Notizen zu Nordkorea 27

Militärparade und Amnestie – Wer bezahlt das?

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Die neuen Apartmentblocks in der Innenstadt von Pjöngjang wurden 2012 mit der Hilfe von Studenten fertiggestellt.
Die neuen Apartmentblocks in der Innenstadt von Pjöngjang wurden 2012 mit der Hilfe von Studenten fertiggestellt.

BERLIN. (hpd) Vor kurzem beging das nordkoreanische Regime den siebzigsten Gründungstag der regierenden Partei der Arbeit Koreas. Welche Auswirkungen hatten die Vorbereitungen der Festivitäten auf die Bevölkerung? Weiteres Thema: Ist Verhütung in Nordkorea illegal?

Das Regime feiert sich, das Volk arbeitet: Siebzigster Gründungstag der Partei der Arbeit Koreas

Am 10. Oktober beging das nordkoreanische Regime mit einer gigantischen Militärparade auf dem Kim-Il-Sung-Platz in Pjöngjang und anderen Festivitäten das siebzigjährige Jubiläum der Partei der Arbeit Koreas (PdAK). In Nordkorea verbreitet sich das Gerücht, dass die Feiern zwei Milliarden Dollar gekostet hätten, aber wegen des massiven Einsatzes unbezahlter Arbeitskräfte kann diese Zahl in Frage gestellt werden.

Wie auch bei anderen wichtigen Jahrestagen mussten zu diesem Anlass wichtige Bauprojekte fertiggestellt und die Städte verschönert werden. Um die Aufgaben zu bewältigen, war die Bevölkerung gezwungen, daran aktiv mitzuwirken. Als im Jahr 2012 der "Ewige Präsident" Kim Il Sung 100 Jahre alt geworden wäre, wurden sogar die Universitäten des Landes über Monate geschlossen, damit die Studenten für Baumaßnahmen insbesondere in der Innenstadt Pjöngjangs mobilisiert werden konnten. Auf dieses Jahr wurde in der nordkoreanischen Propaganda lange hingearbeitet, denn bis dahin sollte sich das Land zu einer "starken und prosperierenden Nation" entwickelt haben.

Neben den monatelangen Proben und Vorbereitungen für die Militärparade in Pjöngjang – Augenzeugen berichten, wie Studenten stundenlang das Heben und Senken von Fackeln geübt hatten – gab es auch in den Provinzen zahlreiche Mobilisierungsmaßnahmen. Gleichzeitig wurde der Zugang in die Hauptstadt, der schon zu normalen Zeiten strikt reglementiert ist, Nicht-Einwohnern komplett untersagt.

Um alle Bauvorhaben und Verschönerungen pünktlich fertigstellen zu können, mussten viele Bürger an den Projekten mitarbeiten. Weil aber anscheinend die "normalen" Mobilisierungsmaßnahmen nicht ausreichten, soll es seit April in einigen Provinzen Zwangsrekrutierungen auf der Grundlage von Gesetzesverstößen gegeben haben. In der Provinzhauptstadt Chongjin im Nordosten des Landes wurden viele Personen zwangsweise einer Arbeitsbrigade zugeteilt, weil sie ohne Klingel Fahrrad fuhren oder unordentliche oder zu freizügige Kleidung trugen. Der Bevölkerung ist dabei vollkommen klar, dass es hierbei nur darum ging, möglichst viele unbezahlte Arbeitskräfte zu gewinnen.

Unmut machte sich auch deshalb breit, weil selbst die überlebenswichtige Landwirtschaft unter den Vorbereitungen für das Parteijubiläums zu leiden hatte. Da angeordnet worden war, dass vor diesem wichtigen Tag die Ernte abgeschlossen sein musste, sollen Ertragszahlen gefälscht worden sein, damit zumindest auf dem Papier die verlangten Quoten erfüllt wurden. Allerdings wurden viele Bauern auch für andere Projekte mobilisiert, so dass Arbeitskräfte in der Landwirtschaft fehlten und es damit zu Ernteeinbußen kam.

Nach Berichten von "Radio Free Asia" wurde Kritik an dem Regime sogar öffentlich gezeigt, was in Nordkorea eine Seltenheit darstellt: Jegliche Form oppositionellen Verhaltens kann schwerwiegende Folgen nicht nur für die Person selbst, sondern für ihre gesamte Familie haben. Trotzdem wurden in mehreren Städte Plakate verunstaltet, die den Staat und die Partei glorifizierten. So wurde etwa das Wort "Sieger" mit "Verlierer" übermalt. Viele Bürger fühlten sich ausgebeutet, weil sie neben Mobilisierungsaktionen auch gezwungen worden waren, eine Haushaltsabgabe in Höhe von 40 chinesischen Yuan – ca. 5,50 Euro, was etwa dem Zehnfachen eines offiziellen Monatslohns entspricht – zu entrichten, um das Training für die Militärparade und Baumaßnahmen zu unterstützen. Diese Maßnahme wirkt umso absurder, weil gleichzeitig berichtet wurde, dass alle Arbeiter und Militärangehörige zum Jubiläum einen 100%igen Bonus auf ihr Gehalt bekommen haben – dank der Großzügigkeit Kim Jong Uns. Von den Geldabgaben sind nicht nur die Menschen innerhalb Nordkoreas betroffen – auch Diplomaten sollen angehalten worden sein, noch mehr Geld als sonst schon in die Heimat zu schicken.

Andere Bürger hingegen verfolgen eher ihre eigenen Ziele und haben sich daher freiwillig bereit erklärt, die Kosten beispielsweise für Kulturveranstaltungen im Rahmen der Feierlichkeiten zu übernehmen: Den sogenannten "Donju" ("Herrscher des Geldes"), die durch privaten und damit (halb-)illegalen Handel zu Geld gekommen sind, fehlt es nicht unbedingt an finanziellen Mitteln, aber an politischem Einfluss. Mit dieser Form der Loyalitätsbekundung gegenüber höheren Parteikadern möchten sie vermeiden, dass ihnen durch den Staat Steine für zukünftige geschäftliche Aktivitäten in den Weg gelegt werden. Immerhin ein paar tausend Bürger hatten allerdings wirklich etwas zu feiern – zum siebzigsten Jahrestag der Unabhängigkeit von Japan im August und noch einmal in diesem Monat zum Parteijubiläum wurden im Rahmen einer Amnestie viele Gefangene aus Umerziehungslagern freigelassen. Berichten zufolge wurden alle Häftlinge begnadigt, die eine Strafe von unter drei Jahren abzusitzen hatten; und bei den übrigen wurde die Haftstrafe um drei Jahre verkürzt. Nach anderen Quellen konnte die Liste der Freizulassenden zusätzlich mit Bestechungsgeldern manipuliert werden, so dass durch Rückdatierung auch Personen begnadigt werden konnten, die erst nach der Bekanntgabe der Amnestie verurteilt worden waren. In jedem Fall konnten aber nur Häftlinge in den sogenannten "Kyohwaso", den Umerziehungslagern, von der Regelung profitieren. Ausgenommen waren die "Kwanliso" ("Kontrollorte"), den Lagern für politische Gefangene, deren Existenz das nordkoreanische Regime bis heute leugnet. Eine Entlassung aus den "Kwanliso" ist in vielen Fällen nicht vorgesehen und auch die Dauer der Haftstrafen ist – zumindest für die Häftlinge – nicht ersichtlich.

Die Unterteilung in politische und "gewöhnliche" Verbrecher ist in Nordkorea jedoch recht schwammig und die Amnestie sollte laut der staatlichen nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA ausdrücklich solche betreffen, die "Verbrechen gegen den Staat und das Volk" verübt hatten. Von der Amnestie profitierten daher auch Flüchtlinge, die aus China oder Laos nach Nordkorea abgeschoben worden waren und danach in Nordkorea interniert wurden.

Sind Verhütungsmittel in Nordkorea illegal?

Schätzungen zufolge nimmt die Geburtenrate in Nordkorea stetig ab. Eine großangelegte Kampagne zur Familienplanung in den siebziger Jahren hatte dafür gesorgt, dass sich die Zahl der Geburten innerhalb weniger Jahre halbierte. Während die Rate Mitte der sechziger Jahre bei 6,5 Kindern pro Frau lag, liegt sie heute bei etwa zwei Kindern pro Frau. Weil aber die Kosten für Versorgung und Bildung des Nachwuchses kontinuierlich steigen, sollen sich immer mehr Paare dazu entscheiden, Schwangerschaften zu verzögern und nur noch ein Kind zu bekommen. Die staatlichen Maßnahmen zur Geburtenkontrolle wurden daher zurückgenommen und es wird aktiv dafür geworben, mehr Kinder in die Welt zu setzen. Familien mit Drillingen erhalten für ihren "Einsatz" für das Volk beispielsweise Geschenke und eine besondere Förderung.

Eine besonders drastische Maßnahme zur Erhöhung der Geburtenrate wurde kürzlich von "Radio Free Asia" berichtet: Es soll jetzt sogar Ärzten verboten worden sein, Verhütungsmittel wie Spiralen einzusetzen oder Abtreibungen vorzunehmen. Die Spirale soll das am weitesten verbreitete Verhütungsmittel in Nordkorea sein.

Es ist unklar, ob diese Maßnahmen einen Einfluss auf die Zahl der Geburten haben werden, denn ein Verbot oder zumindest die Missbilligung von Verhütungsmitteln scheint in Nordkorea nicht so neu zu sein. Laut einer Publikation des Koreanischen Instituts für Nationale Vereinigung (KINU) aus dem letzten Jahr wurde es der Bevölkerung schon Ende der neunziger Jahre unmöglich gemacht, Verhütungsmittel in Krankenhäusern zu erhalten. Damals sollte die Geburtenrate aufgrund der hohen Sterblichkeit in der Hungersnot, durch die möglicherweise bis zu zehn Prozent der Bevölkerung ums Leben kamen, wieder erhöht werden. Zu dieser Zeit kollabierte aufgrund der katastrophalen ökonomischen Lage allerdings auch das staatliche Gesundheitssystem. Die Vermarktlichung der Gesellschaft, die damals einsetzte, machte auch vor dem Gesundheitswesen nicht halt. Weil staatliche Rationen ausblieben und offizielle Löhne eher einen symbolischen Wert haben, waren die Menschen gezwungen, auf dem Schwarzmarkt ihr Geld zu verdienen. In Krankenhäusern wurden Medikamente verschrieben, die aber auf legalem Wege kaum zu bekommen waren. Viele Ärzte fingen an, ihre Dienste privat anzubieten, da der Verdienst auf diesem Wege um ein Vielfaches höher liegt. Weil auch die Patienten inzwischen wissen, dass sie in den staatlichen Krankenhäusern kaum auf eine Behandlung hoffen können, besuchen sie die Ärzte direkt zu Hause. Erfolgreiche Mediziner haben sogar Zugang zu einem privaten Netzwerk aus Krankenschwestern und Apothekern, so dass sie ihre Tätigkeit verhältnismäßig erfolgreich ausführen können und damit sehr gefragt sind.

Weil auch Parteikader von den Diensten profitieren, scheint niemand diese Entwicklung ernsthaft bekämpfen zu wollen. Nicht nur ein Großteil der Medikamentenversorgung geschieht auf privatem Wege, sondern auch Operationen werden auf diese Weise angeboten. Inzwischen werden auch nicht nur lebenswichtige Eingriffe vorgenommen, sondern auch solche, die der Schönheit dienen. Diese sind allerdings auch illegal, denn sie werden als Zeichen westlicher Dekadenz angesehen. Abtreibungen bei privat arbeitenden Ärzten kosten je nach Schwangerschaftswoche zwischen 20.000 und 80.000 Won (ca. zwei bis acht Euro), wie Daily NK berichtet. Patientinnen sind dabei häufig unverheiratete Frauen, die mit dem Stigma einer Schwangerschaft nicht leben wollen. Aufklärungsunterricht gibt es in Nordkorea kaum, so dass viele Frauen als "Verhütungsmittel" nur den Schwangerschaftsabbruch kennen.

Kurznachrichten

Im Herbst bessern viele Familien ihr Haus aus, um es winterfest zu machen. Als Tapetenersatz oder Dämmmaterial dient dabei Papier guter Qualität, das allerdings in Nordkorea sehr rar ist. Auf verhältnismäßig gutem Papier ist die Zeitung "Rodong Sinmun", das Organ des ZK der PdAK, gedruckt, weshalb sie laut Quellen von Daily NK für 10 Won (0,1 Cent) pro Blatt auf den Märkten verkauft wird. Auch zum Drehen von Zigaretten ist die Zeitung sehr beliebt. Einige Seiten sind allerdings praktisch unverkäuflich: Obwohl solche mit dem Bildnis eines der Führer für umgerechnet 0,01 Cent angeboten werden, will sie niemand erstehen. Es gilt in Nordkorea als politisches Verbrechen, das Bild von Kim Eins, Zwei oder Drei zu beschädigen oder gar in Form einer Zigarette zu verbrennen. Damit sind diese Seiten für die meisten Bürger vollkommen wertlos.

Die Anzahl der Mobilfunkverträge in Nordkorea ist laut dem Anbieter Koryolink auf drei Millionen gestiegen. Vor etwas über einem Jahr lag die Zahl noch bei 2,4 Millionen, was zehn Prozent der Bevölkerung entspräche. Es ist jedoch unklar, wie viele Nutzer es tatsächlich gibt: In den Verträgen ist eine bestimmte Anzahl an Freiminuten und Frei-SMS inklusive. Das Aufladen des Guthabens im laufenden Monat ist allerdings viel teurer als die Grundgebühr, so dass viele Nordkoreaner mehr als einen Vertrag besitzen. Auch Smartphones werden in Nordkorea immer beliebter. Mit diesen Geräten kann jedoch nur auf das lokale Intranet zugegriffen werden. Die Internetnutzung sowohl über das Handy als auch über Computer ist – mit wenigen Ausnahmen – nur Ausländern erlaubt.

SARAM e.V.
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