Notizen zu Nordkorea 27

Militärparade und Amnestie – Wer bezahlt das?

Sind Verhütungsmittel in Nordkorea illegal?

Schätzungen zufolge nimmt die Geburtenrate in Nordkorea stetig ab. Eine großangelegte Kampagne zur Familienplanung in den siebziger Jahren hatte dafür gesorgt, dass sich die Zahl der Geburten innerhalb weniger Jahre halbierte. Während die Rate Mitte der sechziger Jahre bei 6,5 Kindern pro Frau lag, liegt sie heute bei etwa zwei Kindern pro Frau. Weil aber die Kosten für Versorgung und Bildung des Nachwuchses kontinuierlich steigen, sollen sich immer mehr Paare dazu entscheiden, Schwangerschaften zu verzögern und nur noch ein Kind zu bekommen. Die staatlichen Maßnahmen zur Geburtenkontrolle wurden daher zurückgenommen und es wird aktiv dafür geworben, mehr Kinder in die Welt zu setzen. Familien mit Drillingen erhalten für ihren "Einsatz" für das Volk beispielsweise Geschenke und eine besondere Förderung.

Eine besonders drastische Maßnahme zur Erhöhung der Geburtenrate wurde kürzlich von "Radio Free Asia" berichtet: Es soll jetzt sogar Ärzten verboten worden sein, Verhütungsmittel wie Spiralen einzusetzen oder Abtreibungen vorzunehmen. Die Spirale soll das am weitesten verbreitete Verhütungsmittel in Nordkorea sein.

Es ist unklar, ob diese Maßnahmen einen Einfluss auf die Zahl der Geburten haben werden, denn ein Verbot oder zumindest die Missbilligung von Verhütungsmitteln scheint in Nordkorea nicht so neu zu sein. Laut einer Publikation des Koreanischen Instituts für Nationale Vereinigung (KINU) aus dem letzten Jahr wurde es der Bevölkerung schon Ende der neunziger Jahre unmöglich gemacht, Verhütungsmittel in Krankenhäusern zu erhalten. Damals sollte die Geburtenrate aufgrund der hohen Sterblichkeit in der Hungersnot, durch die möglicherweise bis zu zehn Prozent der Bevölkerung ums Leben kamen, wieder erhöht werden. Zu dieser Zeit kollabierte aufgrund der katastrophalen ökonomischen Lage allerdings auch das staatliche Gesundheitssystem. Die Vermarktlichung der Gesellschaft, die damals einsetzte, machte auch vor dem Gesundheitswesen nicht halt. Weil staatliche Rationen ausblieben und offizielle Löhne eher einen symbolischen Wert haben, waren die Menschen gezwungen, auf dem Schwarzmarkt ihr Geld zu verdienen. In Krankenhäusern wurden Medikamente verschrieben, die aber auf legalem Wege kaum zu bekommen waren. Viele Ärzte fingen an, ihre Dienste privat anzubieten, da der Verdienst auf diesem Wege um ein Vielfaches höher liegt. Weil auch die Patienten inzwischen wissen, dass sie in den staatlichen Krankenhäusern kaum auf eine Behandlung hoffen können, besuchen sie die Ärzte direkt zu Hause. Erfolgreiche Mediziner haben sogar Zugang zu einem privaten Netzwerk aus Krankenschwestern und Apothekern, so dass sie ihre Tätigkeit verhältnismäßig erfolgreich ausführen können und damit sehr gefragt sind.

Weil auch Parteikader von den Diensten profitieren, scheint niemand diese Entwicklung ernsthaft bekämpfen zu wollen. Nicht nur ein Großteil der Medikamentenversorgung geschieht auf privatem Wege, sondern auch Operationen werden auf diese Weise angeboten. Inzwischen werden auch nicht nur lebenswichtige Eingriffe vorgenommen, sondern auch solche, die der Schönheit dienen. Diese sind allerdings auch illegal, denn sie werden als Zeichen westlicher Dekadenz angesehen. Abtreibungen bei privat arbeitenden Ärzten kosten je nach Schwangerschaftswoche zwischen 20.000 und 80.000 Won (ca. zwei bis acht Euro), wie Daily NK berichtet. Patientinnen sind dabei häufig unverheiratete Frauen, die mit dem Stigma einer Schwangerschaft nicht leben wollen. Aufklärungsunterricht gibt es in Nordkorea kaum, so dass viele Frauen als "Verhütungsmittel" nur den Schwangerschaftsabbruch kennen.

Kurznachrichten

Im Herbst bessern viele Familien ihr Haus aus, um es winterfest zu machen. Als Tapetenersatz oder Dämmmaterial dient dabei Papier guter Qualität, das allerdings in Nordkorea sehr rar ist. Auf verhältnismäßig gutem Papier ist die Zeitung "Rodong Sinmun", das Organ des ZK der PdAK, gedruckt, weshalb sie laut Quellen von Daily NK für 10 Won (0,1 Cent) pro Blatt auf den Märkten verkauft wird. Auch zum Drehen von Zigaretten ist die Zeitung sehr beliebt. Einige Seiten sind allerdings praktisch unverkäuflich: Obwohl solche mit dem Bildnis eines der Führer für umgerechnet 0,01 Cent angeboten werden, will sie niemand erstehen. Es gilt in Nordkorea als politisches Verbrechen, das Bild von Kim Eins, Zwei oder Drei zu beschädigen oder gar in Form einer Zigarette zu verbrennen. Damit sind diese Seiten für die meisten Bürger vollkommen wertlos.

Die Anzahl der Mobilfunkverträge in Nordkorea ist laut dem Anbieter Koryolink auf drei Millionen gestiegen. Vor etwas über einem Jahr lag die Zahl noch bei 2,4 Millionen, was zehn Prozent der Bevölkerung entspräche. Es ist jedoch unklar, wie viele Nutzer es tatsächlich gibt: In den Verträgen ist eine bestimmte Anzahl an Freiminuten und Frei-SMS inklusive. Das Aufladen des Guthabens im laufenden Monat ist allerdings viel teurer als die Grundgebühr, so dass viele Nordkoreaner mehr als einen Vertrag besitzen. Auch Smartphones werden in Nordkorea immer beliebter. Mit diesen Geräten kann jedoch nur auf das lokale Intranet zugegriffen werden. Die Internetnutzung sowohl über das Handy als auch über Computer ist – mit wenigen Ausnahmen – nur Ausländern erlaubt.

SARAM e.V.
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