situation der Menschenrechte in Nordkorea zu schaffen und mit dem darauf hoffentlich erfolgenden Engagement eine Änderung zu bewirken.
Des Weiteren fanden zahlreiche gemeinsame Gespräche zwischen Frau Kwon und den Partnerorganisationen von Saram e.V. statt, darunter Crime Prevention Solutions (CPS), Herz für Korea e.V. (HEKO), und der Giordano-Bruno-Stiftung, die wesentlich zum Aufbau von Saram e.V. beigetragen hat.
Außerdem gab es noch ein Treffen mit der Kuratorin der DNA-Galerie in Berlin, Frau Seoyoung Kim, deren aktuelle Ausstellung über die DMZ in Korea, “Making Border” noch bis Ende dieses Monats in Berlin zu sehen ist.
Die nächste öffentliche Veranstaltung der EAHRNK und Saram e.V., “Menschenrechte in Nordkorea: Internationale Herausforderung - Europäische Lösungen?” wird am 20. April im Rahmen der Berliner Stiftungswoche stattfinden, unterstützt von der Giordano-Bruno-Stiftung. Mehr Informationen zur Veranstaltung finden sie hier.
Saram e.V.